Bayern-Gala in der Champions League Kämpfen, bis die Hose reißt

München/Düsseldorf · Die Coaching-Zone ist ihm zu klein. Pep Guardiola braucht Auslauf, am liebsten würde er mitspielen. Und das tut er auch. In den Spielpausen zerrt er seine Spieler über die Außenlinie, spricht auf sie ein, gestikuliert und verdreht die Augen. Vor der Bank führt er wüste Tänze auf, und er streut gymnastische Übungen ein.

FC Bayern München: Josep Guardiola reißt gegen FC Porto die Hose
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Guardiola reißt gegen Porto die Hose

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Foto: ap, FO

Manchmal vergisst Bayern Münchens Coach, dass er gerade keine Sportsachen trägt. Deshalb reißt seine teure Hose bei einer spontanen Kniebeuge im Spiel gegen den FC Porto. Guardiola kann es verschmerzen, der FC Bayern auch. Denn der 6:1-Erfolg im Viertelfinal-Rückspiel führt nicht nur ins Halbfinale der Champions League. Er befriedet durch die außergewöhnliche Leistung der Mannschaft den großen Krach im Klub, der über den Rücktritt des Mediziner-Stabs um Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt ausgebrochen war.

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Persönlicher Triumph für Guardiola

Und er ist ein ganz persönlicher Triumph für Guardiola. Schließlich hatten nicht wenige die Begegnung in den Rang eines Schicksalspiels erhoben. Ein Ausscheiden im Viertelfinale nach der tristen Vorstellung beim 1:3 im Hinspiel hätte so gar nicht zu den hohen Ansprüchen des Klubs und deshalb auch nicht zu den ebenso hohen Anforderungen an den Trainer gepasst. Die deutsche Meisterschaft wird inzwischen in München mehr oder weniger vorausgesetzt, die wahre Klasse des besten deutschen Klubs soll sich in Europa zeigen. Die vierte Halbfinal-Teilnahme in Folge gehört zum Anforderungsprofil.

Für die Art, mit der seine nach wie vor ersatzgeschwächte Mannschaft in die Vorschlussrunde stürmte, darf sich Guardiola feiern lassen. Die Münchner rannten, kämpften und spielten ihren Gegner an die Wand. Eine 5:0-Führung zur Halbzeit kam dabei herum, die Portos schockierter Trainer Julen Lopetegui zum Anlass nahm, die Bayern "zum klaren Favoriten auf den Gewinn der Champions League" zu ernennen. Das tat er natürlich auch, um die eigene Leistung nicht gar zu schwarz malen zu müssen. Die Bayern waren vor allen Dingen über die Außenpositionen über Porto hergefallen, weil sie nach den Sperren der Stamm-Außenverteidiger dort mit Recht Schwächen vermuteten.

Sammer: "Guardiola ist ein Segen"

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Müller stimmt nach Gala die Humba an

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Der taktische Zug war nicht überraschend, auf den Gedanken wären sicherlich viele gekommen. Die Perfektion allerdings, mit der Philipp Lahm als echter Rechtsaußen und Mario Götze Räume für Flanken und Läufe zur Grundlinie schufen, beeindruckte auch die Fachleute. Bayerns Sportvorstand Matthias Sammer erhob Guardiola voller Dankbarkeit sogleich in den sportlichen Adelsstand. "Der deutsche Fußball und der FC Bayern können sich glücklich schätzen, mit Pep Guardiola den wohl begehrtesten Trainer der Welt zu haben. Seine Ideen sind unglaublich. Er ist ein Segen", sagte Sammer.

Er könnte sein segensreiches Werk allerdings weit weniger nachdrücklich tun, wenn er nicht ein paar überragende Mitarbeiter hätte. Deshalb gab es an einem bemerkenswerten Abend in der Münchner Arena neben Guardiola auch einige andere große Gewinner. Holger Badstuber zum Beispiel, der als Innenverteidiger mit großer Ruhe und gestochen scharfen Pässen dem Spiel von hinten Struktur gab. Juan Bernat, der als linker Außenverteidiger wie ein zusätzlicher Stürmer spielte und an dem die körperlichen Anstrengungen einer langen Saison wirkungslos vorbeigehen. Thomas Müller, der mit seiner Zuversicht und seiner Leichtigkeit anstürmte. Robert Lewandowski, der große Vollstrecker und begnadete Zweikämpfer im Strafraum. Und Thiago, der ein Kopfballtor beisteuerte und mit einer Eleganz Regie führte, die nicht nur seinen Trainer begeisterte. Guardiola wollte den Mittelfeldmann gar nicht aus den Armen entlassen, als er ihn kurz vor Schluss ausgetauscht hatte.

Das Grandiose am bayerischen Gesamtkunstwerk im Spiel gegen Porto ist die Tatsache, dass die Mannschaft lebendiges Flügelspiel zeigte, obwohl sie auf die Kreativen vom Dienst verzichten mussten. Franck Ribéry und Arjen Robben fehlten erneut wegen langfristiger Verletzungen. Die Münchner glichen das durch taktische Flexibilität aus. Und als ihnen gerade in der Anfangsphase des Spiels immer mehr gelang, hoben sie für ein paar Minuten regelrecht ab. Die bezeichnende Szene dafür war das 3:0. Über 20 Stationen gelangte der Ball von Thiago zu Lahm. Dessen Flanke verlängerte Müller mit viel Ballgefühl zu Lewandowski, der mit wuchtigem Kopfstoß vollstreckte. Das war ganz großer Fußball.

(RP)
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