Eklat nach Klitschkos Sieg Chisora ist weit weg von einem Champion

München · Ein Sehnenanriss in der linken Schulter schwächt Witali, doch der 40-Jährige bleibt WBC-Weltmeister. Verlierer Chisora, vor dem Kampf als Provokateur aufgefallen, prügelt sich nach dem Fight mit Landsmann Haye.

Klitschko-Kampf: Eklat zwischen Haye und Chisora
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Klitschko-Kampf: Eklat zwischen Haye und Chisora

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Witali Klitschko (40) sitzt auf dem Podium und schnauft gewaltig. Kurz zuvor hat er den Kampf um die WBC-WM im Schwergewicht gegen den Briten Dereck Chisora (28) gewonnen. Der Box-Profi aus der sagt: "Ich bin glücklich und unglücklich zugleich. Glücklich, weil ich meinen Titel verteidigt habe. Unglücklich, weil ich Dereck nicht die Abrechnung gegeben habe, die er verdient hätte. Er hat einen starken Kampf abgeliefert, ist ständig nach vorne marschiert. Deshalb habe ich sportlich großen Respekt. Menschlich aber bin ich zutiefst angewidert von ihm."

Der Herausforderer hatte ihn beim Wiegen am Tag vor dem Kampf eine Ohrfeige verpasst, unmittelbar vor Beginn des Kampfes hat er Witalis Bruder Wladimir (35) im Ring Wasser ins Gesicht gespuckt. Das alles hätte schon ausgereicht, um sich ein Urteil über Chisoras Charakter zu machen. Es sollte aber noch schlimmer kommen.

Was passierte auf der Pressekonferenz?

Gegen 1.30 Uhr in der Nacht läuft alles aus dem Ruder. Chisoras Landsmann David Haye, als Co-Kommentator des britischen Senders Box Nation am Ring, ist auch bei der Pressekonferenz dabei. Als die Rede auf einen möglichen WM-Kampf Hayes gegen Witali Klitschko kommt, entwickelt sich zunächst ein Wortgefecht zwischen Klitschko-Promoter Bernd Bönte und Haye, der vehement auf eine Kampf gegen den WBC-Champion pocht. Chisoaras Manager Frank Warren verlangt von Haye, zunächst gegen seinen Schützling anzutreten, der Gewinner solle dann Klitschko herausfordern dürfen. Ex-Weltmeister Haye hat dafür nur Spot über. "Du hast dreimal verloren, du bist ein Loser", brüllt Haye in Richtung seines Landsmannes. Der lässt sich nicht weiter bitten und stürmt auf den Ex-Weltmeister zu.

Es werden nicht lange Argumente ausgetauscht. Haye schlägt mit einer Flasche Aloha-Brause auf seinen Widersacher ein, der zerrt ihn zu Boden. Beide prügeln wie wild aufeinander ein. Der 31-jährige Haye schnappt sich sogar das Stativ einer Kamera und wirft es auf Chisora. Rund 80 Journalisten im Saal versuchen sich so gut es geht in Sicherheit zu bringen. Nach eineinhalb Minuten gelingt es endlich Sicherheitskräften, die Streithähne zu trennen. Haye stürmt aus dem Raum im Olympiapark, sein Manager Adam Booth hat eine Platzwunde am Kopf davongetragen und blutet stark. Chisora kann sich noch immer nicht beruhigen und ruft Haye hinterher: "Ich werde dich töten, ich werde dich erschießen, ich schwöre, ich werde dich erschießen. Ich werde dich verbrennen."

Wladimir Klitschko, der Haye im Juli 2011 in Hamburg bezwungen hatte, steht auf einem Stuhl und sieht fassungslos zu. "Das sind Kriminelle", sagt er dieser Zeitung. "Natürlich werden wir sie Anzeigen. Es wird nicht bei einem Vorwurf bleiben. Da ist einiges zusammengekommen." Das sieht wohl auch die Polizei so. Chisora wurde am Sonntagmorgen am Flughafen München abgefangen und zu einer Vernehmung abgeführt, am Abend aber wieder auf freien Fuß gesetzt.

Fahndung nach Haye

David Haye konnte noch nicht ermittelt werden, die Behörden fahnden nach ihm. Neben dem Ärger mit der deutschen Justiz wird es auch eine Aufarbeitung durch die Sportverbände geben. Eine langjährige Sperre wegen unwürdigem Verhaltens kommt in Betracht. Fritz Sdunek, Trainer der Klitschkos, hat sein Urteil schon gefällt. "Das sind zwei Asoziale", sagt er. "Die haben nichts in diesem Geschäft zu suchen. Eine absolute Schande."

Chisora zumindest hatte sportlich ganz viel in München zu suchen. Er präsentierte sich über zwölf Runden als äußerst ambitionierter Gegner für Witali Klitschko, der zu Protokoll gab, durch eine Verletzung ab der vierten Runde gehandicapt gewesen zu sein; die Kernspintomografie ergab einen Sehnenanriss in der linken Schulter: "Ich konnte nur noch mit einer Hand boxen. Ich brauche meine Linke, um den Gegner zu kontrollieren."

Chisora nutzte die Chance. Viele hatten nicht mit einem so starken Auftritt des 28-Jährigen gegen den zwölf Jahre älteren Champion aus der Ukraine gerechnet. Die Punktrichter votierten deutlich für Klitschko — 118:110, 118:110, 119:111. Dereck Chisora sagt: "Das Einzige, was mich geschlagen hat, ist seine Erfahrung."

Tatsächlich aber fehlt es ihm an so sehr viel mehr, um irgendwann einmal ein Champion zu werden.

(RP/chk/csi/jre)
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