FC-Geschäftsführer Schmadtke im Interview "Ich will hier keine 22 Schwiegersöhne haben"

Jörg Schmadtke, Geschäftsführer des 1. FC Köln, spricht im Interview mit unserer Redaktion über Europa, Anthony Modeste und erklärt, wieso er eine Rückkehr nach Düsseldorf ausschließt.

Jörg Schmadtke – Torwart, Manager, Düsseldorfer
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Das ist Jörg Schmadtke

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Foto: dpa, geb jhe ljm

Wie solide das finanzielle Fundament des 1. FC Köln mittlerweile ist, bewies Jörg Schmadtke vergangene Woche. Der Geschäftsführer lehnte zwischen 40 und 50 Millionen Euro ab, die der chinesische Klub Tianjin Quanjian für Top-Torjäger Anthony Modeste (17 Tore) geboten hatte. Quanjian erhöhte sein Angebot mehrmals. Vor dem Spiel gegen den FC Bayern am Samstag (15.30 Uhr/Live-Ticker) spricht Schmadtke im Interview mit unserer Redaktion über den 1. FC Köln.

Herr Schmadtke, wie froh sind Sie, dass der Transfermarkt in China seit Dienstag geschlossen ist?

Jörg Schmadtke (lacht) Deswegen telefoniere ich etwas weniger und habe Zeit für dieses Interview. Nein, wir haben uns früh positioniert. Es ist angenehm, dass wir auf dieser Ebene jetzt Ruhe haben.

Wie muss man sich Ihre Reaktion vorstellen, als das Angebot eingegangen ist?

Schmadtke Ich bin schon länger dabei, also richtig überrascht hat es mich nicht. Was mich gewundert hat, war die Hartnäckigkeit der Chinesen, die unser Nein nicht akzeptiert haben. Der Klub hat versucht, über mehrere Berater Kontakt zu uns aufzubauen. Das war etwas anstrengend.

Haben Sie Anthony Modeste über das Angebot informiert oder in der Geschäftsführung direkt die Entscheidung gefällt?

Schmadtke Wir hatten in einer gemeinsamen Klausurtagung von Vorstand und Geschäftsführung das Thema Modeste-Verkauf schon mal vorab grob abgesprochen. Als das Angebot kam, habe ich mir kurz die Einschätzung von meinem Geschäftsführerkollegen (Alexander Wehrle, Anm. d. Red.) eingeholt. Und da diese deckungsgleich mit meiner war, war die Entscheidung schnell gefallen. Deswegen haben wir auch nicht mit dem Spieler gesprochen. Für uns war klar, dass wir in einer Phase, in der wir keinen Spieler nachverpflichten können, nicht unseren Torjäger abgeben und dadurch unser Ziele gefährden. Es wäre auch unredlich in der Argumentation gegenüber Fans, Sponsoren und der Mannschaft.

Man hätte mit dem Geld aber Schulden tilgen und infrastrukturell aufrüsten können.

Schmadtke Am Ende ist das größte Gut, was man hat, Glaubwürdigkeit und Seriosität — und die hätten wir mit einem Transfer ein Stück weit aufs Spiel gesetzt. Abgesehen davon ist mein Gefühl, dass Tony derzeit überhaupt keinen Drang gespürt hat, sich zu verändern.

Er hat sich öffentlich klar per Twitter mit "Ich bleib in Köln" positioniert, obwohl Sie gar nicht mit ihm über einen Wechsel gesprochen hatten.

Schmadtke Man kann sich zu Dingen positionieren, die gar keine Relevanz für einen hatten. Das kann man tun, ja.

Fanden Sie es nicht gut, dass er sich so geäußert hat?

Schmadtke Ich bin immer froh, wenn Spieler sich klar positionieren.

Modeste und seine Kollegen sprechen immer über einen Teamgeist, der wirklich gelebt wird. Wie kann man so etwas steuern?

Schmadtke Über die Auswahl von Spielern, dann über Werte, die nicht nur gesprochen, sondern auch gelebt werden. Und über eine Arbeitsatmosphäre. Ich glaube aber, dass das auch andere Mannschaften versuchen. Das ist kein Alleinstellungsmerkmal des FC.

Es wirkt aber nach Aussagen der Spieler oder des Trainers intensiver als andernorts. Spielen soziale Faktoren bei Spielerverpflichtungen beim FC eine größere Rolle?

Schmadtke Spielerische Fertigkeiten sind sehr wichtig, und er muss in unser taktisches Konzept passen. Wir beschäftigen uns aber auch viel mit der Persönlichkeit des Spielers. Aber nicht, dass das falsch verstanden wird: Ich will hier keine 22 Schwiegersöhne haben. Es geht darum, Individualisten zu verpflichten, die anpassungsfähig sind, ohne ihre Identität zu verlieren.

