Erfolgspferd von Olympiasieger Jung Kumpel Sam

Düsseldorf/Horb · Auf dem Wallach gewinnt Vielseitigkeitsreiter Michael Jung dreimal Olympisches Gold. Nun geht Sam in Vorruhestand - mit 17 Jahren. Das Porträt eines Pferdes, auf das die Konkurrenz mit Respekt, zuweilen aber auch neidisch schaut.

 Michael Jung auf Sam bei den Olympischen Spielen 2012 in London.

Michael Jung auf Sam bei den Olympischen Spielen 2012 in London.

Foto: afp, JOHN MACDOUGALL

William Fox-Pitt ist schon lange Vielseitigkeitsreiter. An fünf Olympischen Spielen nahm der 48-jährige Brite bislang teil, gewann drei Medaillen. Er hat viele Konkurrenten erlebt und deren Pferde. Aber als er gefragt wurde, welches Pferd er am liebsten besäße, musste der Mann aus Dorset nicht überlegen. "Sam. Und ich würde ihn sofort auf die Weide stellen, damit er uns nicht mehr gefährlich werden kann." Diese Antwort sagt viel aus über Sam. Den Württemberger Wallach, auf dessen Rücken Michael Jung zum anerkannt besten Reiter der Welt avancierte. Sam und Jung - gegen dieses Duo war oft genug kein Gras gewachsen. Für Fox-Pitt und seine Briten nicht, für andere auch nicht. Nun schickt Jung sein Erfolgspferd in Vorruhestand. Mit 17 Jahren.

"Ich habe entschieden, dass ich mit Sam nie wieder ein Championat gehen werde. Denn im Mannschafts-Wettbewerb muss sich das Team auf mich und mein Pferd verlassen. Sam ist ein Lebewesen - und ich will ihn deshalb aus dem Druck rausnehmen", sagt der 35-Jährige aus Horb am Neckar, nachdem er einen Wettbewerb wegen einer Verletzung Sams hatte aufgeben müssen.

Es ist mehr als eine private Entscheidung. Es markiert eine Zäsur im internationalen Reitsport. Denn in Sam tritt ein vierbeiniger Star kürzer. Und ein ganz eigener Charakter. Aufgewachsen auf der schwäbischen Alb und anfänglich zum Jagdpferd auserkoren. Der Vater hieß "Stan the Man", die Mutter "Halla", obwohl der Name in Erinnerung an Hans Günter Winklers legendäre Stute nicht mehr vergeben werden sollte. Auf der Höhe der Alb, heißt es, habe Sam die Grundlagen für sein späteres Können gelegt: großes Lungenvolumen und kräftige Beine.

Dazu gesellt sich sein Dickschädel. Der nicht immer so will, wie andere wollen. Sensibel, schreckhaft, dabei aber explosiv im Temperament. Zu Michael Jung baut er schnell Vertrauen auf. In den Jahren kommen nicht viele weitere Vertraute hinzu. Schmied und Tierarzt sollen deswegen auch heute noch gut daran tun, sich Sam nur zu widmen, wenn jemand dabei ist, den er kennt.

Dass Sam - voller Name: "La Biosthetique Sam" - und "Michi" ein Erfolgsteam werden würden, steht zwischenzeitlich auf der Kippe, weil es Differenzen mit der früheren Besitzerin gibt. Erst 2011 herrscht Klarheit. Sams Wert wird auf 766.666,66 Euro festgeschrieben. 47 Prozent gehören dem Deutschen Olympiade-Komitee für Reiterei, 40 Prozent Familie Jung und 13 Prozent dem Mäzen Erich Single. Der sagt, Sam sei "ein Pferd, wie man es im Leben nur einmal findet". Dass es ein Pferd mit Herzfehler ist, wie eine Untersuchung wenig später ergibt, tut dem Leistungsvermögen keinen Abbruch. Spätestens seit dem Doppel-Gold von Olympia 2012 in London gelten Jung und Sam als das Maß aller Dinge. Weltweit. 2016 in Rio folgt noch einmal Einzelgold - und danach ein zügiger Rückflug, weil Sam, so Jung, seine Koppel im Schwarzwald vermisse. Das brasilianische Gras schmecke ihm nicht. Auf besagter Koppel steht Sam übrigens in der Regel alleine. Er hat es nicht so mit zu viel Gesellschaft.

"Die Wahrheit ist: Dieser Sam ist schwierig zu reiten", sagt Bundestrainer Hans Melzer. Auch Reitmeister Jung gibt zu: "Man kann Sam mit den anderen Pferden nicht vergleichen." Pferden, die aber auch nicht so erfolgreich waren. Wie er, der am Tag der Geländeprüfung nicht zu früh merken darf, dass die Geländeprüfung ansteht, weil er dann kaum noch zu beruhigen ist. Jung und seine Mitarbeiter wissen eben, wie sie ihren Schützling zu nehmen haben. "Es ist ein großer Verdienst für das ganze Team von Michael Jung, dass Sam so lange auf dem höchsten Niveau gewonnen hat", sagt der Neuseeländer Sir Mark Todd (61), zweimaliger Olympiasieger, und "Reiter des 20. Jahrhunderts", unserer Redaktion.

Ganz aufhören mit dem Gewinnen soll Sam ja auch nicht. "Er liebt den Wettkampf, deswegen wird er einige Wettbewerbe gehen", sagt Jung. So plant er einen Einsatz bei der berühmten Vier-Sterne-Prüfung Anfang Mai im englischen Badminton.

Die Briten freuen sich wahrscheinlich schon.

(klü)
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