Neuer BVB-Trainer Tuchel legt los: "Fleiß, Bescheidenheit, Mut und Offenheit"

Dortmund · Thomas Tuchel hat nun auch offiziell das Erbe von Jürgen Klopp angetreten. Seinen Vorgänger ehrte er in höchsten Tönen, er grenzte sich jedoch auch klar von ihm ab.

Thomas Tuchel wird bei Borussia Dortmund offiziell vorgestellt
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Tuchel beim BVB offiziell vorgestellt

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Der lange Schatten Jürgen Klopps holte Thomas Tuchel umgehend ein. Als der neue Trainer von Borussia Dortmund um 12.08 Uhr durch das Vereinsmuseum zur Pressekonferenz ging, liefen dort gerade Bilder der letzten BVB-Meisterfeiern, die Schale und der DFB-Pokal grüßten als Nachbildung aus den Vitrinen. "Jürgen war weit mehr als ein Trainer", sagte Tuchel sogleich und war dabei im prasselnden Blitzlicht Dutzender Kameras zunächst kaum zu hören. Seine folgende Ansage aber war unmissverständlich: Es beginnt eine neue Ära - mit seiner Prägung.

"Wir werden eine besondere Hingabe entwickeln. Wir werden eine ganz besondere Haltung annehmen, von Leistungsbereitschaft durchdrungen", kündigte Tuchel eindringlichen Blickes an, stilbildende Werte dafür seien "Fleiß, Bescheidenheit, Mut und Offenheit. Ich möchte, dass die anderen Teams uns ständig spüren."

Viele waren überrascht, als Tuchel vor die gut 100 Journalisten und 25 Fernsehkameras trat. Er kam beschwingten Schrittes im dunklen Pullover aus seinem Sabbatjahr - mit der Figur eines Marathonläufers. Er wirkte asketisch, fast ein wenig ausgezehrt. Seine Worte aber waren überzeugend und tiefgehend, sie ließen erkennen, warum Thomas Tuchel Fußballprofis mitzureißen vermag.

Thomas Tuchel im Portät: Ex-Trainer von BVB, Chelsea und Paris Saint-Germain
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Das ist Thomas Tuchel

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Foto: AP/Andy Rain

"Adrenalin" stand auf einer schwarz-gelben BVB-Getränkedose auf seinem Pult - und Tuchel war in jenem "Kampfmodus", den Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke vier Tage nach der Niederlage im DFB-Pokal-Finale zuvor ausgerufen hatte.

Tuchel, frisch rasiert, bestens gelaunt, sieht die Dortmunder als Jäger, als "Herausforderer in allen Wettbewerben, auch für die nationale Spitze". Diese habe sich erweitert, sei nicht nur Bayern München, sondern auch Borussia Mönchengladbach, Bayer Leverkusen und der VfL Wolfsburg. "Ich gehe davon aus, dass wir einen kleinen Rückstand haben, diese vier waren in Hin- und Rückrunde die besten Mannschaften. Sie haben gelernt, in Serie zu gewinnen", sagte er.

Dies will ein "überglücklicher" Tuchel auch seiner neuen Mannschaft beibringen - "ohne Egoismen". Kraft und Motivation hat er aus seiner Pause gezogen, die ihn noch weit höher zu stellen schien, als es ihm nach fünf erfolgreichen Jahren beim FSV Mainz 05 ohnehin zugestanden hätte.

"Das Leben war hart", sagte er breit grinsend. "Ich bin ohne Uhr ins Bett gegangen, ohne Uhr wieder aufgestanden, habe meine Kinder in den Kindergarten gebracht." Er habe gelernt, Zeit zu haben - für seine Familie, aber auch dafür, "überragende Gespräche mit beeindruckenden Persönlichkeiten nachklingen zu lassen". Die WM? "Die ging fast komplett an mir vorbei."

Nun sind Lust und Gier zurückgekommen. Mit Wucht. "Ich freue mich riesig, hier Trainer zu sein", sagte Tuchel, der einen Dreijahresvertrag unterschrieben hat. Genauso lange hätte auch Klopps Vertrag noch Gültigkeit besessen, aber der ist ja nun Teil der BVB-Historie.

Der Spielstil wird jedoch womöglich noch an Klopp erinnern. Eine gnadenlose Balljagd soll es werden, dominant, angriffsorientiert, mit schnellem Umschalten. Mit welchem Personal, wird sich in den kommenden Monaten zeigen.

"Es gibt keinen Forderungskatalog. Ich werde nicht am Videogerät urteilen, wer die Gruppe verlassen muss", sagte Tuchel. Probleme gibt es reichlich: Die Torwartfrage, die schwachen Leistungen einiger Zugänge aus dem Vorjahr (Immobile, Ginter, Ramos) - und wie werden Ilkay Gündogan oder Sebastian Kehl ersetzt? Die Verpflichtung Gonzalo Castros aus Leverkusen hatte Tuchel bereits betrieben.

Am 30. Juli geht es in die Europa-League-Qualifikation, die für Tuchel "eine erhebliche Beeinträchtigung" ist. Der Bundesligastart ist am 14. August - 446 Tage nach seinem letzten Spiel mit Mainz. An diesem Tag beginnt der Kampf des Thomas Tuchel richtig. Auch der um einen eigenen Platz im "Borusseum".

(sid)
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