Deutsche Schwimm-Meisterschaften Heintz nach deutschem Rekord im Vorlauf "sprachlos"

Philip Heintz hat bei der Schwimm-DM in Berlin mit seinem deutschen Rekord über 200 m Lagen für einen Paukenschlag gesorgt. Bei Olympia war nur US-Superstar Michael Phelps schneller.

 Der deutsche Schwimmer Philip Heintz bei den Olympischen Spielen in Rio de Janeiro.

Der deutsche Schwimmer Philip Heintz bei den Olympischen Spielen in Rio de Janeiro.

Foto: dpa, kno nic

Nach dem Anschlag drehte sich Philip Heintz zur Anzeigetafel - und dann brach es aus ihm heraus. "Wow!", schrie der Olympiasechste, er riss sich die Badekappe vom Kopf und schlug mit der Faust aufs Wasser. Und an Land bekam er das Grinsen nicht mehr aus seinem Gesicht.

"Ich bin ein bisschen sprachlos", sagte der 26 Jahre alte Heidelberger nach seinem deutschen Rekord bei der Schwimm-DM in Berlin im Vorlauf über 200 m Lagen in sensationellen 1:56,59 Minuten: "Ich habe mir ehrlich gesagt Sorgen gemacht, dass ich die Vorlaufnorm für die WM nicht schaffe, weil ich mich so schlecht gefühlt habe."

Das fast schon traditionell schlechte Gefühl täuschte den Kurzbahn-Vizeweltmeister auch diesmal. Mit seiner Vorlaufzeit blieb Heintz nicht nur deutlich unter der ersten Norm für die Weltmeisterschaft im Juli in Budapest, er schwamm auch auf Rang drei der aktuellen Weltrangliste. Und wäre Heintz bei Olympia in Rio so schnell unterwegs gewesen, hätte er dort Silber gewonnen. Nur US-Superstar Michael Phelps war damals schneller.

"Das wird ihn irgendwann motivieren, aber im Moment findet er das sicher tierisch ärgerlich", sagte Bundestrainer Henning Lambertz, der dennoch schwärmte: "Chapeau, das war ganz großer Sport! Und die Zeit ist natürlich 'ne Bombe! Damit kann er bei der WM um die Medaillen kämpfen."

Doch Heintz will mehr, er will bei Olympia 2020 aufs Treppchen. Dafür peilt er auf seiner Paradestrecke 200 m Lagen eine Zeit von unter 1:56,00 Minuten an. "Das wird zur WM wohl noch nichts, aber ich habe ja noch drei Jahre Zeit", sagte Heintz, der sich durch die verstärkte Arbeit an seiner Renngeschwindigkeit vor allem auf der Rückenstrecke verbessert hat.

Lange hatte Heintz überlegt, ob er überhaupt weitermachen soll. Nachdem der BWL-Fernstudent aber einen Arbeitgeber im Finanzwesen gefunden hat, der ihm alle Freiheiten für das intensive Training lässt und nach der Karriere übernehmen will, gab Heintz grünes Licht für Tokio 2020. Auch die höchst erfolgreiche Kurzbahn-Saison im Winter hat ihn überzeugt. Dort war Heintz konstant weltklasse, obwohl er sich "dauerhaft schlecht gefühlt" habe.

In Berlin ist Heintz auch aus dem Schatten von Brust-Weltmeister Marco Koch geschwommen, der aufgrund einer Trainingsumstellung zurzeit etwas schwächelt. Einen zweiten Vorschwimmer kann das deutsche Team nach dem Rücktritt von Weltrekordler Paul Biedermann gut gebrauchen.

Auch abseits des Beckens taugt Heintz zum Vorbild. Der gebürtige Mannheimer ist offen, selbstbewusst - und mitunter auch kritisch. Nach Olympia rechnete er mit dem deutschen Sportsystem ab. Aufgrund der schlechten Bedingungen fühle er sich im internationalen Vergleich wie "ein Kreisligist gegen einen Champions-League-Teilnehmer", sagte Heintz: "Vier Jahre lang interessiert sich keiner für uns, und bei Olympia müssen wir plötzlich Medaillen holen. Wo sollen die denn herkommen? Mir tut dieses System weh."

(sid)
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