Ehemaliger Bayern-Trainer ist tot Beckenbauer: "Ruhe in Frieden, Dettmar Cramer"

München · Dettmar Cramer ist tot. Der kleine Mann mit dem großen Sachverstand führte den FC Bayern zu internationaler Größe und arbeitete weltweit als geachteter Entwicklungshelfer.

Dettmar Cramer: Bayern-Trainer, Weltenbummler, "Napoleon"
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Die Karriere des Dettmar Cramer

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Über dieses eine Foto, das im Gedächtnis der Menschen bis heute haften geblieben ist, hat er sich später bisweilen geärgert. Die Fotografin Diana Sandmann, damalige Lebensgefährtin von Franz Beckenbauer, ließ ihn tatsächlich als "Napoleon" verkleidet auf dem Rasen des Olympiastadions in München posieren. Den entsprechenden Spitznamen trug der nur 161 Zentimeter große Stratege ja ohnehin schon.

Dettmar Cramer hat dieses Foto später als "Karnevalsscherz" bezeichnet. Es war ihm wohl ein wenig peinlich. In Wahrheit spiegelte es ein falsches Bild von ihm wider. Cramer, der am Donnerstag im Alter von 90 Jahren in Reit in Winkl verstarb, war alles andere als ein rücksichtsloser, egomanischer Feldherr. Er war ein großer Trainer — und "ein lebensfroher, liebenswerter und einfühlsamer Mensch", wie DFB-Präsident Wolfgang Niersbach betonte.

Es gibt wohl kaum einen Menschen, der so tiefsinnig über Fußball reden konnte wie Cramer. Beckenbauer, der ihn von der Nationalmannschaft kannte und zu seinem Fürsprecher beim FC Bayern wurde, nannte ihn "Professor". "Fußball", dozierte Cramer einmal, "ist ein Spiel aus Raum und Zeit." Oder: "Der springende Punkt ist der Ball." Oder auch: "Solange besser möglich ist, ist gut nicht genug."

Schüler von Sepp Herberger

Cramer war Schüler eines großen Lehrmeisters, "was ich im Fußball geworden bin, verdanke ich Sepp Herberger", hat er deshalb betont. Der gebürtige Dortmunder war einer, der die Bezeichnung Fußball-Lehrer zu Recht trug. Aber "für viele war Dettmar Cramer mehr als nur eine sportliche Bezugsperson" — sagte Karl-Heinz Rummenigge, Vorstandsvorsitzender des FC Bayern, von Cramer zum Weltstar geformt.

Mit dem FC Bayern hatte Cramer seine erfolgreichste Zeit als Trainer (16. Januar 1975 bis 30. November 1977). Meister wurde er mit den Münchnern nicht, er gewann aber zweimal den Europapokal der Landesmeister (1975 und 1976) und den Weltpokal (1976) mit ihnen. Die von ihm geführte Mannschaft um Beckenbauer, Sepp Maier, Uli Hoeneß und Gerd Müller "prägte die Geschichte des FC Bayern entscheidend", würdigte ihn der Klub.

Bei der WM 1966 in England war er gemeinsam mit Udo Lattek Assistent von Bundestrainer Helmut Schön. In Deutschland war er außer beim FC Bayern auch für Eintracht Frankfurt, Hertha BSC und Bayer Leverkusen (bis 1983/84) als Trainer aktiv. Seine Bestimmung aber fand er im Ausland. Insgesamt, und vor allem nach der Zeit in Leverkusen, arbeitete er in rund 90 Ländern als Ausbilder im Auftrag von DFB und Fifa.

Über sich selbst hat Cramer gesagt: "Ich habe einen ekligen Charakter, keine Geduld und ein hässliches Temperament. Das ist für einen Pädagogen berufsschädigend. Von den Japanern habe ich aber Geduld gelernt." Japan wurde so etwas wie eine zweite Heimat. 1964 und 1968 bei den Olympischen Spielen war er für die Nationalmannschaft verantwortlich, 1968 gewann Japan Bronze.

In Deutschland erhielt Cramer das Bundesverdienstkreuz, in Japan wird er bis heute als Begründer des modernen Fußballs verehrt. Kaiser Hirohito persönlich verlieh ihm den höchsten Kulturorden des Landes. Von den Mohikanern und den Sioux wurde Cramer ehrenhalber zum Häuptling ernannt, der DFB verlieh ihm 2011 als erstem Trainer einen Ehrenpreis für sein Lebenswerk.

Gesundheitlich war Cramer nach einer Hüftoperation vor seinem 90. Geburtstag im vergangenen April angeschlagen — den obligatorische Frühsport musste er deswegen aufgeben. Auch finanziell soll es ihm zwischenzeitlich nicht so gut gegangen sein, Rummenigge betonte jedoch anlässlich des 90. Geburtstags: "Wir haben das im Griff. Die Franz-Beckenbauer-Stiftung und der FC Bayern unterstützen ihn."

"Er hat ein schönes Alter erreicht", twitterte Beckenbauer am Freitag, "am Ende war es eine Erlösung für ihn. Ruhe in Frieden, Dettmar Cramer!"

(sid)
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