Ilkay Gündogan Heimattreu, weil die Alternative fehlt

Dortmund · Ilkay Gündogan wollte im Sommer den Verein wechseln. Offenbar sind ihm aber die Interessenten ausgegangen. Deshalb denkt der Dortmunder Mittelfeldspieler nun über eine Vertragsverlängerung beim BVB nach.

Ilkay Gündogan bei der EM 2021 - Straßenfußballer aus dem Pott mit türkischen Wurzeln bei ManCity
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Das ist Ilkay Gündogan

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Ilkay Gündogan hat sich verzockt. Das kommt vor im Unterhaltungsgeschäft Profifußball. Im späten Frühjahr wollte der Dortmunder Mittelfeldspieler offenbar nicht jeden Tag aufs Neue zur vorzeitigen Vertragsverlängerung beim BVB gedrängt werden. Deshalb erklärte er seinen westfälischen Dienstherren im April, dass er sich einen anderen Arbeitgeber suchen wolle. Hochkarätige Interessenten von Bayern München bis zum FC Barcelona standen damals Schlange. Sie hätten Gündogan aus einem noch bis 2016 gültigen Vertrag mit Borussia Dortmund herauskaufen müssen. Der Klub hätte demnach fein mitverdient und fand die Wechselabsichten des Nationalspielers nicht mehr ganz so bedauerlich.

Inzwischen stehen die großen Klubs nicht mehr Schlange. Sie sind nicht mehr davon überzeugt, dass der 24-Jährige wieder das Niveau erreichen kann, auf dem er sich vor zwei Jahren befand. Damals war er eine der auffälligsten Figuren im europäischen Fußball. Eine lange Verletzungspause kostete ihn aber nicht nur die Teilnahme an der Weltmeisterschaft 2014, sie brachte ihn auch erkennbar aus dem Rhythmus. Das nährte Bedenken in der Fachwelt, die Gündogans Vorstellungen in den zurückliegenden drei Monaten sehr aufmerksam studierte. Im beginnenden Sommer sitzt der Spieler zwischen den Stühlen. Nun wendet er sich wieder seinem augenblicklichen Arbeitgeber zu. Sein Agent, sein Onkel Ilhan, hat der "Süddeutschen Zeitung" das ganz zufällig in diesen Tagen verraten. "Dortmund ist klar wieder eine Option", sagte der Onkel. Und weil die Familie Gündogan von einer grundgütigen Haltung gegenüber dem BVB beseelt ist, will sein Klient Ilkay auch nicht nur stur seinen Vertrag bis 2016 erfüllen, ehe er dann ohne ein großes Risiko für den nächsten Klub ablösefrei wechseln könnte. Er möchte seinen Kontrakt sogar verlängern (dem Vernehmen nach bis 2018), damit der BVB bei einem vorzeitigen Abschied doch noch mal in den Genuss einer ordentlichen Ablösesumme kommt. So stellt es jedenfalls die Partei Gündogan dar.

Es ist nicht einmal unwahrscheinlich, dass der Spieler, der bislang nicht als unangenehmer Zocker aufgefallen ist, seinem Klub etwas gönnt. Sicher ist freilich auch, dass er die Treue zur Heimat im Revier (geboren wurde er in Gelsenkirchen) vor allem mangels einer geeigneten Alternative entdeckt. Ein neuer Vertrag in Dortmund gäbe ihm die Möglichkeit, zu nicht eben bescheidenen finanziellen Bedingungen weiter auf die Suche nach der verlorenen Form zu gehen.

Nach Informationen der "Süddeutschen Zeitung" gab es im besagten Frühjahr ein Dortmunder Angebot über ein Jahresgehalt von sechs Millionen Euro. Am Essen muss man da nicht sparen. Es passt zu Gündogans Wendemanöver, dass er die Qualität des neuen Dortmunder Trainers Thomas Tuchel zu entdecken scheint. Aus dem Urlaub habe er bereits mit dem Nachfolger von Jürgen Klopp telefoniert, erklärte der Onkel. Es soll sich niemand wundern, wenn der Spieler demnächst ziemlich begeistert von Tuchels Methoden und fußballerischen Vorstellungen ist.

Ob ihm das eine Stammplatzgarantie einträgt, ist eine völlig andere Frage. Tuchel wird sie öffentlich auf keinen Fall beantworten. Und im stillen Trainer-Kämmerlein wird er zunächst mal beobachten, in welcher Verfassung sich Gündogan aus dem Sommerurlaub zurückmeldet.

Selbstverständlich wird auch der neue Coach hoffen, dass der Deutsch-Türke wieder so richtig in die Spur kommt. In Bestform ist Gündogan außergewöhnlich, weil er einem Spiel Struktur, Tempo und Ideen geben kann. Noch spielt er jedoch gegen die eigenen Zweifel. Und vielleicht warten die Dortmunder den Saisonstart erst einmal ab, ehe sie den Vertrag kühn verlängern. Jetzt könnten sie zocken.

(RP)
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