Lars Stindl in Interview "Ewiger Borusse? Damit kann ich mich anfreunden"

Mönchengladbach · Borussias Kapitän spricht über seine späte Karriere beim DFB, typische Stindl-Tore, seine Zukunft bei Borussia und seine Bilanz gegen Augsburg.

 Lars Stindl.

Lars Stindl.

Foto: Imago

Lars Stindl wird heute 29 Jahre alt. Ein Vorab-Geschenk machte ihm gestern Bundestrainer Joachim Löw, der ihn für die WM-Qualifikationsspiele gegen Tschechien in Prag (1. September) und gegen Norwegen in Stuttgart (4. September) nominierte. Karsten Kellermann und Jannik Sorgatz haben mit ihm gesprochen.

Herr Stindl, das 29. Lebensjahr war ein ganz besonderes für Sie.

Stindl Auf jeden Fall, nicht nur in der Profikarriere, sondern auch privat. Es war insgesamt ein sehr turbulentes Jahr. Wir haben 2016 sehr stark angefangen in der Bundesliga, hatten dann eine schwierige Phase. In der Rückrunde haben wir uns aber wieder gefangen, allen Enttäuschungen mit dem bitteren Ausscheiden in der Europa League und im DFB-Pokal zum Trotz. Die Nominierung für die Nationalmannschaft und der Sieg im Confed Cup waren für mich persönlich die Krönung.

Und privat ist Familie Stindl seit geraumer Zeit zu dritt...

Stindl ...genau, das erste Jahr mit unserer Kleinen war wirklich toll.

Wie ist "Papa" Stindl?

Stindl Auch ein absoluter Teamplayer (lacht). Meine Frau übernimmt zwar das meiste, aber ich versuche, ihr so gut es geht unter die Arme zu greifen im Alltag mit der Kleinen - beim Abendessen, beim Ins-Bett-Bringen, auch beim Windelnwechseln.

Kommen wir zum Sportlichen: Gestern wurde der DFB-Kader für die nächsten beiden Länderspiele nominiert. Sie sind wieder dabei.

Stindl Das freut mich riesig. Ich werde es weiterhin in vollen Zügen genießen. Bei dem Pool an Spielern, die der Bundestrainer zur Verfügung hat, ist das keine Selbstverständlichkeit. Ich habe immer gesagt, dass die Nationalmannschaft für mich ein Bonus ist in meiner Karriere.

Diesen Sommer hätte Ihnen auch sonst keiner mehr genommen.

Stindl Es war ein Riesenerlebnis, überhaupt dabei sein zu dürfen. Dann kam ich auch noch so häufig zum Einsatz, habe gute Leistungen gezeigt, und der Titel war am Ende die Krönung. Aber ich weiß das schon alles richtig einzuschätzen.

Ihr Name ist jetzt, Nominierung hin oder her, auf jeden Fall drin in diesem Pool von 40 Spielern, die auf ein Ticket für die WM im nächsten Jahr hoffen dürfen.

Stindl Ich habe zumindest das gezeigt, was ich kann, und das, was mich bei Borussia stark gemacht hat, in der Nationalmannschaft eingebracht. Grundsätzlich freue ich mich über jedes Spiel, das noch dazukommt. Aber mein Glück ist davon nicht abhängig. Der Fokus gilt ganz klar Borussia.

Für einen, der den Fußball lebt und liebt wie Sie, ist so ein entscheidendes Finaltor sicherlich etwas Großes.

Stindl Klar, das Trikot und die Medaille haben schon einen besonderen Platz bekommen, auch wenn manch einer sagt, es sei nur der Confed Cup gewesen. Titel ist Titel. Aber die Begeisterung der Leute hat sich im Laufe des Turniers auch gesteigert, das hat uns noch ein bisschen gepusht.

Gegen Köln lief es vor dem Tor noch nicht so rund für Sie. Haben Sie den Eindruck, dass vergebene Chancen nun mehr auffallen und Ihre gezeigten Leistungen die Latte höher legen?

Stindl Extern vielleicht, aber ich habe letztes Jahr auch schon Chancen liegen lassen. Grundsätzlich bin ich froh, dass ich gleich wieder im Sechzehner in die gefährlichen Zonen kam und diese Abschlüsse hatte. Es gab nach der kurzen Vorbereitung schon ein kleines Fragezeichen für mich, weil es ungewohnt war. Ich habe mich gut gefühlt, konnte aber nicht so einschätzen, ob da vielleicht noch etwas kommt. Aber die guten Gefühle haben sich in den Spielen gegen Essen und Köln bestätigt. Die erste Chance im Derby war mit links, das war noch vertretbar, aber bei dem zweiten Schuss muss ich die Hüfte vielleicht noch etwas weiter aufdrehen und in die lange Ecke schießen. Aber grundsätzlich war das schon ganz okay.

Es gibt mittlerweile in der Wahrnehmung das typische "Stindl-Tor": Von außen wird der Ball zurückgelegt und Sie verwandeln aus etwa zehn Metern mit der Innenseite.

Stindl Das ist es auch, was mich auszeichnet - einfache Pässe, einfache Tore.

Ist das denn so einfach wie es aussieht? Ihre Kollegen sagen über Sie, Sie hätten die beste Innenseite der Bundesliga.

Stindl Ein Stück weit ist das einem in die Wiege gelegt, aber die Automatismen habe ich mir auch über die Jahre erarbeitet. Seit der Jugend habe ich immer viele Pässe gespielt, war viel am Spiel beteiligt, hatte viele überlegte Abschlüsse. Das ist meine Idee vom Fußball, die ich natürlich ständig zu verbessern versuche.

