Düsseldorf Daran ist Klinsmann gescheitert

Düsseldorf · Die Gründe für die Entlassung als Nationaltrainer der USA sind viel mehr in Nebengeräuschen zu finden als in der rein sportlichen Bilanz des 52-jährigen Schwaben.

Natürlich ist beim US-Verband die Sorge groß, nach zwei Niederlagen zum Qualifikations-Auftakt die Teilnahme an der WM 2018 zu verpassen. Wenngleich sich drei Teams aus Nord- und Mittelamerika direkt qualifizieren - und der Vierte gegen den Fünftplatzierten aus Südamerika in den Play-offs noch eine weitere Qualifikationschance bekommt. Diese Sorge kostete den 52-Jährigen den Job. "Wir sind davon überzeugt, dass wir jetzt eine andere Richtung einschlagen müssen", kommentierte Verbandschef Sunil Gulati die Entscheidung, die von vielen "Soccer"-Fans in den Staaten begrüßt wird.

Die Tatsachen, dass in der Qualifikation die Spiele gegen die härtesten Gegner bereits absolviert wurden - Mexiko und Costa Rica sind 17. und 18. der Fifa-Weltrangliste - und dass bei der Heranführung von Talenten der Faktor Zeit eine große Rolle spielt, wurden bei Klinsmanns Entlassung ignoriert. Ihm vorzuwerfen, dass er in Christian Pulisic von Borussia Dortmund lediglich ein internationales Top-Talent in seinen Reihen wusste, kann dem jüngst zum DFB-Ehrenspielführer ernannten Klinsmann ebenfalls nur schwerlich angekreidet werden.

Ein Hauptgrund für die vergleichsweise schleppend verlaufene Talentförderung ist sicherlich in dem Fakt zu suchen, dass Fußball in der Beliebheitsskala der Amerikaner weit hinter American Football, Baseball, Basketball und Eishockey rangiert. Doch es war auch nicht nur die sportliche Bilanz oder der negative Trend, die gegen Klinsmann sprachen. Der Ex-Trainer des FC Bayern München führte die US-Auswahl 2016 bei der Copa America Centenario ins Halbfinale, unterlag dort Argentinien und im Spiel um Platz drei Kolumbien. Schon bitterer war das Aus 2015 beim Gold Cup im Halbfinale gegen Jamaika.

Doch das weitaus wichtigere sportliche Großziel konnte Klinsmann in seiner Amtszeit erreichen. Die Qualifikation zur WM 2014 gelang ihm. Bei der Endrunde in Brasilien scheiterte sein Team erst im Achtelfinale an den sehr talentierten Belgiern und ließ den amtierenden Europameister Portugal in der Gruppe hinter sich.

Insgesamt betreute Klinsmann die US-Auswahl 98 Mal, dabei kommt er auf eine Bilanz von 55 Siegen, 15 Unentschieden und 28 Niederlagen. Sein Punkteschnitt in den vergangenen fünf Jahren als US-Coach beträgt 1,84. Zum Vergleich: Giovanni Trapattoni kommt in 122 Spielen als Bundesliga-Trainer ebenfalls auf einen Schnitt von 1,84, die natürlich viel häufiger aktiven Jupp Heynckes (642 Spiele) und Jürgen Klopp (340 Spiele) auf 1,75 und 1,68 Punkte pro Spiel.

Es waren Nebengeräusche, die Klinsmann zum Verhängnis wurden. Seine ständige Nörgelei an der Klasse der Major League Soccer, brachte ihm viel Kritik ein. Zuletzt vertraute er beim 0:4 in Costa Rica nur noch vier Spielern aus der heimischen Liga, setzte generell verstärkt auf Profis aus Europa. Viele Amerikaner wünschen sich einen Landsmann als Trainer, der die eigene Liga mehr fördert und den nord- und mittelamerikanischen Fußball besser kennt.

Klinsmann, der mit dem Versprechen angetreten war, den US-Fußball weiterzuentwickeln und näher an die internationale Spitze zu führen, wurde von Experten im US-TV zudem vorgeworfen, den Verjüngungsprozess zu verschleppen und stattdessen auf Haudegen wie den früheren Schalker Jermaine Jones in der Mittelfeldzentrale zu setzen. Am Montag hatte ein Interview Klinsmanns mit der "New York Times" in den USA für Empörung gesorgt. "Fußball ist emotional, und manche Menschen urteilen, ohne irgendetwas über den Sport oder das Innere eines Teams zu wissen", sprach Klinsmann seinen Kritikern das nötige Fachwissen ab - und brachte damit wahrscheinlich das Fass zum Überlaufen. "Ich habe es Sunil Gulati immer klar gesagt: Wenn du in die Top 15 vordringen willst, brauchst du Beständigkeit. Es wird immer wieder Rückschläge geben. Wenn du dich von Emotionen leiten lässt, wird es eine Achterbahnfahrt", hatte Klinsmann hinzugefügt.

Die Geduld des Verbands war überstrapaziert. Man hatte offenbar genug davon, sich von Klinsmann die Fußball-Welt erklären zu lassen.

(can)
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