Box-Weltmeister Charr hat wenig Chancen auf deutschen Pass

Köln/Berlin · Nachdem Manuel Charr zugegeben hat, dass er keinen deutschen Pass hat, steckt der Box-Weltmeister weiter in der Klemme. Er will nun einen neuen Versuch starten, die deutsche Staatsbürgerschaft zu bekommen.

Boxen: Manuel Charr schlägt Alexander Ustinow
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Manuel Charr schlägt Alexander Ustinow

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Foto: dpa, gki

Die Einsicht kam sehr spät. Nach tagelangen Täuschungsmanövern und öffentlichem Druck hat Manuel Charr endlich die Wahrheit gesagt. Auf dem Papier war der Box-Weltmeister nie Deutscher, gerne aber will er es werden - trotzdem wird es dazu wohl nicht kommen. Die Marke "erster deutscher Schwergewichts-Champion seit Max Schmeling" ist seit Charrs Geständnis vom Mittwoch sowieso futsch. Trotzdem führt der 33-Jährige den fast aussichtslosen Kampf um den deutschen Pass.

"Ich hoffe, dass ich meine erste Titelverteidigung dann schon als deutscher Staatsbürger bestreiten kann", sagte er. Bis Ende März also, wenn Charr gegen den 44-jährigen Puerto Ricaner Fres Oquendo antreten soll. Die Schuldigen für die Pass-Posse hatte er schnell gefunden. Seine Anwälte hätten zuvor alle behördlichen Angelegenheiten geregelt und ihm die Existenz eines Passes versichert. "Diesmal werde ich mich selber um den Pass bemühen und das nicht mehr anderen Leuten überlassen", sagte der WBA-Champion.

Einfach wird der neuerliche Antrag nicht. Der erste Versuch war 2015 abschlägig beschieden worden. Und auch beim zweiten Anlauf steht wohl unter anderem die kriminelle Vergangenheit Charrs im Weg. Zusätzlich könnten das Verwirrspiel und Charrs widersprüchliche Angaben einen möglichen Antragsprozess erschweren.

Sowohl in einem Interview mit der "Bild"-Zeitung Anfang der Woche als auch bei Sky Sport News HD am Dienstag hatte er beteuert, über ein gültiges deutsches Ausweisdokument zu verfügen. Im "Express" bestätigte er am Mittwoch jedoch, keinen deutschen Pass zu besitzen. Auch der SID hatte erfahren, dass in Köln kein deutscher Pass für Charr vorliege.

Doch zumindest in Sachen TV-Vertrag kann sich der im Libanon geborene Faustkämpfer vorerst entspannen. "Für uns steht immer der Sport im Vordergrund", teilte Sky dem SID am Donnerstag mit. Der TV-Sender hatte Charrs WM-Fight gegen den Russen Alexander Ustinow am vergangenen Samstag übertragen. Eine Einigung über weitere Kämpfe gibt es noch nicht.

RTL betonte indes, dass für den Sender eine Zusammenarbeit mit Charr nicht infrage käme. Der Kölner Privatsender kann auf langjährige Erfahrungen im Profiboxen verweisen. RTL übertrug jahrelang die Kämpfe der Klitschko-Brüder.

Dass der Wirbel um Charr mögliche TV-Verhandlungen beeinflusst, hofft sein Manager Christian Jäger nicht: "Ich würde es extrem schade finden, wenn es den Ausschlag geben würde. Denn der Sport sollte im Vordergrund stehen. Manuel Charr ist hier nach wie vor unglaublich beliebt, weil er im Herzen ein Deutscher ist."

In der Boxwelt hinterließ die Causa Charr einen faden Beigeschmack. "Das ist für den Boxsport nicht dienlich", sagte Kult-Trainer Ulli Wegner dem SID. Für Thomas Pütz, Präsident des Bundes Deutscher Berufsboxer (BDB), ist Charr in Medienfragen falsch beraten worden. "Er hätte sich den Schmeling-Vergleich sparen sollen", sagte Pütz dem SID.

Für den Erhalt der Boxlizenz beim BDB sei die deutsche Staatsbürgerschaft keine Voraussetzung, stellte Pütz klar. "Wir überprüfen, ob der Boxer fit ist und ob er die nötige Klasse hat. Deshalb hat Manuel bei uns auch die Lizenz erhalten. Genauso wie Wladimir Klitschko, der auch kein deutscher Staatsbürger war", meinte Pütz.

(areh/sid)
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