Bayer begeistert die Bundesliga Jugend, Tempo, Spielkultur

Leverkusen · Bayer Leverkusen spielt den aufregendsten Fußball in Deutschland. Das Team ist in der Bundesliga erfolgreich, und es steht nach neun Jahren mal wieder im Pokal-Halbfinale.

 Leverkusener Spieler jubeln im Pokalspiel gegen Werder Bremen.

Leverkusener Spieler jubeln im Pokalspiel gegen Werder Bremen.

Foto: rtr, mb

Die vergangenen Monate waren nicht gerade einfach für Karim Bellarabi. Während Bayer Leverkusen zuletzt immer besser in Form fand und sich inzwischen in der Spitzengruppe behauptet hat, blieb dem 27-Jährigen oft nur eine Nebenrolle. Am Dienstagabend, beim 4:2 in einem packenden Viertelfinale zwischen Leverkusen und Bremen, gehörte dem in Berlin geborenen und in Bremen aufgewachsenen Flügelstürmer jedoch die Hauptrolle. Erst in der 108. Minute eingewechselt, brachte Bellarabi die Werkself mit einem Tor und einer Vorlage auf Kai Havertz ins Halbfinale des DFB-Pokals - dem ersten seit 2009 für den Werksklub.

"Es war eine sehr anstrengende Partie, auch wenn ich nicht so lange gespielt habe", sagte Bellarabi. Natürlich habe er sich sehr gefreut, dass er eingewechselt wurde und gleich das vorentscheidende 3:2 nach Kopfballablage des ebenfalls von der Bank gekommenen Lucas Alario erzielte. "Ich war bereit", betonte Bellarabi, der mit der Werkself unbedingt das Endspiel in seiner Geburtsstadt erreichen will. "Das ist eine große Sache, dafür werden wir alles geben." Leverkusens Trainer Heiko Herrlich hatte es im Gefühl, dass bei Bellarabi der vielzitierte Knoten platzen könne. "Ich habe ihm gesagt: Karim, du hast die vergangenen Wochen so viel Pech gehabt, zweimal den Pfosten getroffen, knapp daneben geschossen. Das ist gebündelt für heute - heute wirst du das entscheidende Tor machen'", erklärte der 46-Jährige. Herrlich glaubt, "dass Karim uns weiterhilft. Er hat sich auch im Training immer voll reingehauen, war nie sauer oder böse, wenn er mal nicht gespielt hat."

Teamgeist ist nur eine Antwort auf die Frage, wie es Herrlich gelingt, seine Mannschaft zum zurzeit aufregendsten Fußball in Deutschland zu führen. Jugend ist vielleicht die andere. Bei Bayer spielen Nachwuchsleute Hauptrollen. Nur vier Beispiele:

Jonathan Tah ist mit seinen 21 Jahren schon Nationalspieler und beeindruckt mit einer Ruhe, von der so mancher 30-Jährige vergeblich träumt.

Julian Brandt (21), der sein Team gegen Bremen nach einem 0:2-Rückstand mit zwei Toren in die Spur brachte, entzückt mit seiner Schnelligkeit und sehr erwachsener Schusstechnik.

Leon Bailey (20) wird wegen seiner Qualitäten im Abschluss und im Antritt von den besten Klubs Europas gejagt.

Und Kai Havertz (18) bearbeitet das Mittelfeld mit einer Eleganz, die an die ganz Großen erinnert.

Herrlich schafft es, fußballerische Qualität und Rasanz zugleich auf den Rasen zu bringen. Schnell war Bayers Spiel auch bei seinem Vorgänger Roger Schmidt, aber es war nur schnell. Schmidt machte hemmungsloses Tempo zum Inhalt. Leverkusener Auftritte sahen manchmal aus wie Flipperspiele mit menschlichen Figuren.

Herrlich hat den Tempo-Entwurf mit fußballerischer Feinheit veredelt. Seine Mannschaft folgt ihm dabei, weil sie versteht, dass der Plan Abweichungen von der Regel zulässt. Bayer kann auf Spielentwicklungen reagieren, die sie bei Schmidt in Ermangelung von alternativen Ideen einfach zulassen musste. Dabei kommt dem offenkundig begabten Pädagogen Herrlich zugute, dass viele seiner Spieler gerade mal dem A-Junioren-Alter entwachsen sind. Junge Fußballer haben nicht nur im Tempo Vorteile, sie sind auch noch formbar. Wo die älteren Athleten Trainingsinhalte und sportliche Vorstellungen gern mal maulend hinterfragen, saugen die jüngeren jede Anweisung begierig auf. So wurde Thomas Müller mit zarten 19 Jahren von Louis van Gaal beim FC Bayern zu einem kommenden Weltstar gemacht.

Herrlich findet nicht nur beim Nachwuchs offene Ohren. Die gesamte Entwicklung lässt sich im Stoßseufzer bündeln, den Torwart Bernd Leno vor ein paar Wochen in die Welt sandte. "Drei Jahre hatten wir keinen Spielaufbau. Nun versuchen wir, Fußball zu spielen", sagte der Schlussmann, der mit seinen 25 Jahren schon zu den älteren Herren gehört. Das Wort "endlich" sagte er nicht, aber es war gut zu hören.

(RP)
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