Wetzlar Bergischem HC gelingt Sensation in der Handball-Bundesliga

Wetzlar · In der Pause der Partie der Handball-Bundesliga bei der HSG Wetzlar steht beim Bergischen HC Torhüter Björgvin Gustavsson alleine auf seiner Seite des Spielfeldes. Normalerweise würden nun einige Ersatzspieler auf ihn werfen, aber das ist diesmal nicht möglich. Der BHC hat keine Ersatzspieler. Alle sind an diesem Abend wichtig, um den Plan von Trainer Sebastian Hinze umzusetzen. Alle sind also in der Kabine. Bis auf Gustavsson. Der vertreibt sich die Zeit mit Dehnübungen und einem Selfie mit Fans.

Zu diesem Zeitpunkt führt Wetzlar mit 9:8. Nur mit 9:8. Denn der BHC ist nicht nur als Tabellenletzter angereist, er hat auch derart massive Personalsorgen, dass der Sportliche Leiter Viktor Szilágyi seit rund zehn Tagen Verstärkung sucht. Mit sieben Rückraumspielern für drei Positionen ist der Klub in die Saison gestartet, in Wetzlar sind nur noch zwei Mittelmänner fit, der Rest fällt verletzt aus. Als sich am Freitagmorgen in Maximilian Hermann der dritte Linkshänder für den Rückraum mit einer Darm-Entzündung abmeldet, greift der BHC zu einem ungewöhnlichen Mittel: Er reaktiviert Szilágyi, der im Sommer seine Karriere beendet hatte, so dass man immerhin mit drei Rückraumspielern in Wetzlar antreten kann. Allerdings sind es drei Mittelmänner.

Doch Trainer Hinze hat sich einiges einfallen lassen. Gustavsson, der nach der Pause kommt und mit zehn Paraden überragt, spricht später von einem "geilen Plan" und macht seinem Trainer ein "Riesenkompliment". Darin schließt er Szilágyi ein, den "einzigen Sportlichen Leiter der Liga, der das kann". Gemeint ist, dass der 38-Jährige rund 50 Minuten durchspielte, obwohl er kaum noch im Training ist, und dabei das Spiel für die Gäste entschied: Vor allem dank seiner sieben Treffer und vielen Vorlagen feiert der BHC einen 22:20-Sieg, der durch die Begleitumstände eine Sensation ist.

Der Baumeister dahinter ist aber Hinze. Der Coach, der unlängst seine Prüfung zum EHF-Master, der höchsten Trainerausbildung im Handball überhaupt, absolviert hat, hat dem BHC ein Konzept für diese Partie verpasst, das Wetzlar nicht knacken kann. Eine nach halbrechts versetzte und offensive 5:1-, beziehungsweise 3:3-Abwehr zieht den Gastgebern den Zahn, aus dem Rückraum erzielen sie kaum Tore. Selber im Angriff spielt der BHC lange und wartet darauf, dass Wetzlar unruhig wird. Hält sich ein Spieler nicht an diese Vorgabe, nimmt Hinze ihn vom Feld. Und als es nach der Pause einen 8:12-Rückstand gibt, setzt der Trainer auf den siebten Feldspieler, indem er den Torhüter vom Platz nimmt - diese Maßnahme geht voll auf. "Ich habe großen Respekt vor dem Trainer", sagt Szilágyi. "Es war keine leichte Aufgabe, taktische Mittel zu finden für diese Mannschaft, aber er hat sie gefunden." Und so feierte der Außenseiter seinen ersten Saisonsieg.

(ame)
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