Vierschanzentournee Das Verwirrspiel Skispringen

Innsbruck/Düsseldorf · Durch die neuen Regeln ist der Wettkampf gerechter geworden, allerdings auch viel komplizierter. Nicht einmal die Fachleute kommen immer mit.

Als "ein bisschen irritierend" und vielleicht auch peinlich empfand ARD-Moderator Matthias Opdenhövel die Lage, als er die Übertragung von der Qualifikation der Skispringer in Innsbruck beendete. Weder er noch sein Experte Dieter Thoma noch Kommentator Tom Bartels vermochte zu sagen, wer den nun Prolog für den dritten Wettkampf der Vierschanzentournee gewonnen hatte.

War es Gregor Schlierenzauer (Österreich), den der Computer zunächst als Nummer eins führte? Oder doch Anders Jacobsen (Norwegen), Sieger in Oberstdorf und Garmisch-Partenkirchen? Dem ARD-Team — und damit auch dem deutschen Fernsehpublikum — war nicht klar, ob Jacobsens Trainer den Anlauf für seinen besten Mann verkürzt und damit Bonuspunkte herausgeholt hatte. Hatte er nicht, wie eine Stunde später die offizielle Ergebnisliste zeigte. Schlierenzauer blieb der Sieger am Bergisel.

Skispringen ist mehr als je zuvor ein Verwirrspiel. Für die Zuschauer am Fernseher. Noch mehr für das Publikum im Stadion. Und manchmal auch für die Springer, die nicht wissen, was ihre Weite wert ist. Denn die Meterangabe ist nur ein Kriterium, das das Ergebnis bestimmt. Der Skisprung war da immer schon etwas anderes als der Weitsprung der Leichtathletik, bei dem es allein um Meter und Zentimeter geht (einzige Einschränkung: Rekorde werden ab einem Rückenwind von 2 m/sek. nicht anerkannt).

Seit jeher benoten fünf Wertungsrichter die Sprünge der nordischen Skisportler. Dabei geht es zum Beispiel darum, ob den Athleten eine Telemark-Landung gelingt, bei der die Füße elegant versetzt stehen. In den vergangenen beiden Wintern ist es aber noch etwas komplizierter geworden. In einem aufwändigen Verfahren errechnen Computer den Einfluss des Windes auf die Weite. An Messstellen, die an jeder Weltcup-Schanze eigens eingerichtet werden, ermittelt die Technik die Stärke von tragendem Aufwind oder widrigem Rückenwind und sorgt für einen Abzug bzw. einen Bonus beim Punktwert für die Weite.

Die nächste Komponente ist die Länge des Anlaufs. Je länger der ist, desto höher die Absprunggeschwindigkeit, desto weiter in der Regel der Flug. Die Jury kann jetzt während eines Durchgangs den Anlauf verkürzen, weil die Besten möglicherweise in einen gefährlichen, weil flacheren Bereich fliegen könnten. Wer wenig Anlauf hat, bekommt Zusatzpunkte. Langer Anlauf heißt Punktabzug. Alle Sprünge — egal mit wie viel Anlauf — werden somit vergleichbar. Die gerade von den TV-Anstalten kritisierten Neustarts kompletter Durchgänge sind nicht mehr nötig. Seit dieser Saison haben auch die Trainer die Möglichkeit, per Knopfdruck den Anlauf für ihre Athleten individuell zu verkürzen. Das soll der Sicherheit der Weitflieger dienen, führt aber zu einer Zockerei auf dem Trainerturm. Denn wer den Abfahrbalken für seinen Springer hinuntertragen lässt, erwirtschaftet Bonuspunkte.

Das Klassement führte gestern Schlierenzauer (123,5 m) vor Jacobsen (125,5) als Sieger der Qualifikation, weil der Österreicher von der Windregel profitierte. Er hatte leichten Rückenwind, der Norweger etwas Aufwind. Alle sechs Deutschen erreichten den Wettkampf (heute, 13.45, ARD).

(RP/can)
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