Der erste Eindruck nach der Vorbereitung und den ersten beiden Spielen ist, dass es in dieser Saison noch mehr dieser typischen Stindl-Situationen geben könnte. Die Flügel sind mit Thorgan Hazard und Ibrahima Traoré sehr stark, Nico Elvedi ist hinten rechts sehr offensiv ausgerichtet, Oscar Wendt auf links sowieso.

Stindl Wir hatten gegen Köln auch schon mehr klassische Flanken als vorher, Raffael hatte dadurch seine Chance. Das war letztes Jahr sicherlich ein Manko. Wir haben zwar nicht diese großen Kopfballstürmer, aber durch die Vielzahl der Spieler, die in den Sechzehner vorstoßen, wollen wir Unruhe stiften und vielleicht auch mal so erfolgreich sein. Auf außen durchkombinieren zur Grundlinie, der Pass in den Rückraum - das zeichnet uns aus. Aber wir wollen auch ein Stück weit variabler sein und natürlich effektiver vor dem Tor. So hätten wir eine ruhigere letzte Viertelstunde haben können im Derby.

Wie erreicht man eine solche Effektivität?

Stindl Man muss auch ein wenig die Ruhe behalten. Wir haben uns diese Chancen erarbeitet, das waren keine Zufallsprodukte. Und dann müssen wir den Glauben an unsere Stärken nicht nur sprachlich vermitteln, sondern auch auf dem Platz zeigen. Erfolgserlebnisse festigen einen, das kommt alles mit der Zeit.

Für den Spielzug, der zum 1:0 führte, durfte sich die gesamte Mannschaft aber auf die Schulter klopfen.

Stindl Der war überragend, von hinten raus über Jannik Vestergaard, Chris Kramer, mich, Raffael, Ibo Traoré - sehr viele Pässe über das gesamte Spielfeld, ein entscheidender Pass in die Tiefe. Wir haben das im Anschluss natürlich nochmal analysiert. Da sagt auch der Trainer: Das war richtig gut. In einer schwierigen Situation sind wir da mutig und ruhig geblieben. Wir haben viele Einzelspieler, die ein Spiel entscheiden können, aber auch eine gute Mannschaft, die sich solche Tore zusammen erarbeiten kann. Das macht noch mehr Spaß und macht einen noch stolzer.

Dieter Hecking ist Ihr dritter Trainer in Gladbach, auch wenn Sie Lucien Favre nicht so lange erlebt haben. Wie würden Sie seinen Grundstil beschreiben: Favre als Gerüst plus André Schuberts Wagemut?

Stindl Einen Trainer über andere zu definieren, ist schwierig. Jeder hat seine eigene Art. Dieter Hecking verlangt viel von uns, vor allem diszipliniertes Auftreten, jeder muss seine Aufgaben erfüllen, vor allem im Defensivverbund. Das ist ein Hauptaugenmerk von ihm, aber er lässt uns auch die kreative Freiheit im Spiel nach vorne, genauso beim Pressing.

Und die Standards hat er wieder in den Fokus gerückt.

Stindl Genau, das macht vor allem Dirk Bremser. Da hatten wir in der Rückrunde schon eine unglaubliche Quote. Wir sind sehr variabel dabei Nehmen wir die kurze Variante in Essen: Es geht darum, den Gegner ständig zum Nachdenken zu bringen. Dem widmet Dirk auch viel Zeit im Training.

Man hat das Gefühl, dass es perfekt passt mit Ihnen und Borussia. Ihr Vertrag läuft bis 2021, in dem Sommer werden sie dann 33 Jahre alt. Werden Sie "ewiger Borusse" und beenden Ihre Karriere hier?

Stindl Mit dem Gedanken könnte ich mich sehr gut anfreunden. Ich habe nicht umsonst hier verlängert. Nicht nur die Spielweise passt perfekt zu meiner Idee vom Fußball. So hatte ich mir das vorgestellt, als ich kam. Wie es dann wirklich wird, erfährt man ja erst, wenn man da ist. Aber auch, wie der Verein gelebt und geliebt wird, ob von Mitarbeitern oder Fans, imponiert mir einfach. Ich fühle mich mit meiner Familie sehr wohl am Niederrhein und bin glücklich, ein Teil des Ganzen hier zu sein.

Werden Sie neidisch, wenn wie in dieser Woche Hoffenheim in Liverpool spielt und Sie zuschauen müssen?

Stindl Nein, überhaupt nicht. Wir wissen alle, dass das ein großes Stück Arbeit ist, sich über ein Jahr da oben festzukrallen. Das muss man einfach honorieren. Hoffenheim spielt ja auch guten Fußball.

Also ist es eher ein Ansporn, das in der kommenden Saison selbst wieder zu erleben?

Stindl Wir wollen alle eine bessere und ruhigere Runde spielen, unabhängig von der konkreten Zielsetzung. Mit den Mannschaften, die direkt vor uns standen, sehen wir uns auf Augenhöhe, und natürlich wollen wir dieses Jahr wieder besser sein. Dass es schwierig wird, weil auch Schalke, Leverkusen und Wolfsburg nicht international spielen, ist klar. Aber der Herausforderung sehen wir uns gewachsen.

Kennen Sie Borussias Bundesliga-Statistik in Augsburg?

Stindl Sechs Spiele, drei Unentschieden, drei Niederlagen?

Sehr gut! Warum gibt es solche Gegner?

Stindl Schwierig zu sagen, diese Konstellationen gibt es oft. Aber der Trainer hat es angesprochen, und jede Serie reißt einmal - dafür werden wir alles tun. Und ich weiß, dass ich gegen Augsburg meine beste Bilanz habe.

(RP)
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