Eishockey-WM Deutschlands "Startruppe" greift Viertelfinale an

St. Petersburg · Mit dem besten Kader seit Jahren will das deutsche Eishockey-Nationalteam bei der WM in Russland ins Viertelfinale stürmen. Dafür sollen vor allem Leon Draisaitl auf dem Eis und Marco Sturm hinter der Bande sorgen.

 Leon Draisaitl (r.) ist einer von vier deutschen NHL-Profis, die bei der WM in Russland auflaufen.

Leon Draisaitl (r.) ist einer von vier deutschen NHL-Profis, die bei der WM in Russland auflaufen.

Foto: dpa, mjh cul

Das erste Bully der WM wird zwar erst am Freitag gespielt, doch Deutschland hat im Welteishockey bereits an Ansehen gewonnen. Nach der Ankunft der Nationalmannschaft in St. Petersburg stürzten sich noch an der Gepäckausgabe internationale Fernsehteams auf die deutschen NHL-Stars um Leon Draisaitl sowie auf Bundestrainer Marco Sturm und löcherten diese mit Fragen.

Das früher oft graue DEB-Team ist mit dem besten Kader seit Jahren und dem bekannten Coach plötzlich ein Hingucker — das wollen Draisaitl und Co. mit Offensivspektakel auch auf dem Eis beweisen. "Das Kribbeln kommt", sagt Sturm vor seiner WM-Feuertaufe als Trainer: "Es war eine lange Vorbereitung, die Spieler sind auch heiß und freuen sich."

Die Sturm-Auswahl peilt bei der Weltmeisterschaft in Russland (6. bis 22. Mai) den Viertelfinal-Einzug an, das gelang einer Auswahl des Deutschen Eishockey-Bundes (DEB) zuletzt vor fünf Jahren. Die Mannschaft kann befreit aufspielen, es gibt weder Abstiegssorgen noch ein offizielles WM-Ziel.

"Es macht kein Sinn, jetzt das große Ziel Viertelfinale auszurufen und dann vielleicht am ersten kleinen Ziel, dem Auftaktspiel gegen Frankreich, zu scheitern", sagte DEB-Präsident Franz Reindl mit Blick auf die richtungweisende Auftaktpartie am Samstag (15.15 Uhr/Sport1): "Dass die Spieler ins Viertelfinale wollen, ist aber auch klar." Zumal ein Abstieg wegen der WM-Gastgeberrolle im kommenden Jahr nicht möglich ist.

Die Chance auf die K.o.-Runde ist realistisch. Sturm hat als neuer Bundestrainer und General Manager eine talentierte und leidenschaftliche Mannschaft zusammengestellt und die größte Euphorie seit der Uwe-Krupp-Ära entfacht. Hatte es unter seinen Vorgängern noch reihenweise Absagen gehagelt, musste Sturm selbst gestandene Nationalspieler nach Hause schicken.

Der Bundestrainer musste auch bei deutschen NHL-Profis nicht betteln. Insgesamt stehen vier Spieler aus der nordamerikanischen Profiliga im WM-Aufgebot — so viele wie seit 2008 nicht. Sturm, mit 1006 Partien deutscher NHL-Rekordspieler, genießt höchsten Respekt unter den Profis. Auch beim Coaching macht der Trainernovize bislang eine gute Figur. Eine Schwäche hat Stürmer Felix Schütz aber ausgemacht: "Bei den Ansprachen tut er sich noch ein bisschen schwer. Aber es wird mit jedem Tag besser."

Genau wie das Zusammenspiel der Mannschaft. Vor allem die Paradereihe mit den NHL-Jungstars Draisaitl, Tobias Rieder sowie DEL-Topscorer Patrick Reimer zeigte in der Vorbereitung "Aktionen zum Zungeschnalzen", sagt Reindl. Mit ihnen sind auch Siege gegen den Knackpunkt-Spielen gegen Weißrussland und die Slowakei möglich.

Allerdings fehlt es dem Team noch an Konstanz. Das wurde auch beim 3:4 in der WM-Generalprobe am Dienstag gegen die Schweiz deutlich, als man eine 3:0-Führung noch aus den Händen gab. Sturm kam der Einbruch als Warnung ganz gelegen: "Wir müssen cool bleiben und unser Spiel spielen — und das über 60 Minuten."

Die mitunter wacklige Defensive wird neben Ehrhoff auch durch NHL-Kollege Korbinian Holzer verstärkt. Knackpunkt könnte jedoch die Torhüterposition sein: Hier hat die DEB-Auswahl nach dem verletzungsbedingten Ausfall von Stammgoalie Dennis Endras an Qualität eingebüßt. Als Nummer eins startet der Ingolstädter Timo Pielmeier in die WM.

Im Kampf um den Titel wird Deutschland aber so oder so im Normalfall außen vor bleiben. Für Gastgeber Russland zählt dagegen nur Gold und Revanche für die 1:6-Pleite im WM-Finale des vergangenen Jahres in Prag gegen den Erzrivalen Kanada. Präsident Wladimir Putin, der selbst gerne zum Eishockeyschläger greift, erwartet auch Wiedergutmachung für den verpatzten Auftritt der Sbornaja beim Heim-Olympiaturnier 2014 in Sotschi. Damals war gegen Kanada im Viertelfinale Endstation.

(sid)
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