Eishockey-WM Draisaitl wollte einfach nur noch ins Bett

Nur neun Stunden nach seiner Ankunft aus Kanada stand Leon Draisaitl schon auf dem Eis. Der NHL-Jungstar ließ trotz Müdigkeit beim 4:1 gegen Italien seine außergewöhnlichen Fähigkeiten aufblitzen.

 Leon Draisaitl spielte gegen Italien, obwohl er erst am Morgen in Frankfurt gelandet war.

Leon Draisaitl spielte gegen Italien, obwohl er erst am Morgen in Frankfurt gelandet war.

Foto: rtr, AP

Nach seinem 112. Eishockeyspiel in 260 Tagen wollte Leon Draisaitl einfach nur ins Bett. "Ich schlafe hier gleich ein. Ich freue mich jetzt auf zwei freie Tage. Am liebsten würde ich bis Dienstag durchschlafen", sagte der NHL-Jungstar nach seinem WM-Einstand. Doch mit der Schlusssirene nach dem 4:1 gegen Italien war sein langer Tag nicht beendet: Der 21-Jährige stand im Kabinengang noch Rede und Antwort, als die anderen Nationalspieler schon längst geduscht hatten.

Am Morgen um 10.55 Uhr war der deutsche Eishockey-Star nach neun Stunden Flug von Kanada in Frankfurt gelandet, mit seinen Eltern nach Köln gefahren und nach einem kurzen Nickerchen schon vier Stunden vor dem ersten Bully in die Arena gekommen. "Er hat bei Mama was zu essen bekommen und war als einer der ersten hier", berichtete Bundestrainer Marco Sturm.

Von den 18.712 Fans mit großem Jubel empfangen, hatte Draisaitl sofort seine außergewöhnlichen Fähigkeiten gezeigt: Der Mittelstürmer gewann fast alle Bullys, setzte seine Mitspieler in Szene, ließ bei einem Solo gleich drei Gegner aussteigen - und begeisterte alle Beobachter. "Sensationell, was er sofort für Impulse gegeben hat", lobte DEB-Präsident Franz Reindl. "Er macht alle Spieler besser", ergänzte Sturm.

Dabei hat Draisaitl eine Menge Eishockey in den Beinen. Seit dem ersten Testspiel am 27. August hat er ein Mammutprogramm abgespult und beinahe an jedem zweiten Tag gespielt. Die Qualifikation für Olympia 2018, der World Cup inklusive Vorbereitung, Testspiele mit Edmonton, 82 Hauptrundenpartien mit den Oilers, 13 Play-off-Spiele - der deutsche Hoffnungsträger hat in dieser Saison fast doppelt so oft dem Puck nachgejagt wie mancher seiner Nationalmannschaftskollegen.

Hinzu kamen die Reisestrapazen: Mit den Oilers legte er in der NHL-Hauptrunde 79.296 Flugkilometer zurück — so viele wie kein anderes Team der Liga. Inklusive Play-offs waren es 108.588. Da machten die 7500 Kilometer von Calgary nach Frankfurt in der Nacht vor seinem WM-Einstand keinen großen Unterschied mehr.

Die Freude auf die WM in seiner Heimatstadt ließ er sich dadurch aber nicht nehmen. "Die Jungs haben sich gefreut, mich zu sehen. Ich habe mich gefreut, sie zu sehen", sagte er: "Ich hoffe, dass wir noch ein paar Tage Spaß haben." Dafür muss er mit dem deutschen Team am Dienstag (20.15 Uhr/Sport1) zum Vorrundenabschluss Lettland schlagen, um das Viertelfinale zu erreichen.

Draisaitls grandioses Jahr in der NHL

Denn Draisaitl will seine grandiose Spielzeit mit einem Erfolgserlebnis beenden. In der NHL ist er in seiner dritten Saison als achtbester Scorer der Hauptrunde zu den Topstars aufgestiegen, mit 16 Punkten in 13 Play-off-Spielen führte er die Oilers bis ins siebte Viertelfinale.

Aus dem größten deutschen Eishockey-Talent, in Kanada schon vor dem NHL-Debüt als "German Gretzky" gefeiert, ist der beste deutsche Spieler überhaupt geworden. Einer, für den es nur noch Vergleiche aus einer anderen Sportart gibt. "Es ist wie im Basketball, wenn Dirk Nowitzki nach Deutschland kommt", meinte Sturm, dem Draisaitl den deutschen NHL-Punkterekord in dieser Saison abnahm.

Trotz seines kometenhaften Aufstiegs habe er sich nicht verändert, meinte sein gleichaltriger Weggefährte Dominik Kahun. "Das Einzige ist sein Bart", sagte der Münchner, der mit Draisaitl in der Mannheimer Jugend und den Nachwuchsnationalmannschaften spielte, lachend. Der struppige Bart, den er für die Play-offs um den Stanley Cup wachsen ließ, kommt noch nicht ab. "Für mich", sagte Draisaitl, "ist die WM die dritte Play-off-Runde."

(sid)
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