DEB-Team trifft auf Russland "Genau für solche Momente spielen wir Eishockey"

St. Petersburg/Moskau · So erfolgreich wie seit 23 Jahren nicht mehr beendet das deutsche Eishockey-Nationalteam die Vorrunde bei der WM in Russland. Die Hoffnungen vor dem Viertelfinale sind groß. Doch nicht alles läuft nach Plan – und nun geht es gegen den Gastgeber und Rekordchampion.

Eishockey-WM: Schlüsselfiguren im DEB-Team gegen Russland
7 Bilder

Schlüsselfiguren im DEB-Team gegen Russland

7 Bilder

So erfolgreich wie seit 23 Jahren nicht mehr beendet das deutsche Eishockey-Nationalteam die Vorrunde bei der WM in Russland. Die Hoffnungen vor dem Viertelfinale sind groß. Doch nicht alles läuft nach Plan — und nun geht es gegen den Gastgeber und Rekordchampion.

"Gegen Russland in Russland zu spielen — etwas Schöneres kann es für einen Eishockeyspieler nicht geben", sagte Kapitän Marcel Goc. "Man muss ja nicht nur gegen das russische Team bestehen, sondern gegen eine ganze Nation", ergänzte Stürmer Patrick Reimer vor dem Duell am Donnerstag. "Eine größere Herausforderung kann es eigentlich nicht geben." "Da wartet der absolute Topfavorit auf uns", sagte NHL-Verteidiger Christian Ehrhoff. "Die Stimmung wird aufgeheizt sein. Aber genau für solche Momente spielen wir schließlich Eishockey."

Allen Verletzungssorgen zum Trotz will Deutschland gegen Gastgeber Russland Eishockey-Geschichte schreiben. Obwohl am Donnerstag in Moskau der Rekordweltmeister mit Superstar Alexander Owetschkin wartet, hofft das deutsche Nationalteam bei der Weltmeisterschaft auf einen Viertelfinal-Coup. Klappt es, wäre Deutschland erst zum dritten Mal seit 1953 und erstmals seit der Heim-WM 2010 unter den Top Vier. "Die Mannschaft hat Charakter. Es ist egal, wer kommt", sagte Bundestrainer Marco Sturm, bevor er wusste, auf wen sein Team trifft.

Der Coach muss sich allerdings wegen der Ausfälle ernsthafte Gedanken machen. Ehe die Sbornaja am Dienstagabend im entscheidenden Duell mit Schweden beim 4:1 ihre Klasse demonstrierte, rissen die bitteren Nachrichten für den Deutschen Eishockey-Bund nämlich nicht ab. Felix Schütz musste am Montagabend als vierter Spieler in fünf Tagen passen. Beim 4:2 gegen Ungarn verletzte sich der Stürmer beim Zusammenprall mit dem eigenen Mitspieler Daryl Boyle am Knie.

"Das ist natürlich bitter. Aber das letzte Wort ist noch nicht gesprochen", sagte Sturm. "Ich hoffe, dass noch eine Chance besteht. Wenn nicht, bekommen andere mehr Eiszeiten. Irgendwie geht es weiter." Eine harmonierende Sturmreihe mit Schütz und den Kölnern Patrick Hager und Philip Gogulla droht jedoch auseinanderzufallen.

"Jetzt darf aber wirklich gar nichts mehr passieren", warnte NHL-Verteidiger Korbinian Holzer. In den gemeinsamen erfolgreichen Tagen hat sich allerdings aus den deutschen Kufencracks eine Einheit entwickelt, die Charaktertests bestanden und mehrere Ausfälle weggesteckt hat. Allen voran den von NHL-Stürmer Tobias Rieder.

Schon ohne den jungen Anführer trotzte die DEB-Auswahl den USA, schaffte mit dem 3:2 eine Überraschung. Nach Rieder meldeten sich noch Angreifer Gerrit Fauser und Verteidiger Torsten Ankert für den Rest der WM ab. Constantin Braun plagt sich zudem mit einer Schnittverletzung am Fuß. "Das ist eine Weltmeisterschaft, da muss man manchmal auf die Zähne beißen, auch wenn es weh tut", sagte Sturm über weitere Sorgenkinder.

Ehe der DEB-Tross am Mittwochmorgen um 9.30 Uhr mit dem Zug von St. Petersburg nach Moskau umzieht und am Abend dort noch einmal trainiert, spendierte Sturm seinen Profis einen freien Dienstag zur Regeneration. Vier intensive Spiele in zuletzt fünf Tagen gingen an die Substanz.

Schon der vierte Vorrundensieg gegen die Ungarn war somit das Ergebnis einer Energieleistung. Der hart erkämpfte Erfolg sprach erneut für den Charakter des Teams um Führungsspieler wie Star-Verteidiger Christian Ehrhoff und Kapitän Goc. Mit 13 Punkten und vier Siegen schloss die Auswahl die Vorrunde so erfolgreich wie seit 23 Jahren nicht mehr ab.

Bereits vor dem ersten Viertelfinale seit 2011 hat das deutsche Eishockey nach tristen Jahren an Ansehen gewonnen. Sport1 erreichte am Montag mit durchschnittlich 830 000 Fernsehzuschauern nach eigenen Angaben die beste Eishockey-Quote seit fünf Jahren. DEB-Präsident Franz Reindl spürt gestiegene Wertschätzung unter Funktionären. "Man merkt im ganzen Umfeld, in der ganzen Szene, dass man als Deutschland respektiert ist", sagte der Verbandschef. "Was nicht unbedingt ein Vorteil ist. Man wird zu 100 Prozent ernst genommen."

Die K.o.-Runde im eigenen Land dürfte Russland ohnehin nicht auf die leichte Schulter nehmen. Für die deutsche Nationalmannschaft sind mit den bisherigen Viertelfinal-Duellen fast ausschließlich Erinnerungen an Niederlagen verbunden. Achtmal erreichte sie das 1992 eingeführte das WM-Viertelfinale, nur einmal kam sie weiter. Vor sechs Jahren zog Deutschland bei der Heim-WM ins Halbfinale ein. Mit Silber gewann eine deutsche Auswahl zuletzt vor 63 Jahren eine Medaille.

Davon zu träumen, ist auch jetzt erlaubt. "Unser Ziel muss sein, ein Riesenspiel hinzulegen", sagte Stürmer Gogulla. "Wenn wir so spielen, wie gegen die USA oder gegen Kanada, dann kann alles passieren."

(dpa/sid)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort