Bayer Leverkusen Bayers turbulenter Transfersommer

Leverkusen · Der Werksklub hat von den Millionen-Transfers profitiert und durch den Abgang von Heung-Min Son für vergleichsweise viel Geld selbst Spieler verpflichten können. Dabei wurde deutlich: Stars wie "Chicharito" bekommt Bayer aber trotzdem nur dank beharrlicher Transferpolitik.

Bei den Transfersummen in diesem Sommer konnte einem fast schwindelig werden. Allein die Klubs der Premiere League investierten 1,223 Milliarden Euro in neue Spieler. Die Bundesliga gab mit ihren 409,75 Millionen ebenfalls ein Vielfaches mehr aus als noch im vergangenen Jahr (279,8) - was sich auch in den Transferaktivitäten von Bayer 04 bemerkbar machte.

Mit knapp 54 Millionen Euro liegen die Leverkusener hinter dem FC Bayern und VfL Wolfsburg in der Ausgaben-Statistik an dritter Stelle. Trotz dieser enormen Investitionen steht beim Werksklub - den Engländern sei Dank - aber ein schönes Plus unterm Strich, weil Tottenham Hotspur schließlich im Werben um Heung-Min Son Ernst machte; und der Koreaner, der seine Einsatzzeiten offenbar schwinden sah, Hals über Kopf seine Zelte abbrach.

Dass sich die Trauer um den Verlust des Mittelfeldspielers in Grenzen hielt, mag an den Möglichkeiten liegen, die spätestens Sons 30-Millionen-Euro-Wechsel den Leverkusenern eröffnete. Das Paket an Spielern, das Bayer 04 letztlich dafür bekam, war nicht das schlechteste. Zumal der Klub bis dahin bereits Jonathan Tah, Admir Mehmedi und Kyriakos Papadopoulos gekauft hatte. Es kam noch Kevin Kampl, Roger Schmidts Wunschspieler, den der Trainer schon im Winter so gerne in seinem Team gehabt hätte. Über Dortmund, wo sich der offensive Mittelfeldspieler jedoch nicht durchsetzen konnte, führte der Weg des Slowenen, der geschätzte elf Millionen Euro kostete, nun doch noch unters Bayer-Kreuz.

Darüber hinaus gelang Bayer 04 mit dem Kauf von Javier Hernandez am letzten Tag der Transferperiode ein echter Überraschungstransfer, der für die Leverkusener womöglich nicht nur sportlich, sondern wirtschaftlich zu einem Gewinn werden könnte. Denn "Chicharito" ist nicht nur in seiner Heimat Mexiko ein Star und besitzt als Fußballer eine derartige Strahlkraft (allein im sozialen Netzwerk "Twitter" hat er 5,64 Millionen Follower), dass sich die rund elf Millionen Euro für den Offensivmann schnell bezahlt machen könnten. Geschäftsführer Michael Schade bestätigte, "dass sich da plötzlich ganz neue Vermarktungsmöglichkeiten auftun".

Bundesliga: Alle Transfers - wer geht, wer kommt?
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Alle Transfers: die Übersicht

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So könnten etwa das Trainingslager der Werkself in Orlando und der damit verbundene Florida-Cup im Januar durch die Nähe zu "Chicharitos" Heimat zum Türöffner im Bestreben nach neuen Märkten werden. Das macht deutlich: Die Personalie Hernandez ist für den Werks-klub von einer neuen Dimension.

Ihn zu holen, sagte Schmidt, sei ja auch nicht ganz einfach gewesen. Lange Zeit schien ein Transfer dieser Kategorie sogar aussichtslos für Bayer 04, das bisher oft Sprungbrett für Spieler auf dem Weg zu europäischen Top-Vereinen war. Dass man plötzlich in der Lage ist, einen Fußballer dieser Qualität von einem Spitzenklub (noch dazu zu diesem Preis) sogar zu kaufen, der seine besten Jahre eben noch nicht hinter sich hat, spricht überdies für Verhandlungsgeschick.

Bayer 04 Leverkusen: Javier Hernandez offiziell vorgestellt
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Hernandez in Leverkusen vorgestellt

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Denn während Wolfsburg für 35 Millionen Euro Julian Draxler als Ersatz für den für 75 Millionen nach Manchester gewechselten Kevin de Bruyne kauft, oder der FC Bayern 37 Millionen für Arturo Vidal ausgeben kann, ist es eben nicht selbstverständlich, einen "Chicharito" für vergleichsweise kleines Geld nach Leverkusen zu bekommen.

In seinem Fall, aber auch im Bemühen um Charles Aránguiz brauchte es bei Bayer 04 ein gehöriges Maß an Beharrlichkeit. Die sportliche Leitung um Rudi Völler und Jonas Boldt nahm lange im Voraus Kontakt zu den Spielern auf, vermittelte ernst gemeintes Interesse und pflegte die Kontakte. Es kam in diesem Zusammenhang sicher nicht von ungefähr, dass Hernandez und Aránguiz diese Herangehensweise und das gezeigte Vertrauen als Gründe für ihren Wechsel nannten.

Dabei hat sich der Verein trotz der turbulenten Wochen und den Verletzungen von Ömer Toprak, Tin Jedvaj und Aránguiz nicht zu Schnellschüssen hinreißen lassen. Schade sprach dennoch von einer "komischen Transferperiode". Blickt man auf den Zeitraum ab dem Trainingslager in Zell am See zurück, habe sich Bayers eigentliche Suche nach einem Verteidiger durch den Aránguiz-Ausfall plötzlich ins Mittelfeld verlagert. Den Königstransfer aber landete Bayer 04 dann im Sturm. "Wenn man Hernandez bekommen kann, muss man zuschlagen", sagte Schmidt, der durch die offensiven Zugänge nun genug Möglichkeiten hat, die personellen Engpässe kreativ mit Spielern aus dem eigenen Kader zu lösen. Den sportlichen Nachweis müssen sie nun erbringen.

(RP)
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