Bayer Leverkusen Baumgartlinger ist der Fußball-Deutsche

Zell am See · Seine fußballerische Ausbildung hat Julian Baumgartlinger in Deutschland erhalten. Der Neuzugang hat sich viel vorgenommen: "Leverkusen ist für mich jetzt genau der richtige Verein", sagt er.

 Ausschnitt aus dem Mannschaftsfoto von 2008: Julian Baumgartlinger spielte einst gemeinsam mit Lars Bender für 1860 München.

Ausschnitt aus dem Mannschaftsfoto von 2008: Julian Baumgartlinger spielte einst gemeinsam mit Lars Bender für 1860 München.

Foto: DPA

Julian Baumgartlinger kommt nicht umhin, in Zell am See unweit seiner Geburtsstadt Salzburg noch einmal mit der Europameisterschaft konfrontiert zu werden. Das EM-Aus mit Österreich nach der Vorrunde hat Leverkusens Mittelfeldspieler zwischenzeitlich zugesetzt. "Ich habe einige Zeit gebraucht, das zu verarbeiten", sagt der 28-Jährige in Bayers Trainingslager.

"Die Zeit in Frankreich war eine großartige Erfahrung, aber es war natürlich nicht das, was wir uns vorgenommen haben. Inzwischen habe ich das abgehakt und für mich verarbeitet, aber das brauchte ein paar Tage, weil es nicht nur körperlich, sondern auch mental anstrengend war. Man hat gemerkt, dass wir keine Turniererfahrung hatten und vielleicht auch den einen oder anderen dabei hatten, der nicht 100 Prozent fit und frei im Kopf war. Das kann man dann bei einem solchen Turnier nicht kompensieren."

Österreich - im Vorfeld als Geheimfavorit gehandelt - schied mit nur einem Punkt aus. "Die Euphorie im Land war riesig, die hat uns getragen, aber sie hat eben auch eine gewisse Erwartungshaltung geschürt", sagt Baumgartlinger.

Die EM war sein erstes großes Turnier. "Ich habe trotzdem viel Positives mitgenommen", fügt er an. Nun gilt alle Kraft dem neuen Verein. Der 1,81 Meter große und 84 Kilo schwere Zugang ist ein Profi, von dem sie sich in Leverkusen viel erhoffen, der umgekehrt aber auch von sich den nächsten Schritt erwartet. Der 28-Jährige hätte es sich durchaus leichter machen können als zu Bayer 04 zu wechseln. In Mainz war Baumgartlinger Kapitän und Stammspieler. "Aber ich habe diese neue Herausforderung gebraucht", sagt der Mittelfeldmann. "Ich will mich in einem anderen Umfeld und auch auf sportlich höherem Niveau beweisen. Ich hatte den Ansporn, einen neuen Reiz zu setzen. Für mich ist jetzt genau der richtige Zeitpunkt und Bayer Leverkusen der richtige Verein."

Der Österreicher machte von seiner Ausstiegsklausel Gebrauch und stieg vorzeitig aus seinem bis 2019 laufenden Vertrag aus. Bayer 04 ließ sich den Wechsel rund vier Millionen Euro kosten. Was genau für ihn die Herausforderung darstellt, liegt auf der Hand. "Ich habe als kleiner Junge immer davon geträumt, Champions League zu spielen. Da schaust Du in den Fernseher und denkst: In diesem Wettbewerb will ich auch mal mitspielen."

Die zusätzliche Herausforderung wird sein, sich einen Platz im Team zu erkämpfen. Das, so sagt, Baumgartlinger, "ist in dieser Bayer-Mannschaft nicht so einfach. Wir haben sehr viel Qualität." Der Österreicher steht auf seiner Position im defensiven Mittelfeld in Konkurrenz zu Charles Aránguiz, Kevin Kampl und Lars Bender. Auch Hakan Calhanoglu oder Vladlen Yurchenko können dort spielen. Es verwundert aber nicht, dass der Zweikämpfer Baumgartlinger das eher als "Ansporn" sieht. "Ich will mir meinen Platz erarbeiten. Es wird ohnehin niemand 50 Spiele oder mehr machen. Und wenn man wie wir so viel Qualität im Kader hat und merkt, dass man rotieren kann, werden alle davon profitieren."

Für einen Kraftprotz wie Baumgartlinger, der von seiner Fitness lebt und dessen Spiel seine Robustheit, körperliche Präsenz und Zweikampfstärke auszeichnet, ist es wichtig, dass er seine muskulären Probleme überwunden hat und voll mit der Mannschaft trainieren kann. "Die Sechserposition ist für mich eine der elementarsten im Fußball geworden. Es braucht körperliche Fitness, auch um sich technisch und taktisch clever verhalten zu können", erklärt Baumgartlinger, der in der vergangenen Spielzeit einer der zweikampfstärksten Fußballer der Liga war - noch dazu mit Top-Werten in der "Packing"-Statistik. Probleme beim Eingewöhnen gab es keine.

Genau genommen ist Baumgartlinger auch ein Fußball-Deutscher. Der gebürtige Salzburger sagt von sich selbst, dass er in Deutschland die "gesamte fußballerische Ausbildung mitbekommen" hat. Er vergisst in seiner Aufzählung auch die beiden Jahre bei Austria Wien nicht, "die wichtig für mich waren, um im Herrenbereich den nächsten Schritt zu machen. Aber auf dem Weg dorthin habe er als junger Spieler das sportliche Fundament und seine schulische Ausbildung in Deutschland gelegt. 2001 wechselte er in das Internat von 1860 München.

Dort spielte er von der Jugend bis hin zu den Profis acht Jahre lang und ging einen Teil seines Weges dort mit Lars Bender. Vier Jahre in der Jugend und zwei bei den Profis. "Uns verbindet die Zeit und die Sympathie mit diesem Verein", sagt Baumgartlinger. "Wir sind damals zum gleichen Zeitpunkt gewechselt und treffen uns nun in Leverkusen wieder. Ich freue mich."

Um über Julian Baumgartlinger etwas über das Fußballspielen hinaus zu erfahren, muss man ihn schon selbst fragen. Er hat weder einen Facebook- noch einen Twitter-Account. "Ich bin kein Fan von sozialen Medien", sagt er. "Ich respektiere die Jungs, die das machen. Ich bin aber nicht der Selbstdarstellungs-Typ, der jeden an seinem Leben teilhaben lässt. Nach jedem Sieg gibt einen Gruppen-Selfie und nach einer Niederlage nichts oder ein Kopf-hoch-Kommentar: Ich sehe darin keinen großen Mehrwert. Von gibt es lieber mal ein wertiges Interview (lacht)."

Wenn Baumgartlinger nicht Profifußballer geworden wäre, dann vielleicht Leichtathlet. Bis er 13 war und ins Internat nach München wechselte, übte er beides aus. "Ich hatte glaube ich auch für beide Sportarten Talent. Vielleicht wäre ich auch ein guter Zehnkämpfer geworden, aber irgendwann musste ich mich entscheiden. Die Leichtathletik war sicher eine gute Grundlage für meine weitere Laufbahn", glaubt der Österreicher, der sich auch auf die Olympischen Spiele in Brasilien freut. "Ich schaue natürlich nach Rio. Die Leichtathletik fasziniert mich, ich bin aber ganz froh, dass ich mich anders entschieden habe."

(RP)
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