Reitevent in Aachen Erst CHIO, dann Rio

Aachen · Der 21 Jahre alte Dressurreiter Sönke Rothenberger hat es in den A-Kader der Nationalmannschaft geschafft. Sein großer Traum ist Olympia.

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Foto: dpa, ve hpl

Vor jedem großen Wettkampf macht Sönke Rothenberger mit seinem Hengst Cosmo noch mal einen Spaziergang über das Prüfungsviereck. "Damit sich Cosmo daran gewöhnt", sagt der 21-Jährige. Dann laufen die beiden nebeneinander her, haben noch mal ein bisschen Zeit mit- und füreinander. Der Sattel bleibt bei der letzten Runde im Stall. "Das braucht er", sagt der Dressur-Reiter. Der neunjährige Hengst stehe nämlich gerne im Mittelpunkt, "er ist ein Clown und hält alle auf Trab", sagt Rothenberger. Beim CHIO, dem größten Reitsportevent Deutschlands, das ab Freitag bis zum 17. Juli in Aachen stattfindet, will er sich mit seinem Dressurfpferd für die Olympischen Spiele in Rio qualifizieren.

Sönke Rothenberger und Cosmo sind die Dressur-Shootingstars des Reitsports. Bei der Deutschen Meisterschaft im sauerländischen Balve Anfang Juni sicherten sie sich Rang vier in der Kür. Mit diesem Ergebnis schafften die beiden den Sprung in den A-Kader der Nationalmannschaft. Und wenn jetzt in Aachen alles gut läuft, dann fahren sie mit großer Wahrscheinlichkeit auch nach Rio. "In die Top 10 sollten wir kommen. Eigentlich sind die Top 5 drin", sagt der Dressurreiter. "Und die Top 3 wären super", fügt er bei der Pressekonferenz im Aachener Rathaus kurz vor Beginn des Turniers hinzu.

Verloren wirkt der 21-Jährige keineswegs neben Profis wie Springreitkollege Christian Ahlmann, der mit ihm auf dem Podium sitzt. Der Rummel um seine Person ist groß, ein Interview folgt auf das nächste. Aber Rothenberger beantwortet die Fragen mit einer Leichtigkeit und Gelassenheit, so als würde er seit Jahren nichts anderes machen. Und er liebt das, was er tut. Er muss es lieben. Freizeit hat er eigentlich keine, und manchmal ist er selbst überrascht, dass er alles irgendwie unter einen Hut bekommt. "Wichtig ist das Team, das hinter mir steht, und sich um die Tiere kümmert", sagt Rothenberger. So kann er neben dem Spitzensport noch studieren, International Business Administration an der Frankfurt School of Finance and Management. Ein Semester fehlt dem 21-Jährigen noch zum Bachelor. "Ich habe flexible Eltern, die spontane Trainingseinheiten einschieben und sehr verständnisvolle Freunde", sagt er. Sogar solche, die überhaupt nichts mit Pferden anfangen können.

In der Familie sieht das allerdings ganz anders aus. "Pferde stehen bei uns im Mittelpunkt", sagt er. Sein Vater Sven, gebürtiger Deutscher, und seine Mutter Gonnelien starteten 1996 gemeinsam bei den Olympischen Spielen in Atlanta und holten mit der niederländischen Mannschaft die Silbermedaille in der Dressur. "Für mich war aber immer klar, dass ich für Deutschland starten werde", sagt Rothenberger, der sowohl deutsch als auch niederländisch spricht.

Die ältere Schwester Sanneke (23 Jahre) ist dreifache U25-Europameisterin. "Gut, dass alle mitziehen. Für einen Außenseiter wäre es echt langweilig bei uns", sagt Rothenberger. Selbst seine Schwester Semmieke (16) ist schon voll eingespannt und gefühlt jedes zweite Wochenende auf einem anderen Turnier, an einem anderen Ort.

Aachen fühlt sich wie zu Hause an

Da fühlt sich Aachen schon fast wie nach Hause kommen an für Sönke Rothenberger. Das erste Mal war er dort, als er noch nicht einmal geboren war. "Meine Mutter war schwanger und übergab an meinen Vater einen Ehrenpreis", erzählt er. Viele Jahre saß er im Publikum beim CHIO oder wartete im Reiterbereich auf seine Eltern. 2015 ritt er schließlich selbst in die Arena ein. "Das war einmalig, wie es von den Zuschauerrängen geschallt hat."

Da hatte Rothenberger aber nicht auf Cosmo gesessen, sondern auf Favourit. "Er ist ein alter Hase im Geschäft", sagt Rothenberger. Ein Routinier, der dem jungen Dressurreiter Sicherheit gibt. Sie haben eine gute Beziehung, aber die zwischen Cosmo und ihm sei etwas ganz Besonderes. Einzigartig. Eigentlich war Cosmo für Semmieke gedacht, als die Familie ihn vor fünf Jahren in den Stall holte. "Zwischen uns hatte es aber gleich Klick gemacht, und ich wusste vom ersten Tag an, dass Cosmo ein außergewöhnlich gutes Pferd ist", sagt Rothenberger. "Sein Temperament, seine Elastizität, er ist viel lebendiger als Favourit, und er lernt so schnell." Auch wenn ihm noch Fehler unterlaufen - "die mache ich auch", sagt der 21-Jährige.

Selbst wenn ihm bis zur Olympia-Teilnahme nicht mehr viel fehlt, darüber nachdenken will Sönke Rothenberger noch nicht. "Ich peile jedes Turnier einzeln an, jetzt sind wir erstmal in Aachen. Wir müssen eine gute Kür zeigen und gesund bleiben", sagt er.

Eine Runde werden Rothenberger und Cosmo dann noch mal drehen, bevor sie in die Arena einreiten und zu einem Song aus dem Film "Edge of Tomorrow" hoffentlich das Ticket für Rio lösen.

(RP)
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