Okay, spielen wir das mal durch. Sie haben zwei Spieler zur Auswahl: Einen qualitativ hochwertigen Spieler mit zweifelhafter sozialer Anpassung und einen mit einwandfreiem Charakter, der aber vielleicht etwas weniger sportliches Potential mitbringt. Welchen Spieler würden Sie verpflichten?

Schmadtke Dann würden wir bei einem Exoten sagen: Das Risiko tragen wir, weil unsere Gruppe das auffangen kann. Allzu häufig würden wir diese Entscheidung aber nicht treffen, sondern uns für den qualitativ etwas schlechteren Spieler entscheiden, der dann aber besser in die Gruppierung passt.

Trainer Peter Stöger hat sich zuletzt auch eindeutig positioniert. Er sagte auf die Frage: Für immer FC? "Warum nicht!" Wie nehmen Sie eine solche Aussage wahr?

Schmadtke (lacht) Ist das eine klare Positionierung?

Also Sie nehmen es nicht als Bekenntnis zum FC wahr?

Schmadtke Doch. Ich weiß ja, wie er zu unserem Klub steht, wie er zu der Stadt steht und wie er seine Position lebt. Ich kenne das Bekenntnis — aber nicht aufgrund dieser Aussage. In unserem Geschäft ist es schwierig mit Bekenntnissen. Da passiert etwas über Nacht und plötzlich sieht es ganz anders aus. Nur: Das ist den Fans immer schwer vermittelbar. Aber es ist ein wichtiges Faustpfand für den Klub, dass wir einen Trainer haben, der sich so mit Stadt und Verein identifiziert.

Haben Sie schon einmal das Gefühl gehabt, dass ein Trainer so gut zu einem Verein passt wie Peter Stöger zum FC?

Schmadtke Ja, Dieter Hecking hat damals perfekt zu Alemannia Aachen gepasst. Auch zuvor Jörg Berger hat damals gut zu Alemannia Aachen gepasst. Ich glaube auch, dass Hecking gerade in Gladbach gut passt.

Es ist dennoch nicht alltäglich, oder?

Schmadtke Was speziell ist, ist, dass sich Peter Stöger auf die Besonderheiten des Rheinlands und die Mentalität der Kölner eingelassen hat. Das fällt dem Peter ein bisschen leichter, weil er Wiener ist. Wir im Rheinland sind fröhlich, die Wiener haben den Schmäh. Beide nehmen alles nicht so ernst. Das ist sich einfach sehr ähnlich. Das beflügelt einen Anpassungsprozess.

Sie sind in Ihrer vierten Saison beim FC. Es geht seitdem steil bergauf. Welchen Anteil schreiben Sie sich dabei zu?

Schmadtke Irgendeinen Anteil werde ich haben. Ich will den aber nicht bewerten oder quantifizieren. Erfolgreiche Klubarbeit wird immer von ganz vielen Leuten getragen, aber am Ende stehen nur drei, vier Leute in der Öffentlichkeit. Fußball-Bundesliga ist keine "One-Man-Show".

Der Klub ist erfolgreich. Damit steigen die Erwartungen im Umfeld. Machen Sie sich schon Gedanken, wie Sie mit Krisenzeiten umgehen werden?

Schmadtke Man muss sich über viele Dinge Gedanken machen, die muss ich aber nicht nach außen tragen. Aber natürlich beschäftige ich mich meist mit dem Morgen oder Übermorgen, weniger mit dem Heute. Das Heute ist in der Regel die Aufgabe des Cheftrainers.

Das heißt für Krisen sind schon Pläne in der Schublade?

Schmadtke Sie können für übermorgen keine Pläne skizzieren. Das geht nicht. Sie müssen die Situation erleben und dann aus Ihrer Wahrnehmung heraus versuchen die bestmögliche Entscheidung zu treffen. Dabei dürfen Sie sich nicht zu sehr vom Emotionalen beeinflussen lassen.

Klingt besonders schwer in Köln.

Schmadtke Das Pendel der Emotion schwingt hier vielleicht etwas mehr aus, aber am Ende geht es darum, sich als Entscheidungsträger nicht davon beeinflussen zu lassen. Dass man hier in Köln, eher als in anderen Städten, dazu neigt, da mal zuzuhören, gebe ich gerne zu. Aber es darf dennoch keine Entscheidung beeinflussen.

Sie haben 2013 vor dem Aufstieg gesagt: "Wir haben ein junges Team, da ist noch längst nicht alles ausgeschöpft". Der Beweis wurde angetreten. Es wirkt aber so, als hätte der Satz weiterhin Gültigkeit?

