Bayern-Trainer entlassen Ancelotti hat in München als Moderator versagt

Düsseldorf · Nach der 0:3-Niederlage bei Paris St. Germain hat der FC Bayern München Trainer Carlo Ancelotti entlassen. Der Italiener hat die an ihn gestellten Erwartungen nicht erfüllt.

FC Bayern München feuert Carlo Ancelotti: Pressestimmen
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Pressestimmen zum Ancelotti-Rauswurf

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Foto: rtr, STN/JKP

Carlo Ancelotti (58) ist bislang nicht als taktischer Pionier hervorgetreten. Die Vorzüge der Trainer-Marke Ancelotti bestehen eher in unerschütterlicher Ruhe, großer Erfahrung und der Fähigkeit, eitle Superstars bei Laune zu halten. Ancelotti ist Moderator, er ist kein Revolutionär.

Genau deshalb hat ihn Bayern München 2016 als Nachfolger des stets besonders aufgeregten taktischen Dauer-Erneuerers Pep Guardiola verpflichtet. Das führte anfangs zum kollektiven Durchatmen in der Mannschaft, die sich nicht mehr an jedem Arbeitstag hingebungsvoller Detailarbeit widmen musste. Der Fußball aber wurde zunehmend erwartbarer, die Meisterschaft war nur ein Minimalerfolg.

Nach einem wackligen Start in die zweite Saison erreichte die Zusammenarbeit zwischen dem Rekordmeister und dem vermeintlich so pflegeleichten Italiener am zweiten Champions-League-Spieltag den Tiefpunkt. Seine Mannschaft unterlag bei Paris St. Germain mit 0:3, und daran hatte Ancelotti einen wesentlichen Anteil. Darum trennte sich der Klub am Donnerstag von seinem Cheftrainer. Sein bisheriger Assistent Willy Sagnol übernimmt das Amt vorübergehend. Es heißt, der im Sommer bei Borussia Dortmund entlassene Thomas Tuchel sei ein Nachfolgekandidat.

Der Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge hatte Ancelotti bereits beim Bankett nach dem Spiel in Paris angezählt. Das sei "nicht der FC Bayern" gewesen, sagte Rummenigge, jetzt werde "Klartext geredet", und es werde "Konsequenzen geben". Nach der Rückkehr gab es eine Krisensitzung. Sie endete mit der Demission des Trainers.

Ancelotti hat das Bayern-Team nicht vorangebracht, und er leistete sich in Paris eine seltsame Aufstellung. Der Coach, der sonst gern auch gegen abstiegsbedrohte Bundesligisten mit sieben defensiv ausgerichteten Spielern antritt, schickte in Paris reichlich Angriffspersonal auf den Rasen. Dafür bestückte er Reservebank und Tribüne mit Weltklasse. Der eine Weltmeister-Verteidiger (Mats Hummels) schaute 90 Minuten von der Bank zu, sein Kollege Jerome Boateng musste sogar auf die Tribüne. Arjen Robben wurde (zu) spät eingewechselt, Franck Ribéry gar nicht. Das muss nicht jeder verstehen. Die Spieler hielten sich dennoch mit kritischen Äußerungen zurück. "Ich muss erst darüber nachdenken", erklärte Ribéry. Das lässt allerdings so manchen Schluss zu.

Tatsächlich war das Verhältnis zwischen Ancelotti und seinen großen Stars nachhaltig gestört. Dabei war das Band zwischen Trainer und Spielern das entscheidende Merkmal der Zusammenarbeit. Störungen im zwischenmenschlichen Verhältnis oder den Verzicht auf ein zwischenmenschliches Verhältnis hatten die Bayern schon bei Guardiola bis zum gegenseitigen Überdruss. Weil Ancelotti nun als Moderator in München versagte, ist seine Mission bei den Bayern insgesamt gescheitert.

Sein Klub steht nach dem denkwürdigen Abend von Paris, dem "historischen Schlag auf den Hintern" (Rummenigge) vor grundsätzlichen Erwägungen. Die Kehrtwende vom anstrengenden Extrem-Taktiker Guardiola zum überentspannten Ancelotti hat den Rekordmeister in seiner Leistungsfähigkeit erstarren lassen. Die unvergleichliche Sammlung von Stars braucht dringend so etwas wie ein System, eine Idee und Führung, die über sture Verfügungen hinausgeht.

Der ideale Mann für so eine Aufgabe wäre Jupp Heynckes, aber der hat sich vor vier Jahren nach dem Triple aus Gewinn der Champions-League, Meisterschaft und DFB-Pokalsieg mit 68 Jahren in den Ruhestand verabschiedet. Tuchel könnte für neue Ideen sorgen, für eine "Philosophie", wie die Fußballer sagen. Ein Freund der Spieler wird er nicht. Aber den hatten die Bayern ja gerade — zumindest bis zum Anfang dieser Saison. Dann ist selbst da irgend etwas schiefgelaufen.

(pet)
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