Bayer Leverkusen 25 Jahre Bayer 04 - Gelsdorf nimmt Abschied

Leverkusen · Nach zehn Jahren als Leiter der Nachwuchsabteilung von Bayer 04 hat sich Jürgen Gelsdorf in die Altersteilzeit verabschiedet und verlässt damit den Klub nach einer erfolgreichen Zeit als Spieler, Trainer und eben zuletzt Funktionär, dessen Entwicklung er entscheidend mitgeprägt hat.

 Jürgen Gelsdorf auf dem Trainingsgelände am Kurtekotten. Im Hintergrund ist Bayers U 14 zu sehen.

Jürgen Gelsdorf auf dem Trainingsgelände am Kurtekotten. Im Hintergrund ist Bayers U 14 zu sehen.

Foto: Uwe Miserius

Jürgen Gelsdorf hat es nicht viel anders gemacht als in den Jahren zuvor. Wenn Weihnachten naht, der Spielbetrieb ruht und sich am Kurtekotten einer nach dem anderen in den Urlaub verabschiedet, sitzt er mit seinen Mitarbeitern gerne noch einmal zusammen. Dann wird über das Jahr gesprochen, ein Fazit gezogen, gemeinsam inne gehalten. Ein Fässchen Bier hat er mitgebracht, einen kleinen Ausstand vorbereitet. Denn ganz so wie immer war es dann doch nicht.

Nach zehn Jahren als Leiter der Nachwuchsabteilung von Bayer 04 hat sich der 62-Jährige in die passive Phase der Altersteilzeit verabschiedet und verlässt damit den Klub nach einer erfolgreichen Zeit als Spieler, Trainer und zuletzt eben Funktionär, dessen Entwicklung er über ein Vierteljahrhundert lang mitgeprägt hat.

25 Jahre - "das ist schon eine lange Zeit", entgegnet Gelsdorf. Er klingt zufrieden, wenn er das sagt. Er blicke in großer Dankbarkeit auf intensive und aufregende Jahre zurück - im Unternehmen Bayer 04, "das für mich immer mehr war als ein Arbeitgeber", sagt der gebürtige Duisburger. "Was mich im Rückblick so stolz macht, ist die Tatsache, dass man sowohl dem Spieler, dem Trainer als auch dem Nachwuchschef Jürgen Gelsdorf das Vertrauen geschenkt hat."

Der kann selbstbewusst von sich sagen, dass er in jeder Phase seines Tuns in Leverkusen zur Geschichte des Klubs beitragen konnte.

Als der heute 62-Jährige zur Saison 1976/77 unters Bayer-Kreuz wechselte, war noch nicht daran zu denken, dass er fast 40 Jahre später vom Werksklub als "mein Verein" spricht, "der mir über all die Jahre ans Herz gewachsen ist".

Der Spieler Jürgen Gelsdorf sicherte sich seinen Eintrag in die Chronik des Klubs bereits ein Jahr nach seinem Wechsel, in dem er zur erfolgreichen Mannschaft gehörte, die 1979 in die Bundesliga aufstieg. Alle 38 Spiele absolvierte der Defensivmann, erzielte dabei acht Treffer - am Ende seiner Laufbahn waren es beinahe 300 Spiele für Bayer 04.

Was ihn auszeichnete? "Jürgen war zwar ein knallharter Abwehrspieler, aber eben auch ein guter Fußballer und immer ein toller Mensch. Mit Dieter Herzog war er sicher die Führungsperson in unserer Mannschaft", erinnert sich Peter Hermann. Der langjährige Teamkollege (und bis zuletzt Interims-Trainer von Fortuna Düsseldorf) ist ein enger Weggefährte Gelsdorfs. Noch heute verbindet beide eine Freundschaft. "Wir haben so manche Schlacht zusammen geschlagen", sagt Hermann lächelnd. "Ich kam von Alemannia Aachen, Jürgen von Arminia Bielefeld. Unser Trainer Willibert Kremer wollte in Leverkusen etwas aufbauen, hat uns dafür geholt. Wir haben nicht überragend gespielt, aber wir hatten eine tolle Kameradschaft. Nur so war der Aufstieg möglich."

Hermann spielte acht Jahre mit Gelsdorf zusammen. Unvergessen sei der Sieg gegen den damaligen Deutschen Meister Hamburger SV 1980 oder die erfolgreiche Relegation gegen Kickers Offenbach. "Es ging um sehr viel, so etwas schweißt zusammen", weiß Hermann, der sich noch gut an die Feier danach erinnern kann: "Da ging es ordentlich zur Sache." Genau wie nach dem 3:1-Erfolg 1982 gegen Darmstadt. Es war Weiberfastnacht. Trainer Gerd Kentschke versprach: Am nächsten Tag dürften als Prämie alle ihren Deckel mitbringen.

Klassenerhalt als Ziel

In den ersten Bundesliga-Jahren ging es immer nur darum, die Klasse zu halten. "Aber wir sind nie abgestiegen", betont Hermann, der voller Stolz sagt: "Mit unseren Möglichkeiten haben wir es geschafft, den Grundstein zu legen für das, was heute ist."

