Enttäuschende Ergebnisse Kasachstan ist im Europapokal besser als Deutschland

Düsseldorf · In der laufenden Saison enttäuschen die deutschen Starter in Europa bislang kolossal. Joachim Löw sorgt sich um die Bundesliga.

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Pressestimmen zum Bayern-Debakel in Paris

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Joachim Löw macht sich Sorgen. "Nicht erst seit gestern", wie er sagt. Die Sorge des Bundestrainers gilt weniger seiner Nationalmannschaft, deren Mitgliedern er trotzdem "übermenschliche Leistungen" bei der WM in Russland abverlangen will. Löw sorgt sich um die Bundesliga. Auch ihn hat aufgeschreckt, dass es am zweiten Spieltag der internationalen Wettbewerbe für die Prominenz aus Deutschland in sechs Spielen sechs Niederlagen gab. In der Fünfjahreswertung der Uefa ist Deutschland auf Rang vier zurückgefallen, und in der aktuellen Saison-Zwischenbilanz liegt der Vereinsfußball im Land des Weltmeisters auf Platz 27, hinter Zypern, Israel, Österreich, Aserbaidschan, Weißrussland und Kasachstan. "Das", sagt Löw, "ist schon auch alarmierend."

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Auch wenn sich die Bilanz in dieser Woche verbessern dürfte (schließlich haben Dortmund in Nikosia und Bayern gegen Celtic Glasgow in der Champions League lösbare Aufgaben), findet es der Bundestrainer befremdlich, dass sich die Bundesliga für (mit)führend in Europa hält. Er kann das Gegenteil belegen. "Wenn man zurückgeht und die letzten 16, 17 Jahre anschaut, dann haben die deutschen Klubs nicht allzu viele Titel geholt. Wenn jemand sagt, dass die Bundesliga die beste Liga überhaupt ist, sollte man das mal hinterfragen", erklärt Löw.

In einer Hinsicht ist die Bundesliga allerdings immer noch ganz vorn. Nirgendwo auf der Welt kommen so viele Zuschauer in die Stadien, im Schnitt sind es 44.000. Das findet Christian Seifert, der Geschäftsführer der Deutschen Fußball Liga (DFL), natürlich toll. Und er verweist sehr zu Recht darauf, dass es zurzeit mit dem Produkt Bundesliga-Fußball kein Problem gibt. In der Vorssaison knackte die Bundesliga zum ersten Mal die Drei-Milliarden-Marke, sie setzte 3,24 Milliarden Euro um. "Und für diese Saison gibt es wahrscheinlich wieder eine Steigerung", verspricht der oberste Geschäftsmann der Liga.

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Aus glänzenden Zahlen leitet Seifert aber auch eine Verpflichtung ab. Die Pleitenserie hat ihn ebenfalls nicht ungerührt gelassen. Vor allem das Abschneiden der Vereine in der Europa League gibt ihm zu denken. Dass die Klubs den Fokus auf die Liga legen, kann er verstehen, aber er ruft dazu auf, "die Europa League mindestens so ernst zu nehmen". Schließlich werden auch hier jene Punkte eingesammelt, die sich in der Fünfjahreswertung niederschlagen, die wiederum über die direkten Startplätze in der Goldgrube Champions League entscheidet. Hertha BSC zum Beispiel schonte zuletzt in der Europa League Stammspieler, damit die beste Mannschaft gegen die Bayern in der Liga ein Pünktchen gewinnen konnte. "Wenn Menschen irgendwann nicht mehr den Eindruck haben, sie sehen richtig guten Fußball, wird das eine Rückkopplung auf die Bundesliga haben", glaubt Seifert.

Für Löw liegt das Problem wesentlich tiefer. Der Bundestrainer mahnt vor Bequemlichkeit, das tut er ohnehin gern. Er sagt: "Es gibt Gründe dafür, dass es so ist. Darüber sollte man sich Gedanken machen. Das machen mein Trainerteam und ich schon seit vielen Jahren." Löw fordert die Bundesliga auf, über den Horizont des eigenen Wohlstands hinweg auf die Trends im internationalen Fußball zu schauen. Er klingt dabei, als wolle er jeden Bundesliga-Chefscout an den Ohren ins Ausland ziehen. Und er widerspricht der seit Confed-Cup-Erfolg und EM-Sieg der U21 verbreiteten Meinung, Deutschland sei mit Talenten gesegnet wie kein anderes Land auf der Erde. "Auch in England, Spanien und Frankreich gibt es Talente auf Topniveau", betont der Weltmeister-Coach.

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Dennoch hat es die Bundesliga nicht etwa nur deshalb schwerer im internationalen Vergleich, weil die Spieler zu satt sind, weil die Auslastung der Stadien blind macht für die Leistung auf dem Rasen und weil anderswo auch begabter Nachwuchs heranwächst. Der deutschen Liga fällt es schwerer, die herausragenden Spieler im Land zu halten. Selbst die Bayern, der einzige Klub, der finanziell einigermaßen mithält mit dem Geldadel Europas, können keine 222 Millionen Euro für einen Spieler zahlen, wie es Paris im Fall Neymar getan hat. Den Bayern ist es nicht einmal gelungen, Toni Kroos zu halten. Leroy Sané ist früh von Schalke zu Manchester City gewechselt, selbst die zweite Verteidiger-Reihe der Nationalelf (Antonio Rüdiger, Skhodran Mustafi) spielt in England.

Hält der Trend, dass die Besten hier nicht mehr bezahlbar sind - worauf einiges hindeutet -, dann wird es künftig häufiger Niederlagen in den internationalen Wettbewerben geben. Es sei denn, die deutschen Scouts finden auf ihren Reisen um den Globus das taktische Ei des Kolumbus - oder neue Geldquellen. Aber dafür sind ja wieder Seiferts Kollegen in der Geschäftsführung der Klubs zuständig. Und auch hier ist die englische Premier League längst auf und davon.

(pet)
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