Hässlich oder überlebenswichtig? Neuer Cockpitzschutz spaltet Formel-1-Teams

Köln · Die Formel 1 bekommt nun doch ihren umstrittenen Cockpitschutz. Der "Halo" ist ein gewaltiger Einschnitt in der Geschichte der Königsklasse. Und die Neuerung sorgt für Diskussionen.

Sebastian Vettel testet als erster Fahrer das neue Schutzschild
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Vettel testet als erster Fahrer das neue Schutzschild

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Nach jahrelangem Hin und Her schrieb der Motorsport-Weltverband mit einer knappen Pressemitteilung Formel-1-Geschichte — und die "hässlichste Neuerung" der Königsklasse war plötzlich doch beschlossene Sache: Der umstrittene Cockpitschutz Halo wird ab dem kommenden Jahr auf die Autos von Sebastian Vettel und Co. montiert. Das offene Cockpit, seit jeher Markenzeichen der Formel 1, bekommt damit erstmals eine Art Dach.

"Nachdem wir in den vergangenen fünf Jahren eine Vielzahl von Lösungen entwickelt und ausgewertet hatten, war klar, dass der Halo die beste Gesamtsicherheit bietet", teilte die FIA mit. Die zuständige Strategiegruppe mit Vertretern des Weltverbandes, der Teams und des kommerziellen Rechteinhabers hatte zu diesem Thema getagt.

Eine Einigung gab es allerdings nicht: Am Ende war es ein Alleingang der FIA, die bei "sicherheitsrelevanten Änderungen" ein solches Sonderrecht hat. Neun der zehn Rennställe waren gegen die Einführung.

"Es ist grundfalsch diesen Cockpit-Schutz einzuführen", sagte Niki Lauda, Aufsichtsratschef des Mercedes-Teams, der "Bild": "Wir haben neue Autos gebaut, die für den Fan und für den Fahrer wieder attraktiver sind und jetzt setzt man denen ein Stahlgerüst drauf." Die Autos seien mittlerweile sehr sicher, Lauda sieht "eine Überreaktion".

Die Geschichte des Halo bleibt damit eine höchst komplizierte. Im Fahrerlager gibt es wohl kaum einen Vertreter der Formel 1, der den Bügel über dem Cockpit schön findet. Das Konzept umfasst zwei Streben aus Titan, die seitlich nach vorne geführt und in der Mitte von einer Hauptstrebe gestützt werden.

Schon im vergangenen Jahr war das System umfangreich von den Piloten getestet worden, Mercedes-Star Lewis Hamilton bezeichnete es damals als das wohl Hässlichste, was sich die Formel 1 an Neuentwicklungen hat einfallen lassen. Im Laufe der vergangenen Saison kippte allerdings die Stimmung zumindest unter den Fahrern, den direkt Betroffenen: Sie wollten den verbesserten Schutz durch den Halo.

"Natürlich gefällt uns nicht besonders, wie er aussieht — aber nichts rechtfertigt den Tod eines Rennfahrers", hatte Ferrari-Pilot Vettel vor rund einem Jahr gesagt: "Wir haben die Chance, die Sicherheit zu verbessern, und alles andere wäre dumm." Und sogar Hamilton räumte nach Ansicht einiger Studien ein: "Der Halo erhöht die Überlebenschance um 17 Prozent. Das können wir nicht ignorieren."

Die Einführung schon zu Beginn der nun laufenden Saison verhinderten allerdings die Rechteinhaber um den ehemaligen Boss Bernie Ecclestone und auch die Teams — der ästhetische Schaden am Produkt Formel 1 wurde als zu groß bewertet.

Monatelang wurde in der Folge also ein Alternativsystem entwickelt, die transparente Schutzscheibe "Shield" sollte das Problem lösen. Ein Test zuletzt in Silverstone war aber ein Reinfall, Vettel beklagte eine schlechte Sicht, ihm sei gar schwindelig geworden. Nun drängte die Zeit, denn die Teams müssen die Boliden für das kommende Jahr entwickeln. Und die FIA wollte nicht mehr warten.

Die Entscheidung fiel dann auch unter dem Eindruck einer Tragödie, die drei Jahre zurückliegt. Jules Bianchi verunglückte im Oktober 2014 in Suzuka und erlag später seinen Kopfverletzungen, seither war die einzig ungeschützte Stelle an den Formel-1-Wagen ein Dauerthema.

Der Halo soll diese Baustelle nun schließen. Doch ganz neue Diskussionen dürften damit Fahrt aufnehmen. Denn die Bügel bieten nur vor großen Trümmerteilen Schutz, kleine Geschosse könnten durch die Konstruktion dagegen sogar ins Cockpit gelenkt und damit noch gefährlicher werden.

Zudem sehen Motorsport-Puristen die Einführung dieses Cockpitschutzes als Sündenfall: Die Sicherheitsdebatte könne nun zu immer wilderen Veränderungen führen. Die Einführung des Halo sei daher "ein schwarzer Tag für den Motorsport", schreibt das Fachmagazin "auto motor und sport".

(jado/sid)
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