Gegenpressing Der Durchschnitt ist der Gewinner im Milliardenspiel

Jan Schlaudraff verdient in Hannover rund 1,5 Millionen Euro. Franz Beckenbauer brachte es in seiner besten Zeit nicht mal auf ein Drittel dieser Summe. Das ist ungerecht.

Gegenpressing: Der Durchschnitt ist der Gewinner im Milliardenspiel
Foto: Phil Ninh

Juristische Verfahren können sehr aufschlussreich sein. Für Richter, Anwälte und nicht zuletzt für Fußballfans. So erfuhr die geneigte Öffentlichkeit im vergangenen Winter nicht nur, dass der hochgeehrte Dortmunder Fußballspieler Marco Reus ein paar Jahre lang fette Autos durch den Straßenverkehr kutschierte, obwohl er nie einen Führerschein gemacht hatte. Sie lernte auch, dass er 2,2 Millionen Euro netto im Jahr verdiente. Er musste nämlich sein Gehalt offenlegen, damit der Richter ein angemessenes Strafmaß nach Tagessätzen erlassen konnte.

Diese Woche lernte die Menschheit, dass Reus ein recht bescheidenes Salär einstrich. Denn es wurde bekannt, dass dem italienischen Kollegen Luca Toni aus dessen Zeit bei Bayern München säumige Kirchensteuer abverlangt wurde. Aus der Nachforderung ergab sich ein Jahres-Nettoeinkommen von etwa sieben Millionen Euro. Sein Vertrag mit dem deutschen Meister endete vor gut vier Jahren. Toni und die Bayern waren ihrer Zeit in Gehaltsfragen also schon ein gutes Stück voraus.

Zumindest waren sie den Dortmundern ein gutes Stück voraus. Und sie sind es bis jetzt, obwohl sich der BVB wieder mal Mühe gibt, an meisterliche Gepflogenheiten anzuschließen. Reus hat inzwischen seinen Vertrag verlängert, und er soll nun rund viereinhalb Millionen Euro verdienen. Er muss sich folglich anstrengen, in diesem Leben noch mal arm zu werden.

Das wird auch Robert Lewandowski kaum gelingen. Der Pole ist im Sommer von Borussia Dortmund zu Bayern München gewechselt. Die Branche schätzt ihn seither auf zehn Millionen Euro Jahreseinkommen. Damit liegt er sogar bei den Bayern an der Spitze. Von Gehältern wie Cristiano Ronaldo können aber selbst die Münchner Stars nur träumen. Der so wunderbar auf jederzeit gepflegte Erscheinung bedachte Portugiese streicht pro Jahr 17 Millionen Euro ein - netto.

Das ist natürlich alles ziemlich unanständig, wenn es mit den Kategorien eines normalen Berufslebens gemessen wird. Aber das tut niemand, weil wir uns in den Bereichen des Showgeschäfts bewegen. Auch Hupfdohlen im internationalen Musikgeschäft kassieren für zweifelhafte Leistungen horrende Summen.

Das regelt wie im Fußball der Markt. Die Deutsche Fußball Liga wird in ganz naher Zukunft jährlich eine Milliarde Euro aus den TV-Einnahmen erlösen. Allein die Teilnahme an der Champions League ist bald eine Prämie von zwölf Millionen Euro wert. Die Stadien sind in schöner Regelmäßigkeit ausverkauft, die teuren Business-Bereiche sind stets zuerst ausgebucht, und die Sponsoren stehen regelrecht Schlange.

Dieser Kuchen wird verteilt, da helfen keine Klagen über die Ungerechtigkeit der (Sport-) Welt. Aus der Innenansicht dieser Geschäftswelt ist es auch nur gerecht, dass die Besten die dicksten Stücke von diesem Kuchen bekommen. Die wahren Profiteure gehören allerdings dem Durchschnitt an. Denn dessen Einkünfte steigen selbstverständlich mit. Von Gehältern wie dem des nicht gerade durch große Taten aufgefallenen Hannoveraner Profis Jan Schlaudraff haben Weltstars wie Franz Beckenbauer nicht einmal träumen dürfen. Schlaudraff verdient nach zuverlässigen Schätzungen 1,5 Millionen Euro. Beckenbauer brachte es nicht mal zu besten Zeiten auf ein Drittel dieser Summe. Das ist ungerecht.

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(RP)
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