Bayer Leverkusen Alles eine Sache der Balance

Leverkusen · Bayer 04 ist im Saisonendspurt so gefestigt wie bisher in der gesamten Spielzeit nicht. Das hat Gründe. Roger Schmidt lobt das taktische Verhalten und die Mentalität seines Teams. Sinnbildlich für den Aufschwung steht Julian Brandt.

Köln - Leverkusen
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Foto: dpa, mjh hpl

Roger Schmidt sprach nach dem Derbysieg viel über Stimmung und Emotionen. Immer wieder fiel im Zusammenhang mit seiner Mannschaft und ihrer inzwischen seit vier Bundesligaspielen andauernden Siegesserie auch der Begriff Freude. "Ich finde es auffällig, dass die Mannschaft sehr lebendig wirkt, sehr viel Freude hat am Spiel und sich dadurch stark macht", fügte Leverkusens Trainer an. Spaß und eine positive Grundstimmung als wesentliche Erfolgsfaktoren - dass Schmidt diese Punkte derart herausstellte, zeigt auch, dass dies bei Bayer 04 zuletzt nicht immer so war.

In der Rückschau auf turbulente Wochen vor und nach dem Jahreswechsel war von Krise die Rede. Im April aber - so scheint es - haben sich die dunklen Wolken über dem Bayer-Kreuz endgültig verzogen. Das 2:0 beim 1. FC Köln war zugleich der vierte Bundesligaerfolg ohne Gegentor; einer, der Mut macht für den Saisonendspurt, wenn es gegen Frankfurt, auf Schalke, gegen Hertha BSC, in Mönchengladbach und gegen Ingolstadt darum geht, die Champions-League-Teilnahme zu sichern.

Als Vierter ist Bayer 04 wieder nah dran, der Rückstand auf Hertha BSC hat sich nach den Toren gegen Köln von Julian Brandt und Javier "Chicharito" Hernández und dank der sieglosen Konkurrenz auf einen Zähler verringert. Christoph Kramer sprach auch deshalb von einem "goldenen Spieltag", den es jetzt ins Ziel zu retten gilt. Und dieses Ziel ist Rang drei. Schmidt prognostiziert: "Es werden noch fünf harte Wochen für uns."

Doch ganz soweit voraus will er noch nicht denken. Der 49-Jährige freut sich über den Moment und die "sehr gute Verfassung" seiner Mannschaft, die sich nicht zuletzt in der Art und Weise widerspiegelt, wie sie derzeit ihre Punkte einfährt. Stichwort: Balance. Bayers null Gegentore in den letzten vier Ligaduellen sind kein Zufall. Statt Chaos, regiert nun Ordnung auf dem Feld. Offensive Vorstöße resultieren vornehmlich aus einer kontrollierten Defensive heraus. Bei beiden Toren wurde deutlich, was Schmidt meint, wenn er sagt: "Wir sind sehr konsequent, in dem was wir machen."

Beim 1:0 wie auch beim 2:0 bedurfte es nicht einmal eines Fehlers der Kölner - vielmehr bedienten sich seine Profis ihrer individuellen Fähigkeiten und kreierten mit reichlich Entschlossenheit und Kreativität zwei wunderbare und kaum zu verteidigende Tore.

In der Summe waren das in den zurückliegenden vier Ligapartien die Treffer sieben und acht. Chicharito erzielte wettbewerbsübergreifend seinen 25. Treffer, Julian Brandt bereits seinen dritten im dritten Spiel in Folge. Jedes Mal war es das wichtige 1:0. Seit sechs Spielen ist er an Torerfolgen der Werkself beteiligt. Der Blondschopf ist einer der Profis, die beispielhaft für den Aufschwung stehen und die von der modifizierten Spielweise profitieren. "Das Hamburg-Spiel vor einem Monat war so etwas wie der Korkenzieher. Mit jedem weiteren Spiel wird der Korken ein Stück mehr rausgezogen. Und bald ist er ganz draußen", entgegnete der Offensivmann. Seine Worte sind durchaus als Ankündigung auf weitere Großtaten zu verstehen. Denn was Brandt im Moment anpackt, das gelingt ihm auch. Brandt verbindet vieles, was einen modernen Fußballer ausmacht: Kraft, Schnelligkeit und technische Fähigkeiten. Dass er erst 19 Jahre alt ist, muss man sich in diesem Zusammenhang immer wieder vor Augen führen. "Julian ist im Moment in einer herausragenden Form. Wenn er so weitermacht, ist es nur eine Frage der Zeit, bis er irgendwann A-Nationalspieler wird", ist Roger Schmidt überzeugt. Wann, das könne er indes nicht sagen. "Er ist sehr jung, und die Konkurrenz auf seiner Position ist sehr groß."

Bundestrainer Joachim Löw soll das große Talent jedenfalls im Auge und sogar schon mit ihm persönlich gesprochen haben. Mit einer EM-Teilnahme rechnet Brandt aber nicht. Vielmehr hofft er auf eine Berufung für die Olympischen Spiele in Rio. "Darauf hätte ich Bock", sagt der 19-Jährige. Einen Anruf von DFB-Trainer Horst Hrubesch gab es jedoch noch nicht: "Ich weiß nicht, ob er mit mir plant. Aber das wäre eine geile Sache."

Noch vor wenigen Wochen gab der Angreifer, der im Winter 2014 vom VfL Wolfsburg kam, Rätsel auf. Brandt spielte wenig, kam allenfalls als Einwechselspieler, und man fragte sich, wo sein Talent plötzlich abgeblieben war? Der Vorwurf, dass bei einigen Spielern die Entwicklung stangniere, wurde Roger Schmidt auch im Fall Brandt gemacht. Doch der Blondschopf hat auf spektakuläre Weise wieder aus der Talsohle herausgefunden, die Schmidt für einen 19-Jährigen nicht unnormal findet. Und er ist zu einem Hoffnungsträger der Leverkusener im Kampf um Platz drei geworden. Der ist durch den Derbysieg in Köln noch ein wenig näher gerückt.

(RP)
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