Das Heute ist ein Klub, der in den vergangenen Jahren regelmäßig Champions League spielte. Das zu betonen, darauf legt Gelsdorf ebenso Wert wie auf die Tatsache, dass bei aller Professionalisierung des Fußballs der familiäre Charakter nie verloren gegangen sei. "Der Werks-klub wird oft als große Filiale der Mutter Bayer abgetan. Aber was den Verein auszeichnet, ist dass sich hier um die Menschen gekümmert wird. Egal, ob das Profis oder Nachwuchsfußballer sind", erklärt Gelsdorf. "Wenn das Außenstehende manchmal etwas böswillig als Komfortzone bezeichnen, dann unterschreibe ich das gerne. Das heißt aber nicht, dass deshalb nicht professionell gearbeitet wird." Vor 30 Jahren sei auch Fußball gespielt worden. "Aber wissen Sie: Wenn ich heutzutage zur Arena fahre, mir das Stadion anschaue mit diesem riesigen Dach - und zurückdenke, wie das in den 70er Jahren hier aussah, dann sehe ich, was sich alles getan hat in diesem Verein", sagt Gelsdorf, der in dieses Stadion auch gerne einmal als Fußballer eingelaufen wäre.

Der Klub ermöglichte ihm den nahtlosen Einstieg ins Trainer-Dasein. Von 1986 an war er erst Nachwuchscoach, später Assistent von Rinus Michels, den er 1989 beerbte. Als seinen Co-Trainer holte Gelsdorf Peter Hermann, der noch immer "dankbar ist für diese Chance" und über seinen Freund sagt: "Wenn Jürgen etwas gemacht hat, dann immer mit Leib und Seele."

Die Zeit in Leverkusen endete (vorerst) 1991 mit der Entlassung. Gelsdorf stand in der Folge unter anderem bei Borussia Mönchengladbach, für den VfL Bochum oder den KFC Uerdingen an der Seitenlinie. Es folgten viele Erfolge, aber auch bittere Niederlagen ("Ich kann mich überall noch sehen lassen"). Fast 15 Jahre war er dann weg. "Für mich persönlich war das gut, auch anderswo gearbeitet zu haben. Deshalb weiß ich die Dinge in Leverkusen zu schätzen, die in der Öffentlichkeit gerne anders gesehen werden", sagt Gelsdorf. "Dass ich nach Jahren wieder zurückkommen durfte, und dass die Liebe zwischen dem Verein und mir so groß war, dass beide Seiten gesagt haben: Es passt immer noch, finde ich sehr bemerkenswert."

Am 1. Oktober 2005 wurde er Nachfolger von Ralf Minge als Leiter des Nachwuchs-Leistungs-Zentrums von Bayer 04. Damit schloss sich - wenn man so will - der Kreis für Gelsdorf. "Nach Jahren als Spieler und Trainer noch einmal für die jungen Leute verantwortlich zu sein, empfand ich als tolle Aufgabe." Was zunächst als Übergangs-Tätigkeit gedacht war, wurden zehn Jahre. "Christoph Kramer, Gonzalo Castro oder René Adler sind nur einige Beispiele für die gute Nachwuchsarbeit, die unter Jürgen Gelsdorfs Leitung verrichtet wurde", erklärte Sportdirektor Rudi Völler nach Bekanntwerden des Abschieds. "Wir sind im deutschen Lizenz- und Jugendfußball zu einer sehr guten Adresse geworden. Daran hat Jürgen erheblichen Anteil."

Gelsdorf freut sich, wenn er die aktuelle Bayer-Mannschaft spielen sieht. "Das Mittelfeld mit Christoph Kramer und Kevin Kampl steht für den Weg von Bayer 04", sagt er. Der führe "natürlich" idealerweise aus der eigenen Jugend direkt in den Profikader, dass diese beiden Jungs aber den Weg zurückgefunden haben, spreche für den Verein. In Person von Marlon Frey hat es dafür kürzlich wieder ein 19-Jähriger aus der eigenen Kaderschmiede geschafft. Gegen Mönchengladbach absolvierte er seine ersten Bundesligaminuten, im DFB-Pokal wurde er für Kramer eingewechselt. "Dass so kurz vorm Aufhören noch einmal mitzubekommen, macht mich stolz", sagt Gelsdorf. "Marlon habe ich schon als kleinen Jungen bei uns spielen sehen."

"Schon etwas traurig"

Dass nun am Jahresende Schluss ist, "stimmt mich schon etwas traurig. Ich habe viele junge Menschen kommen und gehen sehen", sagt Gelsdorf, der aber anfügt: "Dieser Schritt ist von mir so gewollt. Bayer 04 hat mir viel gegeben und ich dem Verein. Jetzt möchte ich die privaten Seiten des Lebens etwas mehr betonen und bin gespannt wie es ist, wenn sich nicht an jedem Tag in der Woche alles um Fußball dreht."

Ab 1. Januar, also ab kommendem Freitag, tritt Helmut Jungheim seine Nachfolge an. Gelsdorf bleibt Abteilungsleiter der Fußballer des TSV und wird sich weiterhin um die Belange der Frauen- und Traditionsmannschaft kümmern. Ganz ohne Bayer 04 geht es also auch in Zukunft nicht weiter. "Ich brauche bloß auf mein Fahrrad zu steigen, um die Jungs spielen zu sehen", sagt der 62-Jährige.

Vielleicht kommen künftig repräsentative Aufgaben hinzu. "Der Anzug passt mir ja noch. Und gerne mache ich solche Dinge auch, weil das mein Klub ist - und immer bleiben wird."

(RP)
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