Formel-1-Premiere Baku ist strahlend, einzigartig, umstritten

Baku · Baku ist der strahlende Neuling im Formel-1-Kalender. Die Fahrer sind gespannt auf die Stadt und das einzigartige Streckendesign. Aserbaidschan ist allerdings auch ein schwarzes Schaf in Menschenrechtsfragen.

Am Wochenende feiert die Formel 1 ihre Premiere in Baku, der Hauptstadt Aserbaidschans.

Am Wochenende feiert die Formel 1 ihre Premiere in Baku, der Hauptstadt Aserbaidschans.

Foto: dpa, vxh sam

Baku hat sich herausgeputzt für den ersten Besuch der Formel 1. Entlang der historischen Stadtmauer und auf den Boulevards im Schatten der spektakulären Flame Towers sind die monatelangen Asphaltarbeiten rechtzeitig abgeschlossen, die provisorische Boxengasse vor dem Regierungsgebäude ist auf Hochglanz poliert. Die Piloten fiebern der Premiere im "Monaco des Ostens" entgegen - doch politisch ist Gastgeber Aserbaidschan höchst umstritten.

"Die Machthaber setzen ihre Drehtür-Politik gegen Regimekritiker einfach fort", sagte Giorgi Gogia von der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW). Inhaftierungen und Freilassungen passierten wie schon seit Jahren willkürlich, erklärte der Südkaukasus-Experte. Zwar seien "kleine Fortschritte" festzustellen, doch die Menschenrechtslage sei "weiterhin eine Menschenrechtskrise".

Laut HRW sind derzeit allein 14 Oppositionelle inhaftiert, dazu mehrere regimekritische Blogger und neuerdings auch zwei Jugendliche, die eine Statue von Heidar Alijew, dem Vater des autoritären Staatspräsidenten Ilham Alijew, mit Graffiti besprühten. Generell ist es mit der freien Meinungsäußerung nicht allzu weit her: Die Organisation Reporter ohne Grenzen stuft Aserbaidschan in seiner aktuellen Rangliste der Pressefreiheit auf Platz 163 unter 180 Nationen ein.

Dennoch darf sich der Ölstaat am Kaspischen Meer am Wochenende der Welt von seiner strahlendsten Seite präsentieren. Nach dem Eurovision Song Contest 2012 und den Europaspielen im Vorjahr gibt sich nun die Formel 1 die Ehre. Eine bloße Stippvisite von Lewis Hamilton, Sebastian Vettel und Co. soll es nicht werden: Sofern Aserbaidschan trotz des schwachen Ölpreises flüssig bleibt, wird die Motorsport-Königsklasse bis mindestens 2025 wiederkommen.

Das unter dem Namen Großer Preis von Europa firmierende Rennen, das genau genommen auf asiatischem Boden stattfindet, bedeutet für die meisten Fahrer Neuland. "Baku hört sich spannend, exotisch und orientalisch an", sagte Force-India-Pilot Nico Hülkenberg vor der Saison dem SID: "Ein neuer Grand Prix ist immer ein Extra-Kick, weil alles unbekannt ist und jeder zum ersten Mal dort fährt". Die meisten im Paddock teilen die Meinung des Emmerichers. Kaum einen hat es allerdings bislang nach Aserbaidschan verschlagen.

Eine Ausnahme ist Fernando Alonso. Der zweimalige Weltmeister wurde Anfang des Jahres von den Organisatoren als Botschafter eingekauft. Seither zählte der Spanier in den sozialen Netzwerken die Tage bis zum Rennsonntag runter oder postete Fotos von seinen Besuchen. "Ich kann sagen, dass der Baku City Circuit die erinnerungswürdigste Strecke im diesjährigen Formel-1-Kalender sein wird", wird er auf der Grand-Prix-Homepage zitiert.

Auch die Formel-1-Macher freuen sich über den Deal. So bezeichnete die Formula One Group Aserbaidschan als Land, das sich "einen Namen als moderner europäischer Staat gemacht" hat. Formel-1-Zampano Bernie Ecclestone äußerte seine feste Überzeugung, dass "jeder in Baku zufrieden sein wird."

Was die Rahmenbedingungen angeht, wird das gewiss zutreffen. Die Stadt erinnert klimatisch, kulturell und kulinarisch an Istanbul, weist zugleich ein paar Spuren aus der Sowjetzeit auf. Architektonisch orientiert sich Baku seit Neuestem mit Vehemenz an den Glasburgen der Golfstaaten.

Für das Streckendesign zeichnete wieder einmal Hermann Tilke verantwortlich. Doch anders als etwa in Malaysia, Russland oder Bahrain, wo Retortenkurse entstanden, hat sich der Aachener Architekt in Baku am natürlichen Straßenlayout orientiert. Auf dem 6,006 km langen Stadtkurs wechseln sich Hochgeschwindigkeitspassagen auf den Boulevards mit nicht einmal acht Meter breiten Nadelöhren entlang der Stadtmauer ab.

Dieses radikale Wechselspiel ist einzigartig im Kalender. Einzigartig soll auch die Geschwindigkeit im 32. Gastgeberland eines Formel-1-Rennens werden. "Baku ist mit Abstand der schnellste Stadtkurs", kündigte Tilke an. Die Politik dürfte dagegen auf der Strecke bleiben.

(sid)
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