Bayer Leverkusen "Bernd ist für mich die Nummer zwei"

Leverkusen · Für David Thiel steht fest, wer hinter Manuel Neuer der zweitbeste Torwart im Kader des DFB ist: Bernd Leno. Der Torwarttrainer von Bayer 04 hält auch während der EM Kontakt zu seinem Schützling. "Wenn er gebraucht wird, muss er bereit sein", sagt Thiel.

 Einheit für Einheit feilt David Thiel (re.) an den Fähigkeiten von Bernd Leno. Der Torwarttrainer von Bayer 04 attestiert seinem Schützling "enorme Fortschritte" - vor allem in der aktiven Verteidigung des Raumes vor dem Kasten.

Einheit für Einheit feilt David Thiel (re.) an den Fähigkeiten von Bernd Leno. Der Torwarttrainer von Bayer 04 attestiert seinem Schützling "enorme Fortschritte" - vor allem in der aktiven Verteidigung des Raumes vor dem Kasten.

Foto: KSMEDIANET

Bernd Lenos erste 45 Minuten im Trikot der A-Nationalmannschaft verpasste David Thiel. Als Deutschland sein vorletztes Testspiel vor der EM gegen die Slowakei verlor, saß der 31-Jährige im Flugzeug. Thiel war auf dem Rückweg von einem Kongress in Porto, wo er über modernes Torwartspiel referierte. "Die wichtigsten Szenen habe ich mir danach angeschaut", erzählt er. Das Fazit des Leverkusener Torwarttrainers: "Es war eine undankbare Premiere. Bernd hatte lange nichts zu tun - bis kurz vor der Halbzeit der Ball zweimal im Tor lag."

Als Eigenwerbung taugte die Partie nicht. Seither aber gehört Leno zum erlesenen Kreis der Nationalkeeper. Als 77. Torhüter geht er in die Geschichte des deutschen Fußballs ein und bei Bayer 04 folgt er auf Hans Jörg Butt und René Adler. Diesen Eintrag wird ihm niemand mehr nehmen. Ob und wann es eine Fortsetzung geben wird, ist indes unklar. Wenn sich Manuel Neuer nicht verletzt, kommt es vorerst wohl zu keinem weiteren Einsatz für den DFB. Der Bayern-Profi ist die unangefochtene Nummer eins im deutschen Tor. Dahinter mag sich Bundestrainer Joachim Löw zwischen Leno und Marc-André ter Stegen nicht festlegen. David Thiel hingegen schon: "Bernd Leno ist für mich die deutsche Nummer zwei."

Dass er von seinem Schützling überzeugt ist, überrascht nicht. Aber Thiel begründet seine Einschätzung. Der 24-Jährige sei auf "Top-Niveau", sagt Thiel: "Bernd hat eine enorme Schnelligkeit - in der Positionsausrichtung und in seinen Bewegungen. Sich schnell seitlich bewegen zu können, kann bei Schüssen aus kurzer Distanz oder auch Elfmetern ein entscheidender Vorteil sein."

Darüber hinaus bescheinigt er ihm im Torwartspiel große Fortschritte. "Bernd hat sich in der Raumverteidigung sehr gut entwickelt. Sein Spiel ist aktiver geworden, aber er kann immer noch zulegen - etwa bei der Spieleröffnung."

Leno musste sein Spiel umstellen

Mit der Verpflichtung von Roger Schmidt und dem Bekenntnis zum Vorwärtsverteidigen und zur frühen Attacke musste auch Leno sein Spiel umstellen. Er ist mehr als zuvor als mitspielender Torwart gefordert. Das heißt, den Raum zu verteidigen - was nicht ohne Risiko ist. "Bernd hat das bislang sehr gut gemacht. Der Zuschauer registriert das aber meist nicht", meint Thiel. Natürlich steigt damit auch die Gefahr, Fehler zu machen. Vor allem, wenn der Schlussmann mitunter riskante Manöver vollziehen muss, um gegnerische Angriffe zu unterbinden. Auch Leverkusens Nummer eins ist davor nicht gefeit. Er muss wie alle Torhüter damit leben, dass seine Fehler - wie gegen Borissow, Dortmund oder Paderborn - besonders auffallen, weil sie meist folgenschwer sind. "Mit welcher Konstanz Bernd in der Summe seine Leistung abruft, finde ich bemerkenswert", entgegnet sein Coach. "Es ist erstaunlich, wie wenig Fehler er in den vergangenen fünf Jahren gemacht hat."

Lenos Nominierung für die EM ist das Ergebnis einer konsequenten Weiterentwicklung, seit der Keeper 2011 aus Stuttgart kam. Thiel war damals neben seiner Funktion als Torwarttrainer in der Jugend auch Scout für den Profibereich. "Ich bekam aus der Abteilung von Michael Reschke und Jonas Boldt den Hinweis: Schau dir den Jungen mal an", sagt Thiel. Das war mehr als ein Jahr vor dem Transfer. Leno spielte mit Stuttgart II in der 3. Liga. "Er ist mir immer positiv aufgefallen - vor allem durch seine Ruhe und sein Selbstverständnis. Man hat ihm auch in hitzigen Duellen nie angemerkt, dass er in einer Druck- oder Stresssituation ist." Es reifte schnell das Bild von einem gut ausgebildeten Keeper, der trotz seines Alters Bundesliganiveau hatte.

Im Sommer 2011 verletzte sich Adler. Bayer 04 brauchte einen Torhüter - und hatte den Mut, einen 19-Jährigen zu holen. Dass der Verein jungen Spielern wie Leno so viel Vertrauen schenkt, ist nach Ansicht von Thiel etwas Besonderes. "Michael Reschke spielte damals eine entscheidende Rolle. Er begleitete mich zu einem Spiel nach Bielefeld. Der Klub war gerade abgestiegen und lag zu Hause zurück. Es war mächtig was los hinter Bernds Tor. Aber der erledigte wieder einmal unaufgeregt seinen Job", erinnert sich Thiel. "Wir hatten ein gutes Gefühl, ihn zu verpflichten und wurden nicht enttäuscht."

Dauer-Konkurrenzkampf mit ter Stegen

Für den nicht viel älteren Thiel, der 2012 mit 27 Jahren Bayers Torwarttrainer wurde, gehört Leno "völlig zurecht" zum EM-Aufgebot. Den Platz hinter Manuel Neuer teilt er sich mit ter Stegen. Mit dem Keeper des FC Barcelona verbindet Leno so etwas wie ein Dauer-Konkurrenzkampf, der sich durch sämtliche Nachwuchsteams des DFB zieht - und der noch nicht entschieden ist. Trotzdem oder gerade deshalb hat der Bundestrainer beide nominiert.

Thiel tauscht sich mittels Kurznachrichten mit Leno aus, dem auch als Ersatzmann eine wichtige Rolle zukomme, wie er betont: "Bernd muss im Training Gas geben, Manuel Neuer fordern und das Team unterstützen. Das kann auch mal bedeuten, für gute Stimmung zu sorgen", erklärt Thiel. "Die Wahrscheinlichkeit, dass Bernd spielt, ist sicher gering. Aber wenn er gebraucht wird, muss er bereit sein."

(RP)
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