Im Schatten der Weltmeister Erdrückt der Fußball die anderen Sportarten?

Düsseldorf · Mit dem Gewinn des WM-Titels hat die Nationalmannschaft dem Sportjahr 2014 den Stempel aufgedrückt. Die anderen Sportverbände in Deutschland bangen mehr denn je um ihren Stellenwert.

Nationalspieler genießen Triumphzug durch Berlin
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Foto: Twitter

Das Siegtor von Mario Götze. Die Erleichterung im lädierten Gesicht von Bastian Schweinsteiger. Die Jubeltraube der deutschen Spieler um den WM-Pokal. Die Siegesbilder des Endspiels vom 13. Juli 2014 haben ihren Platz im kollektiven Gedächtnis der Deutschen bereits sicher. Im Glanz des vierten Sterns kann sich allerdings nur der Deutsche Fußball-Bund (DFB) uneingeschränkt sonnen. Bei vielen anderen deutschen Sportverbänden wurde der Titelgewinn im Maracana-Stadion dagegen auch mit Bauchschmerzen wahrgenommen.

"Der Titel ist ein toller Erfolg, aber er geht natürlich zulasten der anderen Sportarten. Sie werden noch weiter an den Rand gedrängt. Das ist extrem schmerzhaft", sagte Geschäftsführer Frank Bohmann von der Handball Bundesliga (HBL) in einer Umfrage des SID unter mehreren olympischen Verbänden.

"Bei uns weiß keiner, dass überhaupt eine WM stattfindet"

Und Volleyball-Bundestrainer Vital Heynen wetterte im September in der Zeitung "Die Welt": "Wenn die Fußballer im WM-Halbfinale spielen, ist der Teufel los. Bei uns weiß kaum einer, dass überhaupt eine WM stattfindet." Der Belgier sollte die DVV-Herren wenige Wochen darauf zu WM-Bronze führen - verfolgen konnte man den Medaillengewinn der derzeit zweiterfolgreichsten deutschen Mannschaftssportart nur beim Onlineportal sportdeutschland.tv.

Für Heynen Anlass zu einer Generalkritik, in die er auch die Fernsehsender explizit einbezog: "Es sollte eine Pflicht für das gebührenfinanzierte Fernsehen geben. Wenn fast nur noch Fußball gezeigt wird, gerät der Restsport logischerweise immer mehr in die Sackgasse."

Das Problem der "kleinen" Sportarten ist nicht neu: Seit Jahren mahnen und warnen führende Funktionäre vor der stetig wachsenden Bedeutung des Fußballs. Der ist wegen der Erfolge der Nationalmannschaft, von Bayern München und Borussia Dortmund sowie aufgrund der erstklassigen Vermarktung der Bundesliga so populär wie nie. Rekordquoten bei der WM oder der Champions League geben den Sendern sogar recht.

Die Randsportarten tragen die Konsequenzen: Mit der fehlenden Fernsehpräsenz gehen einerseits die Sponsoreneinnahmen zurück. Andererseits wird es immer schwieriger, Nachwuchs durch "Heldenbildung" via Fernsehschirm zu rekrutieren. Es ist höchste Zeit zu handeln, soll Deutschland nicht zu einer reinen Fußballnation werden - die deutsche Medaillenausbeute bei Olympischen Spielen ist bereits seit der Wiedervereinigung konstant rückläufig.

Dirk Schimmelpfennig war einer der ersten, der den ungleichen Konkurrenzkampf sportlich genommen und auf zündende Ideen auch von der Basis gesetzt hat. "Der WM-Titel hat den Sport insgesamt noch mehr in den gesellschaftlichen Fokus gerückt, das ist gut für das Renommee des ganzen Sports. Der Nachwuchs wird sich auch immer daran orientieren, was die Vereine vor Ort anbieten", sagte der heutige Vorstand Leistungssport im Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) und damalige Sportdirektor des Deutschen Tischtennis-Bundes (DTTB) im Juli.

Eine weitere Anregung kommt von jemandem, der als Aktiver in den 1980er Jahren noch die "goldenen Zeiten" der olympischen Sportarten im TV miterlebt hat. Der dreimalige Schwimm-Olympiasieger Michael Groß bemängelte bereits im Januar in der Bild-Zeitung, dass in vielen Sportarten "zu wenig getan" werde, um attraktiv für das große Publikum zu sein. Wie man es besser machen könne, demonstriere laut Groß ein "Brause-Hersteller aus Österreich", der zeige, "wie man Sportarten faszinierend rüberbringen kann".

Dabei müssten sich laut dem "Albatros" die kleineren Verbände keinesfalls auf den Kopf stellen. Sein Fazit: "Mir kann keiner einreden, dass olympische Sportarten nur alle vier Jahre begeistern."

(sid)
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