Nächster Rücktritt Doping-Schlammschlacht wird immer schmutziger

Freiburg · Die Schlammschlacht im Freiburger Dopingsumpf wird immer schmutziger. Wegen gravierender interner Querelen ist am Montag auch der Rechtsexperte und Kriminologe Heinz Schöch aus der Evaluierungskommission Freiburger Sportmedizin zurückgetreten.

Seine scharfe Kritik an der Vorsitzenden Letizia Paoli und die Ankündigung weiterer "Alleingänge" stellen die saubere Aufarbeitung der womöglich dunklen Dopingvergangenheit des Fußballs und Radsports im beschaulichen Breisgau komplett infrage.

Geht es nach Schöch, der nach SID-Informationen zusammen mit dem bereits am Freitag zurückgetretenen Andreas Singler innerhalb der Kommission längst isoliert war, werden sein eigenes und auch Singlers Gutachten "alsbald" über den Weg des Rektorats veröffentlicht - ungeprüft von den weiteren Kommissionsmitgliedern.

Einer von Singlers Texten ist das Sondergutachten zum Radsport und Fußball. Die anderen befassen sich mit zwei Ärzten, den Schlüsselfiguren Armin Klümper und Joseph Keul. Dem Sport drohen die nächsten Skandale - hinter denen aber große Fragezeichen stehen würden.

"Es erscheint mir dringend notwendig, alles noch mal zu überprüfen", sagte Fritz Sörgel dem SID. Der Nürnberger Pharamkologe ist erst seit März 2015 Kommissionsmitglied und warnt nun die Universität vor "Schadensersatzforderungen bei nicht belastbaren Details" in den Gutachten. Die tiefen Grabenkämpfe innerhalb der Kommission gefährden die jahrelange, öffentlich finanzierte Expertenarbeit.

"Es ist für mich nicht mehr zu verantworten, über die Verschleppung der Kommissionsarbeit durch Frau Paoli den Mantel des Schweigens auszubreiten", schrieb Schöch in dem vierseitigen Papier und berichtete von "weitgehender Arbeitsunfähigkeit" der Kommission. Paoli tue "nichts dafür", dass die bisherigen "Erkenntnisse der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden".

Er habe "angesichts der intransparenten und teilweise konzeptionslosen Kommissionsleitung" ebenfalls schon seit längerem an Rücktritt gedacht, schrieb der Universitätsprofessor: "Ich wollte jedoch nichts unversucht lassen, um die bisherigen Arbeiten zum wissenschaftlichen und politischen Umfeld der Dopingproblematik abzuschließen, damit sie der Universität Freiburg und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden können."

Um dieses Ziel zu erreichen, schrieb Schöch, habe er "sogar kommissionsinterne ehrverletzende Diffamierungen durch Frau Paoli in Kauf genommen, die ich im normalen Leben wahrscheinlich als üble Nachrede und Beleidigung zur Anzeige gebracht hätte".

Erst am vergangenen Donnerstag hatte sich die Kommission in Freiburg getroffen und dabei auch die "Betroffenen" des Fußballs und Radsports zur Aussprache eingeladen. Diese waren durch einen ersten Alleingang Singlers am 2. März schwer belastet worden. Er hatte geschrieben, dass angeblich in den "späten 1970er und frühen 1980er Jahren" beim VfB Stuttgart "im größeren Umfang" und "wenn auch nur punktuell nachweisbar" auch beim damaligen Zweitligisten SC Freiburg Anabolika-Doping vorgenommen worden sei. Im Radsport sei es zu systematischem Doping gekommen.

Schöch verteidigte die vor allem von Paoli kritisierte Vorgehensweise Singlers. "Er hat seine Gewissensentscheidung überzeugend damit begründet, dass die Kommission von niemandem mehr ernst genommen würde, wenn Journalisten, die ebenfalls Zugang zu den Akten bekommen, Ergebnisse von solcher Tragweite zuerst veröffentlicht hätten", schrieb Schöch. Die weiteren Kommissionsmitglieder vertreten hingegen die Auffassung, dass es keinen Wettbewerb um die Aufarbeitung geben solle - Sorgfalt gehe vor.

"Wir hoffen, dass die Kommission ihren Auftrag erfüllt und bald belastbare Ergebnisse vorlegt", sagte Alfons Hörmann, Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB), dem SID: "Die Geschehnisse in Freiburg müssen aufgeklärt werden, um daraus wichtige Erkenntnisse für den weiteren klaren und konsequenten Anti-Doping-Kampf zu gewinnen."

(sid)
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