Guardiola-Ära bei den Bayern beendet Der gemütliche Herr Ancelotti übernimmt

München · Pep Guardiola geht, Carlo Ancelotti kommt: Nach dem DFB-Pokalfinale beginnt beim FC Bayern eine neue Zeitrechnung – der Anspruch aber bleibt der alte.

Carlo Ancelotti – alle Titel des Erfolgs-Trainers
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Das ist Carlo Ancelotti

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Pep Guardiola geht, Carlo Ancelotti kommt: Nach dem DFB-Pokalfinale beginnt beim FC Bayern eine neue Zeitrechnung — der Anspruch aber bleibt der alte.

Die wichtigste Voraussetzung, die ein Trainer des FC Bayern mitbringen muss, erfüllt Carlo Ancelotti spielend. "Mein Arsch ist erdbebensicher", schreibt der Nachfolger von Pep Guardiola beim deutschen Meister in seiner Autobiographie. Und dabei hat der Erfolgscoach nicht nur seine für Erschütterungen anfällige Heimat in der italienischen Poebene im Hinterkopf.

Ancelotti gilt als gelassenster Vertreter der Riege internationaler Top-Trainer, als Spielerversteher und zur Gemütlichkeit neigender Pragmatiker. Bei Milan, Chelsea, in Paris oder Madrid hielt er es mit den nicht eben einfachen Klubbossen Silvio Berlusconi, Roman Abramowitsch, Nasser Al-Khelaifi und Florentino Pérez aus, gegen die Karl-Heinz Rummenigge ein eher unaufgeregter Zeitgenosse ist.

Glaubt man dem Münchner Vorstandschef, erwartet Ancelotti dennoch eine knifflige Aufgabe - und ein schweres Erbe. Man werde Guardiola erst richtig zu schätzen wissen, "wenn er nicht mehr da ist", sagt Rummenigge. Ancelotti, weiß der Italien-Kenner, sei "ohne Frage ein ganz anderer Trainer. Carlo ist auch ein Taktikfuchs, aber nicht so besessen wie Pep. Er ist, vielleicht auch ein bisschen wegen des Alters, im Umgang mit den Spielern differenzierter."

Das ist vornehm formuliert. Guardiola "opfert" im Sinne der Sache schon mal einen Top-Star wie Zlatan Ibrahimovic beim FC Barcelona oder Mario Götze in München. Ancelotti dagegen erwies sich bislang als Meister darin, Fußball-"Götter" wie Zinédine Zidane, Andrea Pirlo, Ibrahimovic oder Cristiano Ronaldo bei Laune zu halten. "Er ist wie ein großer Bär, ein genialer Typ, sehr sensibel. Ich vermisse ihn sehr", sagte Ronaldo Ende 2015 über Ancelotti, den Madrid trotz des Triumphs in der Champions League — seines dritten als Trainer — feuerte.

Ancelotti ist kein Kontrollfreak

Rummenigge glaubt, dass der 56-Jährige "jetzt genau der richtige Trainer für Bayern München" ist. Der Mann, der Guardiola im Halbfinale der Königsklasse 2014 wohl seine schmerzlichste Niederlage zufügte, ist kein unnahbarer Kontrollfreak wie der Katalane. Ancelotti setzt auf "Quiet Leadership", so der Titel seines neuen Buches. Über Ruhe, Vertrauen und Besonnenheit will er Macht gewinnen, wie Vito Corleone aus seinem Lieblingsfilm "Der Pate". Seine stets leicht gehobene linke Augenbraue verleiht Ancelotti dabei den nötigen Schuss Autorität.

Doch er nennt auch Spaß als Voraussetzung für Erfolg. Und wenn der eintritt, lebt der Genussmensch seine Vorliebe für guten Wein und ebensolches Essen gerne aus. "Ich schlinge wie ein Pferd", ist auch so ein Satz von ihm. Am liebsten Tortellini mit Mortadella. Seine Autobiographie heißt "Preferisco la coppa", ich bevorzuge den Pokal, oder auch, ein Wortspiel: die Schinkenwurst. Man kann sich Ancelotti gut mit Uli Hoeneß beim Rotwein vorstellen.

Während Guardiola Ballbesitz zum Dogma erhob, gilt Ancelotti als Chamäleon. Der einzige Grundsatz, von dem er nicht abrückt, ist die Viererabwehrkette. "Damit steht man hinten nun mal besser", sagt er — vor allem, wenn man, wie er ab Sommer mit Jerome Boateng und Mats Hummels, ein Weltmeister-Duo im Zentrum befehligt. "Auf dem Platz steht schon sehr gute Qualität", sagte Rummenigge dem BR, "unser Anspruch ist, dieses Niveau mindestens zu halten, wenn möglich zu verbessern." Letzteres dürfte mit Hummels und dem portugiesischen Juwel Renato Sanches gelingen.

Beim FC Bayern, sagte "Carletto" Ancelotti einmal, gewinne man die Meisterschaft wegen mangelnder Konkurrenz "mit den Händen in den Hosentaschen". Auch er wird sich demnach am Abschneiden in der Champions League messen lassen müssen. Pokale hinterließ der Sohn eines Kleinbauern bislang überall — und nirgends schlechte Worte. "Als er ging, waren alle traurig — auch die, die nicht gespielt haben", sagt Toni Kroos über ihn. Aber jetzt kommt Ancelotti ja erst einmal.

(sid)
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