Formel 1 Mythos Monte Carlo

Düsseldorf · Ein Rennen im Straßenlabyrinth des Fürstentums ist eigentlich Wahnsinn, doch die Formel 1 will darauf nicht verzichten.

Max Verstappen crasht in die Leitplanke
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Verstappen crasht in die Leitplanke

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Mit Tempo 300 durch die Stadt rasen und dabei sicher sein können, keine Strafe aufgebrummt zu bekommen - das ist an einem Wochenende im Jahr in Monte Carlo möglich. 1950, im Premierenjahr der Formel-1-WM, siegte der Argentinier Juan Manuel Fangio mit einer Runde Vorsprung auf Alberto Ascari (Italien). Vier Jahre gehörte Monaco nicht zum Rennkalender, seit 1955 aber erarbeitete sich das Fürstentum am Mittelmeer den Mythos, den das Rennen noch immer umgibt.

Eigentlich passt die Jagd über die öffentlichen Straßen des Fürstentums nicht mehr zur Königsklasse. Minimierung des Risikos ist seit Langem das große Thema. Dennoch freuen sich die Fahrer auf den Trip ans Mittelmeer. "Jeder will hier mal gewinnen", sagt Mercedes-Fahrer Lewis Hamilton. Der Engländer schaffte dies 2008. In den zurückliegenden drei Jahren setzte sich sein Teamrivale Nico Rosberg durch. Für Hamilton wird es Zeit, im Titelkampf Boden gutzumachen. Nach fünf der 20 Rennen hat er 43 Punkte Rückstand auf Rosberg.

Monte Carlo ist die größte Herausforderung für die Piloten. Zwar ist das Rennen mit nun 260 Kilometern das kürzeste des Jahres, es erfordert aber fast zwei Stunden lang höchste Konzentration. Hier ist sie wieder präsent - die Zeit, in der die Fahrer keine Fehler machen dürfen. Bei den vom Aachener Streckenbauer Hermann Tilke gebauten oder umgestalteten Rennstrecken haben die Piloten, wenn sie übers Limit gehen, oft nichts zu befürchten außer einigen Sekunden, die sie verlieren. Angesichts mancher Auslaufzonen unkte Formel-1-Chef Bernie Ecclestone, dass einem schon mal unterwegs der Sprit ausgehen könne, ehe man irgendwo einschlage. Mussten sich einst die Fahrer den Strecken anpassen, werden heute die Pisten für die Fahrer und die Show passend gemacht.

Wer allerdings in Monte Carlo schwächelt, für den ist in der Regel das Rennen beendet. Die engen Häuserschluchten verzeihen keine Schwäche. Sechs Wochen dauert der Aufbau der Leitplanken, mit denen keiner Bekanntschaft machen will. An seiner Faszination hat der Große Preis von Monaco nichts eingebüßt, auch wenn die Rahmenbedingungen und die Hauptdarsteller sich geändert haben. Vorbei sind die Zeiten, als Strohballen die Zuschauer vor den Autos, die damals nicht langsamer waren als die heutigen Boliden, schützen sollten. In den Cockpits sitzen längst Leistungssportler, die sich durch Fitnesstraining in Form bringen und halten, die sich nach ausgeklügelten Plänen ernähren und in Autos sitzen, deren Technik ganz andere Möglichkeiten bietet und andere Anforderungen stellt. Die Männer, deren Jagden viel zu häufig tödlich endeten und damit mit verantwortlich waren für die Faszination der Formel 1, machten ihr Hobby zum Wettkampf.

Der war in erster Linie noch Sport. Überlegungen, wie man neue Absatzmärkte finden und finanzielle Einnahmen steigern kann, hatten keine Konjunktur. "Während wir nach den Rennen den Frauen hinterherschauen, danken sie heute ihren Sponsoren", beschrieb Stirling Moss (86) einst die Veränderung im Fahrerlager. Der Engländer war von 1955 bis 1961 viermal WM-Zweiter und dreimal WM-Dritter. Sein Landsmann James Hunt, Weltmeister von 1976, hätte heute keine Chance mehr. Der Frauenheld, der das Leben in vollen Zügen genoss, schlief schon mal bei Testfahrten, ermüdet vom Alkohol, am Streckenrand in seinem Auto ein. Hunt wurde nur 46 Jahre alt, er starb 1993 an den Folgen eines Herzinfarktes.

Monte Carlo ist aber nicht nur wegen der sportlichen Herausforderung etwas Besonderes. Der zweitkleinste Staat nach dem Vatikan steht für den Glamour der Formel 1. Hier treffen sich die Stars und Sternchen, hier lässt man sich sehen und will gesehen werden auf den zahlreichen Partys, die in dieser Woche stattfinden - oft auf den vielen Yachten, die im Hafen ankern. Hier geben sich auch jene ein Stelldichein, für die der Motorsport an den anderen 51 Wochenenden des Jahres ein Buch mit sieben Siegeln ist. Für etliche Monegassen ist die Formel 1 auch eine nette Einnahmequelle. Sie vermieten ihren Wohnraum für gutes Geld und fliehen für die Zeit aus der Stadt.

(RP)
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