Folgt Tuchel auf Ancelotti? Die Bayern brauchen wieder einen Fußballlehrer

München/Düsseldorf · Die Bayern entlassen Trainer Carlo Ancelotti und alles wird sofort wieder gut? Das Spiel in Berlin zeigt, dass diese Rechnung nicht so einfach aufgeht. Die Bayern brauchen wieder einen Trainer mit einer eigenen Spielidee. Einen wie Thomas Tuchel.

Thomas Tuchel in Dortmund bei der täglichen Trainingsarbeit.

Thomas Tuchel in Dortmund bei der täglichen Trainingsarbeit.

Foto: dpa, bth jai

Für die Wundergläubigen war die Geschichte ganz klar. Bayern München musste nur Trainer Carlo Ancelotti vor die Tür setzen. Schon würden die vielbeschworenen Selbstheilungskräfte in einem topbesetzten Team greifen, und fortan würde die Sammlung Hochbegabter ihre Konkurrenz in Grund und Boden rennen. Der erste Auftritt nach dem Abschied des Italieners von der Trainerbank machte sehr deutlich, dass in München keine Wunder zu erwarten sind.

Der deutsche Meister ließ sich auch von der biederen Berliner Mannschaft einen 2:0-Vorsprung abjagen und musste sich mit einem 2:2 begnügen. Erstaunlicher als das Ergebnis war dabei die Tatsache, dass es der Bayern-Mannschaft an grundsätzlichen Fähigkeiten fehlt. Das Spiel ist von Zufällen bestimmt und der individuellen Klasse der Spieler. Die Ordnung auf dem Feld stimmt nicht, die Abstände zwischen den Mannschaftsteilen sind viel zu groß. Und es mangelt ganz offensichtlich an der notwendigen Fitness. Im Nachhinein ein Armutszeugnis für Ancelotti und für die Firmenleitung gleichermaßen, die viel Sachverstand für sich in Anspruch nimmt und sich trotzdem erst viel zu spät mit Entscheidungen zu Wort meldete.

Zwischen Rummenigge und Hoeneß passt es nicht

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In Berlin saßen Präsident Uli Hoeneß und Klubchef Karl-Heinz Rummenigge mit eingefrorenen Mienen auf der Tribüne. Immerhin saßen sie nebeneinander, das könnte so etwas wie Einigkeit der beiden Führungsfiguren demonstrieren, von der freilich keine Rede sein kann. In vermeintlich wegweisenden Personalentscheidungen kamen der Bauchmensch Hoeneß und der kühle Geschäftsmann Rummenigge allenfalls zu billigen Kompromissen.

In Person des Sportdirektors Hasan Salihamidzic bündeln sich die Schwierigkeiten des Führungsduos, das keine annähernd gleich großen Figuren neben sich duldet. Damit Salihamidzic über den Anschein des Gute-Laune-Geists in der Kabine hinaus kommt, schicken ihn die Ober-Bayern in jüngerer Vergangenheit gern mal vor die TV-Kameras. Profil gewinnt er dabei nicht.

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Perfekt wäre "Jupp Guardiola"

Die wichtigste Personalentscheidung steht den Bayern aber erst noch bevor. Der neue Trainer muss ein echter Trainer sein. Einer, der sich mit den vielen so bedeutenden Kleinigkeiten des Fußballs befasst, der auch arrivierten Spielern eine Idee vermittelt, der Ordnung herstellt. Der ideale Mann wäre eine Mischung aus Jupp Heynckes und Pep Guardiola. Beide stehen nicht zur Verfügung. Guardiola bringt gerade das Milliardenteam von Manchester City auf Trab, Heynckes ist vor vier Jahren hochzufrieden mit einer großen Laufbahn in den Ruhestand gegangen.

Alles läuft auf eine Verpflichtung von Thomas Tuchel hinaus. Noch aber scheinen die Bayern zu zögern. "Wir sind mit Kandidaten im Gespräch", sagte Salihamidzic, "aber wir nennen keine Namen." In Dortmund bei Manager Michael Zorc und daheim bei ihrem Verteidiger Mats Hummels sollen sich die Münchner nach Tuchel erkundigt haben. Sie werden dabei erfahren haben, was offensichtlich ist. Tuchel ist alles andere als einfach im Umgang, er kann in der Zusammenarbeit eiskalt sein und in seinem Jähzorn unberechenbar. Er ist aber auch ein herausragender Fachmann.

Die Bayern müssen nun für sich die Frage beantworten, ob sie einen anstrengenden Trainer haben wollen, der in Dortmund nach der Ära Klopp sportlich überraschend schnell erfolgreich war. Eine Alternative bietet der Markt zurzeit nicht. Es ist nicht zu erwarten, dass die Münchner Jürgen Klopp aus seinem Vertragsverhältnis beim FC Liverpool herauskaufen (können). Und es ist unwahrscheinlich, dass sie so eine Aktion beim Hoffenheimer Trainer-Talent Julian Nagelsmann planen.

Sicher ist nur eins: Diesmal muss der Schuss sitzen.

(pet)
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