Mercedes-Pilot Rosberg: "Formel 1 ist nicht auf dem richtigen Weg"

Düsseldorf · Nico Rosberg hat die ersten drei Rennen der Formel-1-Saison gewonnen. Der Start auf der Jagd nach dem WM-Titel war perfekt. Ein Treffen mit dem 30-Jährigen in Düsseldorf.

Nico Rosberg – Deutscher, Monegasse, Weltmeister
22 Bilder

Das ist Nico Rosberg

22 Bilder
Foto: ap, EM

Braungebrannt sitzt Nico Rosberg auf dem Stuhl im Untergeschoss des Bekleidungsgeschäfts an der Königsallee, sein Smartphone hält er fest in der Hand. Eine Frisörin schneidet ihm für den bevorstehenden Videodreh seines Werbepartners die Haare. Der Mercedes-Fahrer nimmt das Drumherum, die Menschen und die Kameras, mit stoischer, professioneller Gelassenheit zur Kenntnis. Vielleicht fährt er gedanklich die Strecke von Sotschi ab, wo am kommenden Sonntag das nächste Rennen stattfindet. Denn schon nach kurzer Zeit wird klar: Das Fahren in der Formel 1 ist für Rosberg mehr als ein Beruf - es ist seine Leidenschaft.

Dank eines Traumstarts mit drei Siegen in den ersten drei Rennen stehen die Chancen auf den ersten Weltmeistertitel nach zuletzt zwei zweiten Plätzen für Rosberg besser denn je. Die Statistik spricht jedenfalls für den in Monte Carlo lebenden gebürtigen Wiesbadener: Nur Juan Manuel Fangio, Michael Schumacher und Sebastian Vettel schafften in der Formel-1-Geschichte (seit 1950) drei Siege zu Beginn - und wurden am Ende Weltmeister. Wird Rosberg der Vierte im Bunde? "Keiner von denen hatte Lewis Hamilton als Teamkollegen. Das ist das Entscheidende. Deshalb wird es wie in den vergangenen beiden Jahren, als er mich geschlagen hat, eine große Herausforderung. Er ist momentan die Messlatte in der Formel 1", sagt Rosberg in einem Nebenraum des Boss Stores an der "Kö".

Noch stehen 18 Rennen aus. Auch wenn es nur eine Momentaufnahme ist, so genießt der schon als ewige Nummer zwei bezeichnete Rosberg den Erfolg. Er wirkt zufrieden, hat Spaß am Job. Sportlich wie privat könnte es für den 30-Jährigen nicht besser laufen. 2014 heiratete er seine Freundin Vivian Sibold, die er seit Kindestagen kennt. Im August 2015 kam Tochter Alaïa zur Welt. Seine Augen beginnen zu leuchten, wenn er vom Vaterdasein berichtet. "Ich habe sehr großes Glück, denn in meinem Sport ist auch immer Zeit für die Familie da. Zwischen den Rennen gibt es immer ein paar Tage, an denen ich zu Hause sein kann", sagt er. Wo er kann, hilft er dann gerne. Die Kleine mit an die Rennstrecke zu nehmen, ist derzeit kein Thema. "Das wäre für keinen ein Genuss", sagt Rosberg. Für ihn stellt die Elternrolle eine riesige Verantwortung dar: "Dieser Mensch wäre ohne uns hilflos." Ob weitere Kinder geplant sind? "Ich habe mir immer gewünscht, eine Fußballmannschaft zu Hause zu haben. Aber da sind Vivian und ich komischerweise nicht derselben Meinung", sagt Rosberg und lächelt.

Der Rennfahrer, dessen Auto die Startnummer sechs hat, ist ein echtes Sprachtalent. Deutsch, Englisch, Französisch, Italienisch und Spanisch spricht er fließend. Die Muttersprache seines Vaters Keke, Finnisch, hat er allerdings nie gelernt. Vor allem zu Beginn seiner Rennsportkarriere wurden immer wieder Vergleiche zu seinem Vater, der 1982 Formel-1-Champion wurde, gezogen. "Ich bin sehr stolz auf das, was mein Vater erreicht hat. Weltmeister in der Formel 1 ist das höchste Ziel. Die Vergleiche waren zu Beginn meiner Karriere häufiger. Das war schon manchmal schwierig." Mittlerweile sei das kein Thema mehr, betont Rosberg.

Seit 2006 startet der heute 30-Jährige in der Formel 1. Zuerst für Williams, seit 2010 für Mercedes. In den ersten drei Jahren, die überwiegend im Zeichen des Aufbaus des neuen Werksteams standen, war Michael Schumacher sein Teamkollege. Der Rekordchampion war nach drei Jahren Auszeit zurückgekehrt und blieb sportlich im Schatten des Jüngeren. Nachfolger Hamilton machte Rosberg das Leben schwerer. Er nutzte die Stärke der Silberpfeile, die seit Einführung der Hybrid-Antriebe 35 von 41 Rennen gewannen, für zwei WM-Titel.

Rosberg ist einer, der sich auch Gedanken um das Konstrukt Formel 1 macht. Mit seiner Meinung hält er nicht zurück. Zur Abschaffung des neuen Qualifying-Formats sagt er: "Ich finde, es war einen Versuch wert. Es hat nicht geklappt, und wir haben zurückgebaut. Wir müssen Sachen versuchen. Jetzt haben wir vielleicht nicht die perfekte, aber doch eine sehr gute Lösung." Auch zur Strategiekommission, die heute tagt, bezieht er klar Stellung. "Es wird ein entscheidender Tag. Es geht um die Regeln fürs nächste Jahr. Ich hoffe, dass die Entscheider da cool überlegen. Momentan, glaube ich, geht die Formel 1 nicht in die richtige Richtung." Die Führungsetage sollte die Art und Weise, in der Entscheidungen gefällt werden, überdenken. "Das geht besser, und das ging schon besser", findet Rosberg.

Dabei stimmt die Arbeit der Piloten. "Wir haben drei sehr spannende Rennen gesehen. Es hat auch den Zuschauern am Fernseher Spaß gemacht. Wir sind nach wie vor ein toller Sport, aber er könnte natürlich noch besser sein. Man darf aber nicht in der Kritik kleben bleiben, sondern muss offen sein für neue Meinungen. In dieser Saison ist der Sport bislang wieder auf einem Hoch." Dieses zu kultivieren, ist der Auftrag an die Entscheider.

Am Donnerstag geht es nach Sotschi. Dort will Rosberg im Rennanzug wieder eine ähnlich gute Figur abgeben wie gestern im maßgeschneiderten Anzug seines Werbepartners.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort