Streik wegen Pöbel-Urteil Schiedsrichter in Niedersachsen proben den Aufstand

Hannover · Ohne Schiedsrichter geht es nicht. Darauf machten die Unparteiischen in Niedersachsen am Wochenende aufmerksam. Sie reagierten mit ihrer ungewöhnlichen Maßnahme auf die ständigen Beschimpfungen. Doch der Streik bei den Amateuren kann weitreichende Folgen haben.

 Ein schiedsrichter-Gespann geht vom Platz. An diesem Wochenende blieben in Niedersachsen viele Unparteiische der Frezeit-Arbeit fern (Symbolbild).

Ein schiedsrichter-Gespann geht vom Platz. An diesem Wochenende blieben in Niedersachsen viele Unparteiische der Frezeit-Arbeit fern (Symbolbild).

Foto: dpa, jst nic

Beim Blick auf die Amateursportplätze in Teilen von Niedersachsen ergab sich am Wochenende ein ungewohntes Bild. Wer das Spielfeld nach einem Schiedsrichter absuchte, der wurde in vielen Fällen in der Landesliga und den fünf Bezirksligen von Weser Ems nicht fündig. Stattdessen fungierten Betreuer, verletzte Spieler oder sogar der Kassenwart als Unparteiische der Fußball-Partien - wenn diese denn überhaupt stattfanden.

Mit einem bislang wohl einmaligen Streik haben die Schiedsrichter im Nordwesten Deutschlands am Wochenende für großes Aufsehen gesorgt. Die Referees reagierten mit ihrer ungewöhnlichen Maßnahme auf die ständigen Beschimpfungen und Pöbeleien auf den Sportplätzen und ganz konkret auf ein bemerkenswertes Urteil des Oberverbandssportgerichts im Niedersächsischen Fußballverband.

Das Oberverbandssportgericht hatte eine Geldstrafe gegen einen Bezirksligaklub wegen Schiedsrichterbeleidigung durch einen Zuschauer wieder aufgehoben. Der Zuschauer hatte zum Unparteiischen nach einem Spiel gesagt: "So etwas wie euch sollte man vergasen." Es habe sich zwar um eine Diskriminierung gehandelt, der Verein habe dies aber nicht verhindern können, entschieden die Sportrichter - und sorgten damit bei der Schiedsrichter-Gilde für Empörung.

Auffallend: Der Bezirk Weser Ems unterstützte die Unparteiischen bei ihrem Streik. "Wir akzeptieren das Urteil", sagte der Bezirksvorsitzende Dieter Ohls. "Aber wir müssen es nicht kritiklos hinnehmen."

Außerordentliche Präsidiumssitzung

Beim NFV löste der Streik heftige Betriebsamkeit aus. NFV-Präsident Karl Rothmund berief am Montag für Freitag eine außerordentliche Präsidiumssitzung ein, um über das heikle Thema zu diskutieren. "Die Entscheidung wurde ohne jede Abstimmung mit den Gremien des Landesverbandes getroffen", sagte Rothmund. Es habe sich nicht um eine "Maßnahme des NFV, sondern ausschließlich des Vorstandes des Bezirkes Weser-Ems" gehandelt.

"Ich habe da überhaupt kein Verständnis für", sagte Rothmund der Deutschen Presse-Agentur. "Der Spruch des Zuschauers ist nicht zu akzeptieren. Aber das Urteil unseres Gerichtes ist zu akzeptieren", sagte der NFV-Präsident. "Die stellen im Grunde den Rechtsstaat auf den Kopf."

Auch beim Deutschen Fußball-Bund wurde man durch die Geschehnisse in Niedersachsen aufgeschreckt. Rothmund telefonierte gleich am Montagmorgen mit DFB-Vizepräsident Rainer Koch, der beim DFB für Rechtsfragen zuständig ist. Schließlich wirft das Urteil des Oberverbandssportgerichts weitreichende Fragen auf.

Debatte könnte weite Kreise ziehen

Wann ist ein Klub für das Fehlverhalten seiner Zuschauer zu belangen? Woche für Woche verhängt der DFB Geldstrafen gegen Profiklubs, weil deren Anhänger Pyrotechnik gezündet haben oder anderweitig auffällig geworden sind. Warum wird bei Borussia Dortmund die komplette Südkurve wegen beleidigender Banner gesperrt, in diesem Fall in Niedersachsen die Geldstrafe aber wieder aufgehoben?

Mit ihrem Streik haben die niedersächsischen Schiedsrichter eine heftige Debatte in Gang gesetzt, die noch weite Kreise ziehen kann. Der DFB wollte sich am Montag nicht dazu äußern.

Leidtragende am Wochenende waren jene Klubs, die keinen Ersatz für die angesetzten Schiedsrichter fanden und deren Spiele deshalb ausfielen. Die Vereine mussten sich untereinander auf einen Referee einigen, sonst hätte ihnen eine Strafe gedroht. Viele Vereine sagten ihre Spiele deshalb lieber ab - offiziell in den meisten Fällen wegen Unbespielbarkeit des Platzes. Nur 17 von 39 Partien auf Landes- und Bezirksebene fanden in Weser-Ems am Sonntag statt.

(dpa)
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