Tischtennis-WM Chinas bewusster Geheimnisverrat

Düsseldorf · Die Volksrepublik dominiert den Tischtennissport. Nun will man etwas Know-how an andere Nationen weitergeben.

 Der Chinese Ma Long beim Aufschlag.

Der Chinese Ma Long beim Aufschlag.

Foto: dpa, ve fpt

73 von 80. So viele Goldmedaillen gewann China bei den vergangenen zehn Tischtennis-Weltmeisterschaften. Das sagt alles aus, über ein Land, das eine Sportart völlig im Griff hat. Und auch in Düsseldorf stellt sich derzeit eigentlich nur die Frage, welche Chinesen denn am Ende ganz oben auf dem Treppchen stehen. In den Einzelwettbewerben gilt: Es braucht ein Wunder, um Ma Long oder Ding Ning zu besiegen.

Der deutsche Fußball hat im vergangenen Jahrzehnt einen Standard in der Nachwuchsarbeit geschaffen, um den ihn die ganze Welt beneidet. Im Tischtennis sind die Chinesen bei der Förderung von Talenten das Maß aller Dinge. Das Spezielle: In einem strikt organisierten System arbeiten alle darauf hin, Superstars auszubilden. Es geht nicht darum, den besten Spieler in der jeweiligen Altersgruppe zu haben, sondern einzig darum, jedes Talent darauf vorzubereiten, die Nummer eins der Welt werden zu können.

Von solchen Zuständen sind die Europäer weit entfernt. Bundestrainer Jörg Roßkopf erklärt, dass ein chinesisches Kind schon Millionen Mal den Vorhandschlag geübt hat, bevor ein Deutscher erstmals den Schläger in die Hand nimmt. "Wenn ein Spieler mit 18 Jahren zu mir in den Kader kommt, hat er noch technische Probleme. Das gibt es in China nicht. Ein Chinese kann mit 18 Jahren Weltmeister werden. Das kann keiner von unseren Jungs", sagt Roßkopf.

Dazu kommt die schier unbegrenzte Auswahl an Talenten. Im mit 1,37 Milliarden Einwohnern bevölkerungsreichsten Staat der Erde ist Tischtennis Volkssport. Weltverbands-Präsident Thomas Weikert erklärt: "Die Anzahl der Trainer ist höher, die Quantität des Trainings ist höher und die finanziellen Mittel sind riesig. Die Chinesen sind nicht schuld, dass sie so gut sind. Dann müssen die anderen Nationen eben härter arbeiten und sich um bessere Finanzierung kümmern."

Jörg Roßkopf nennt die Dominanz der Chinesen "Kernproblem" seiner Sportart. "Du spielst und weißt, am Ende gewinnt ein Chinese. Es gibt nichts Langweiligeres für eine Sportart, als solch eine dominante Nation", sagt der Coach. Diese Sicht haben die Chinesen wohl mittlerweile akzeptiert. "Vielleicht ist es für den Chinesen auch langweilig, wenn Ma Long mal wieder gegen Zhang Jike im Endspiel steht", sagt Weikert. "Ma Long gegen Dimitrij Ovtcharov wäre vielleicht interessanter. Dann will der chinesische Verband zwar immer noch gewinnen, aber es würde der Popularität des Sports guttun."

Ein Indiz für diese These ist, dass sich die Herrscher der Tischtennis-Welt nun etwas öffnen. Mit dem Projekt "Made by china" geben sie ab 2018 zumindest Teile ihres Know-hows weiter. Der Weltverband ITTF investiert dafür eine Million Euro. Talentierte Spieler sollen dann für drei Monate oder länger in Shanghai leben und dort am China Table Tennis College von den besten Trainern gefördert werden.

Primär geht es bei dem Projekt aber darum, Tischtennis-Entwicklungsländern zu helfen. "Es ist generell aber nicht gesagt, dass auch junge Talente aus Deutschland oder Japan davon profitieren könnten", sagt Weikert. Eine Zweigstelle der chinesischen Akademie gibt es bereits in Luxemburg. Bisher hat der deutsche Verband aber die Erfahrung gemacht, dass die Bedingungen zuhause im Deutschen Tischtennis-Zentrum in Düsseldorf nicht schlechter sind als in der chinesischen Dependance in Luxemburg.

Deshalb begrüßt Roßkopf das Projekt zwar, glaubt aber daran, dass eher Länder weiter hinten in der Weltrangliste als Deutschland davon profitieren werden. "Was uns helfen würde, wäre, wenn China seine Topspieler für ein paar Wochen zum Training zu uns schicken würde, oder wir zum Training zu ihnen reisen", sagt Roßkopf. "Das wird aber nicht passieren."

Und so liegt die Vermutung nahe, dass "Made by China" in der Weltspitze wohl kaum zu großen Veränderungen führen wird.

(erer)
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