Schmadtke Wir bewegen uns an Rändern, sind aber noch nicht am absoluten Limit, am Ende der Entwicklungskette. Daher hat der Satz weiterhin Gültigkeit, hatte damals aber mehr Gültigkeit, weil die Sprünge, die zu vollziehen sind, nicht mehr so groß sind.

Das sieht man auch am Tabellenstand. Der Abstand nach ganz oben wird kleiner, die Luft wird dünner.

Schmadtke Der Schritt weiter nach oben ist nicht planbar.

Wenn Sie am Samstag zum Stadion fahren, denken Sie dann: "Wäre schon überragend hier in der nächsten Saison ein Europa-League-Spiel auszutragen!"?

Schmadtke Deswegen arbeiten wir ja alle. Wir arbeiten nicht, um gegen Bayern eine möglichst knappe Niederlage zu kassieren. Wir versuchen schon, einen Punkt oder einen Dreier einzufahren. So gehen wir jede Woche an. Und wenn wir ehrlich sind, starten wir in eine Saison mit dem Versuch, Meister zu werden. Das ist der Ursprungsgedanke im sportlichen Wettbewerb. Dass das illusorisch ist, wissen wir. Dennoch wollen wir jedes Wochenende gewinnen.

Weniger illusorisch ist ein Platz im internationalen Geschäft.

Schmadtke Im Moment nicht, aufgrund der Konstellation in der Tabelle. Natürlich ist das ein erstrebenswertes Ziel. Und natürlich denkt man darüber nach. Das zu leugnen, wäre unehrlich. Wir wissen aber, wie schwer es ist, das zu realisieren. Die Gladbacher schieben von hinten, auch Schalke und Leverkusen. Wir können Tabellen auch lesen.

Im Verein gibt es dieses Saisonziel ja auch nicht.

Schmadtke Doch. Platz neun.

Nein, ich war noch nicht fertig. Ich meinte das Saisonziel Europa.

Schmadtke Achso, ja. Aber diese Sache mit dem Saisonziel ist auch so ein Ding. Irgendein Journalist muss sich irgendwann mal gedacht haben: Die müssen doch mal ein Saisonziel ausgeben. Und irgendeiner, der nicht genug nachgedacht hat, hat dann geantwortet. Mit der Formulierung eines Saisonziels, was ändert sich da? Außer, dass die Medien sagen können: Ihr seid in oder neben der Spur.

Wenn man einen Verein führt, setzt man sich doch Ziele, wohin man einen Verein führen möchte. Vermutlich auch pro Saison. Und Erfolg ablesen kann man eben am besten an Zahlen.

Schmadtke Ich weiß, wir leben inzwischen in der Twitter- und Facebook-Generation und machen alles öffentlich. Ich bin aber ein alter Mann und ich gebe nicht alle Ideen, die im Kopf herumschwirren, öffentlich preis.

Ich wollte ohnehin eher auf den emotionalen Aspekt hinaus. Glauben Sie nicht, dass es in der Stadt und bei den Fans als Enttäuschung wahrgenommen werden würde, wenn am Ende doch "nur" Platz neun?

Schmadtke Kann sein, das kann ich nicht beantworten. Wobei ich wahrnehme, dass viele Menschen unsere Chancen realistisch einschätzen. Sie wissen um die Schwere der Aufgabe. Ich glaube, sie sind eher begeistert, wenn wir es hinbekommen, als dass die Enttäuschung eine Rolle spielt, falls es nicht klappt. Es kann sein, dass ich mich revidieren muss, wenn wir Neunter oder Zehnter werden.

Wie sehr würde sich das internationale Geschäft auf den Kader auswirken?

Schmadtke Wirtschaftlich wären wir natürlich besser aufgestellt. Dann wären wir flexibler auf dem Transfermarkt. Aber es ist nicht so, dass wir Messi verpflichten könnten. Ich glaube aber nicht, dass wir den Kader aufblähen müssten.

Trotz der Doppelbelastung?

Schmadtke Ich glaube, dass ist eine Mär. Gute Planung rund um die Spiele ist das wichtigste.

Geht es da also nur um die richtige Form der Regeneration?

Schmadtke Wenn die Logistik perfekt ist, könnten vielleicht sogar zwei Transfers eingespart werden.

Benutzen andere Klubs die Doppelbelastung also als Ausrede?

Schmadtke Wir haben hier in Köln einen Standortvorteil, weil der Flughafen hier nachts auf ist. Das war in Hannover auch so. Dann könnte man nach einem Auswärtsspiel direkt zurückfliegen und müsste nicht noch mal in einem fremden Bett schlafen. Das tut der Regeneration gut. Wir müssten uns mehr über die Planung Gedanken machen als über zwei Spieler mehr. Am Ende des Tages können diese Transfers sowohl wirtschaftlich als auch für die Gruppierung gefährlich sein.

Am Samstag kommen die Bayern. Viele sagen: Das einfachste Spiel der Saison. Was sagen Sie?

