Bayer Leverkusen Darmstadt will die nächste "Sensation"

Darmstadt/Leverkusen · Für Bayer 04 ist das Gastspiel bei den "Lilien" eine Partie der Gegensätze. Zeit, sich der Fußballromantik des Böllenfalltors hinzugeben, hat die Werkself nicht - die 0:1-Niederlage im Hinspiel sollte Warnung genug sein.

 Was für Fußballromantiker: die Stehplätze am Böllenfalltor. Wenn's regnet, wird's glatt und schmutzig.

Was für Fußballromantiker: die Stehplätze am Böllenfalltor. Wenn's regnet, wird's glatt und schmutzig.

Foto: imago, simon janssen

Für Dirk Schuster liegt der Duft der salzigen Mittelmeerbrise noch in weiter Ferne. Er und seine Mannschaft haben zwar schon viel dafür getan, dass die spanischen Sonnenstrahlen im kommenden Sommer ihre Nasenspitzen kitzeln werden, doch noch gibt es Arbeit zu erledigen. Viel Arbeit. Die Ausgangslage ist schnell erklärt: Sollte dem Trainer des SV Darmstadt 98 mit seinem Team der Klassenerhalt gelingen, der laut Schuster einer Sensation gleichkäme, dann geht es mit der ganzen Mannschaft ab in den Süden - nach Mallorca, um genau zu sein.

 Die Kabine im Darmstädter Stadion - fotografiert nach dem Zweitliga- Gastspiel des FC St. Pauli.

Die Kabine im Darmstädter Stadion - fotografiert nach dem Zweitliga- Gastspiel des FC St. Pauli.

Foto: augenklick/firo Sportphoto

"Einfach mal loslassen und die Saison Revue passieren lassen", sagt der 48-Jährige. Mit 24 Punkten nach 20 Spielen liegt der Aufsteiger voll im Soll. Die nächste Hürde auf dem Weg zum Husarenstreich Klassenerhalt lautet Bayer 04, das morgen (15.30 Uhr) am Böllenfalltor keine Gastgeschenke erwarten sollte.

 Die Sitzplätze sind schon etwas in die Jahre gekommen und dürften im Zuge des geplanten Stadionumbaus wohl erneuert werden.

Die Sitzplätze sind schon etwas in die Jahre gekommen und dürften im Zuge des geplanten Stadionumbaus wohl erneuert werden.

Foto: ""

An das Hinspiel denkt Schuster mit einem verschmitzten Grinsen zurück. Am vierten Spieltag gelang den "Lilien" ein 1:0-Überraschungssieg gegen die Werkself. Kapitän Aytaç Sulu köpfte sein Team damals zum ersten Dreier der Saison. "Es hat ein bisschen was gepasst an dem Tag. Wir waren von der ersten Minute an gut im Spiel", sagt Schuster, der zugibt, Bayer 04 stärker eingeschätzt zu haben: "In meinen Augen hat Leverkusen nicht in dem hohen Tempo angefangen, wie wir es erwartet haben. Wir konnten das umsetzen, was wir wollten - nämlich mutig nach vorne spielen. Dass Leverkusen die eine oder andere gute Chance nicht genutzt hat, war auch ein wichtiger Baustein", sagt der gebürtige Chemnitzer.

Für Roger Schmidt und seine Spieler steht nach dem bitteren Pokalaus gegen Werder Bremen (1:3) wohl das skurrilste Bundesliga-Spiel in dieser Saison auf dem Programm. Das liegt vor allem an der urigen Spielstätte der Darmstädter, in der die Zeit scheinbar irgendwann in den 1970er Jahren stehen geblieben zu sein scheint. 80 Prozent der 17.000 Plätze sind "Steher".

Der Charme von Amateurfußball bestimmt den Kabinentrakt. Dass warmes Wasser aus den Duschköpfen fließt, scheint der einzige Hauch von Luxus an der Nieder-Ramstädter-Straße 170 zu sein. Viele Angestellte des Vereins arbeiten ehrenamtlich. Nach dem unerwarteten Aufstieg in die Bundesliga musste improvisiert werden. Unter anderem wurde ein provisorisches Zelt für VIP's aufgestellt.

Ein seltenes Kontrastprogramm für die Werkself, die die schmucke BayArena ihr Zuhause nennt und in den Stadien der europäischen Topklubs kein seltener Gast ist. Die morgige Partie ist das Duell zwischen Champions-League-Aspirant und Sensations-Aufsteiger, der sportliche Vergleich zwischen einem 20-Millionen-Euro-Kader gegen eine Star-Truppe im Gesamtwert von rund 200 Millionen. Auch die Trainer könnten unterschiedlicher nicht sein: Schuster, der ostdeutsche Kumpeltyp gegen Schmidt, den unnahbaren, stets etwas unterkühlt wirkenden Sauerländer. Doch Schuster ist nicht nur um keinen lockeren Spruch verlegen, sondern auch Meister im Tiefstapeln. So betonte er vor dem Spiel in Leverkusen, dass auch morgen ein Sieg seiner Mannschaft einer Sensation gleichkäme.

Der 48-Jährige sieht es als Teil seines Jobs, durch solche Aussagen eine geringe Fallhöhe zu schaffen. Generell seien die Partien gegen die Top-Teams der Liga - zu denen er Bayer 04 zählt - die leichtesten, da sein Team nichts zu verlieren habe. "Es wäre vermessen, uns mit Bayer gleichzusetzen. Das wäre, wie Äpfel mit Birnen zu vergleichen", sagte Schuster, relativierte aber: "Wir können uns mit diesen Teams im Spiel messen, mehr nicht."

Der Coach erwartet nach dem überraschenden Pokal-Aus der Leverkusener aber eine hoch motivierte Bayer-Elf. "Sie werden alle Antennen auf Sendung haben. Die Vorzeichen sind klar, wir sind Außenseiter", sagte der Ex-Profi.

Das sieht sein pfeilschneller Flügelspieler Marcel Heller, der in dieser Saison bereits sechs Tore erzielte, ähnlich. "Der Sieg in Leverkusen waren drei Bonuspunkte für uns. Schließlich ist es eine topbesetzte Mannschaft - von der individuellen Klasse unter den besten vier der Liga", sagt der 29-Jährige, der - wie im Fußballgeschäft üblich - den Teamgeist als Schlüssel zum Erfolg ausgemacht hat. "Von zehn Spielen gewinnst du vielleicht eins in Leverkusen. Sonst holst du vielleicht mal einen Punkt. Das ging nur über die Teamleistung. Wenn wir so spielen wie in Leverkusen, dann sind wir schwer zu schlagen."

Wenn alle Stricke reißen, hat sein Trainer aber immer noch einen Plan B. Genauer gesagt einen Glücksbringer, der ein Mysterium zu sein scheint. "Ich habe immer etwas in der Hosentasche, was ich bei Gelegenheit anfasse - der Rest ist uninteressant", sagt Schuster augenzwinkernd. Was auch immer es ist, bis dato scheint jenes Objekt eine große Hilfe gewesen zu sein - denn viele Siege sind nicht mehr nötig, damit der Traum von Mallorca im kommenden Sommer wahr wird.

(RP)
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