Fecht-WM Max Hartung — ein cooler Typ

Dormagen · Max Hartung geht als Mit-Favorit in die Fechtweltmeisterschaften. Der 27-Jährige startet von Kindesbeinen an für den TSV Bayer Dormagen.

 Max Hartung mit seiner Goldmedaille.

Max Hartung mit seiner Goldmedaille.

Foto: Augusto Bizzi

Säbelfechter sind coole Typen. Das müssen sie auch sein, gilt es doch, auf der Planche in Bruchteilen von Sekunden Entscheidungen zu treffen, die über Sieg und Niederlage, über eine Medaille oder das sportliche Niemandsland entscheiden.

Max Hartung ist einer von diesen coolen Typen. Dabei wirkt der 27-Jährige ohne Dienstkleidung und Waffe wie der nette Junge von nebenan, der der betagten Nachbarin auch mal den Mülleimer rausträgt. Bei den am Mittwoch beginnenden Fecht-Weltmeisterschaften in Leipzig gehört der gebürtige Aachener, der von Kindesbeinen an für den TSV Bayer Dormagen startet, zu den Mitfavoriten im Säbelwettbewerb (Einzelentscheidung am 21. Juli, Mannschaftswettbewerb am 24. Juli).

Hartung zählt sich selbst zum "Kreis derjenigen, die um den Titel kämpfen". Schließlich gewann er beim letzten großen Test vor der WM, den Europameisterschaften vor drei Wochen, Gold, schlug dabei im Finale den Ungarn Aaron Szilagyi mit 15:7, was im Säbelfechten einer Demontage gleichkommt. Szilagyi ist Olympiasieger von London und Rio de Janeiro, Szilagyi führt die Weltrangliste an, auf der Hartung auf Platz sieben gelistet wird.

"Ihn zu schlagen, ist schon was Besonderes", sagt Hartung. Allerdings nicht so besonders, dass er deshalb eine Medaille in Leipzig schon sicher in der Tasche hätte. "Die Weltspitze ist unheimlich dicht beisammen", sagt der Dormagener - und zu der zählen gut zwei Dutzend Athleten. Da kann es schon mal passieren, dass Fechter wie er oder seine für die WM nominierten Vereinskollegen Matyas Szabo (Olympiaachter von Rio) und Benedikt Wagner (Europameister 2016) bei einem Weltcup- oder Grand-Prix-Turnier nicht mal die Vorschlussrunde der besten 16 erreichen.

In Leipzig soll das nicht passieren. Auch wenn Max Hartung sagt: "Jetzt, wo ich Europameister bin, ist die Ausgangsposition schwieriger geworden für mich." Schließlich würden sich alle Kontrahenten nun besonders auf ihn vorbereiten, seine Bewegungsabläufe, seine Paraden und Finten seit der EM noch genauer per Video studieren als sonst.

Druck verspürt der 27-Jährige deshalb keinen. Weder, weil die Titelkämpfe im eigenen Land stattfinden: "Das ist schön, da können Familie und Freunde live dabei sein." Noch, weil er als Mitfavorit anreist: "Das ist meine neunte Weltmeisterschaft, dazu die beiden Olympiateilnahmen, da ist man nicht mehr nervös." Vor drei Jahren gewann er im russischen Kasan mit einer rein Dormagener "Vereinsmannschaft" (Hartung, Wagner, Szabo und der inzwischen inaktive Nicolas Limbach) den Titel im Team-Wettbewerb, ein Jahr später in Moskau wurde es Bronze in Einzel und Mannschaft. Und schon 2009 wurde Hartung Junioren-Weltmeister - er schlug im Finale den ein Jahr jüngeren Aaron Szilagyi.

Druck könnte sich höchstens dadurch aufbauen, dass Max Hartung seit Februar ganz besonders im Fokus steht. Da wurde der Dormagener zum Vorsitzenden der Athletenkommission des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) gewählt, landläufig "Athletensprecher" genannt. Seither berichten Medien über ihn, die sich sonst kaum mit Fechten beschäftigen. Seither hetzt er von einer Sitzung zur nächsten, von Interviewtermin zu Podiumsdiskussion.

Schließlich herrschen dank der Leistungssportreform unruhige Zeiten im deutschen Sport. Und da ist einer wie Hartung, der seine Meinung sagt, ein gefragter Mann. Er findet das spannend. "Lieber aktiv mitgestalten, als eine solche Reform passiv über sich ergehen lassen", lautet sein Motto. Ganz so kritisch wie am Anfang steht er dem komplizierten Reformwerk nicht mehr gegenüber: "Ich bin nicht grundpessimistisch. Ich hoffe, dass es nach der Reform für die Athleten besser aussieht als vorher."

Zu dieser Meinung trägt bei, dass die Säbelfechter als die erfolgreichste Disziplin innerhalb des ansonsten arg gebeutelten Deutschen Fechterbundes von Einsparungen und Umstrukturierungen nicht so stark betroffen sind wie andere Waffengattungen. "Bei uns hat sich die Unruhe gelegt, nachdem klar war, dass der Bundesstützpunkt in Dormagen bleibt", sagt Hartung. Gleichwohl müsse es Härtefallregelungen geben für Athleten, die ihr Leben vollkommen neu organisieren und strukturieren müssen, weil ihr Leistungsstützpunkt verlegt, ihnen die Förderung gekürzt oder ganz gestrichen wird.

Wie sein Leben weitergeht, nachdem er sein Bachelorstudium im Fach Politik, Sozialwissenschaften und Oekonomie an der Zeppelin-Universität in Friedrichshafen abgeschlossen hat, weiß Hartung noch nicht. "Eigentlich wollte ich ja meinen Master machen, aber ich glaube, durch all die Verpflichtungen als Aktivensprecher fehlt mir die Zeit", sagt der 27-Jährige. Vor allem, weil er bis zu den Olympischen Spielen 2020 in Tokio weiter in der Weltspitze mitfechten will. Vielleicht bringt Leipzig ja neue Erkenntnisse - ob mit oder ohne Medaille. Schließlich muss er diese Entscheidung ja nicht im Bruchteil einer Sekunde treffen.

(RP)
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