Schmadtke Es gibt auch Leute, die sagen, es gäbe nichts zu verlieren. Das habe ich nie verstanden. Fragen Sie mal beim HSV nach, ob die es heute auch noch nach ihrem 0:8 so sehen, dass sie nichts zu verlieren hatten.

Hätten Sie sich gewünscht, dass sich die Münchner drei Tage später in London mehr hätten anstrengen müssen?

Schmadtke Eine Englische Woche belastet die Bayern nicht. Eine normale Trainingswoche dürfte für sie belastender sein. Die Bayern spielen doch seit gefühlt 100 Jahren Englische Wochen. Die Spieler kennen das.

Stichwort B-Elf. Hat Bayern eine?

Schmadtke Erklären Sie mir, was die B-Elf von Bayern ist. Wenn wir da deckungsgleich sind, würde ich mich wundern. Diese B-Elf hätte ich gerne. Und die Krise der Bayern vor drei Wochen hätte ich auch gerne gehabt. Da haben sie während der Krise den Vorsprung auf die Konkurrenz ausgebaut. Bayern steht über den Dingen.

Sind die Bayern eine Gefahr für die Attraktivität der Bundesliga?

Schmadtke Derzeit nicht. Der Wettbewerb verkraftet einen sehr starken FC Bayern. Schauen Sie sich die Zuschauerzahlen, den Wettbewerb an. Das ist alles stabil.

Ein Thema rund um den Fußball ist die zunehmende Kommerzialisierung. Sie haben im Sommer gewarnt, dass die Bundesliga Gefahr läuft, den Kontakt zur Basis zu verlieren. Fühlen Sie sich mit Ihrer Warnung gehört?

Schmadtke Das ist eine schwierige Frage. Teile der Kommerzialisierung können nicht verändert werden. Man muss aufpassen, das Empfinden der Menschen nicht zu überstrapazieren. Wir brauchen eine gewisse Aufteilung des Spieltags für die Kommerzialisierung, aber wir sollten nicht an sechs verschiedenen Tagen spielen. Irgendwann müssen Grenzen gesetzt werden. Ich bin sicher, die DFL weiß das.

Auf dem SpoBis-Kongress in Düsseldorf vor ein paar Wochen wirkte es so, als ginge es nur noch um Geld und Zahlen.

Schmadtke Aus betriebswirtschaftlicher Sicht ist das auch so. Aber der Fußball ist mehr als Betriebswirtschaft. Der Fußball spielt mit Emotionen und Leidenschaften. Wenn es einem Land schlecht geht, kann der Fußball beruhigen.

Glauben Sie, dass die Spitzenklubs und die DFL auch diese Faktoren noch wahrnehmen?

Schmadtke Ja, das ist mein Eindruck.

Wann fällt die 50+1 Regel?

Schmadtke Wenn der Erste klagt. Im Prinzip ist die Geschichte entschieden. Martin Kind hat das vorangetrieben. Das Einzige was fehlt, ist das Gerichtsurteil. Die Frage ist: Was verändert sich? Es kommt mehr Geld in den Kreislauf. Aber am Ende ändert sich nichts Großes. Wer glaubt, er kann dann Bayern München einholen, liegt falsch.

Wird ein Investor auch ein Thema für den FC?

Schmadtke Kann sein, derzeit nicht.

Ihr Vertrag läuft bis 2020. Welche Ziele haben Sie noch bis dahin?

Schmadtke Ich will schon mindestens einmal mit diesem Klub international spielen. Andererseits: Wenn wir 2020 komplett entschuldet wären, Eigenkapital aufgebaut und eine veränderte Infrastruktur hätten, wäre ich auch schon zufrieden. Das i-Tüpfelchen wäre aber der internationale Wettbewerb.

Sie sind gebürtiger Düsseldorfer. Wie sehen Sie die Entwicklung bei Fortuna?

Schmadtke Es ist extrem schwierig, die Dinge von außen zu analysieren. Es wirkt stabil, auch wenn der Abstand zu den Aufstiegsplätzen in dieser Saison deutlich ist.

Können Sie sich auch in Zukunft ein Engagement in Düsseldorf vorstellen?

Schmadtke Ich kann mir viele Dinge vorstellen und bin sehr fantasievoll. Aber heute würde ich sagen: Nein. Da gibt es unterschiedliche Gründe. Einer ist: Es ist meistens keine gute Idee, nach vielen Jahren zu seinem Heimatklub zurückzukehren. Das ist oft sehr konfliktbehaftet.

Warum?

Schmadtke Weil Erwartungen geschürt werden. Es könnte das Leben in meiner Heimatstadt, in der ich inzwischen auch wieder wohne, für mich etwas unrunder machen.

(erer)
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