Syrischer Tischtennis-Trainer Die Flucht als Glück im Unglück

Düsseldorf · Der syrische Trainer Chris Yemenijian hat nach einem Jahr sein Ziel erreicht: die Tischtennis-Halle Borussia Düsseldorfs.

 Borussia-Geschäftsführer Jo Pörsch mit Chris Yemenijian und Manager Andreas Preuß (v.l.).

Borussia-Geschäftsführer Jo Pörsch mit Chris Yemenijian und Manager Andreas Preuß (v.l.).

Foto: Horstmüller

Als Chris Yemenijian drei Jahre alt ist, entscheidet sich seine Zukunft. 1998 legt ihm sein Großvater zum ersten Mal einen Tischtennisschläger in die Hand und begeistert ihn für das Spiel an der Platte. Wenige Kilometer entfernt treten Syriens Politiker in Aleppo mit den Nachbarstaaten auch an einen grünen Tisch. Einig werden sie sich aber nicht. Von da an ziehen sich Tischtennis und Krieg wie ein roter Faden durch sein Leben.

Mit sieben Jahren wechselt das Talent vom heimischen Garten ins "Studium Aleppo", dem Hauptsportzentrum des Landes. "Bis zu acht Stunden habe ich täglich trainiert", sagt Yemenijian. Weil der Tischtennissport in Syrien aber kaum verbreitet ist, zog die Familie in die libanesische Hauptstadt Beirut. Die sportlichen Bedingungen wurden professioneller, die Gegner stärker. Mit zwölf Jahren verließ er die Schule, machte später eine Ausbildung zum Elektromechaniker. Tischtennis blieb die Nummer eins. Ein Ligensystem gibt es in den arabischen Ländern nicht. Jährlich wird das "Tournament of Champions" ausgetragen. 2013 feierte er sein erfolgreichstes Jahr: sechs arabische Meisterschaftstitel hintereinander.

Bomben, Terror, Tod beendeten sein Sportmärchen. Yemenijian verkaufte sein Auto und machte sich mit 19.000 Dollar auf den Weg, um seinen Lebenstraum andernorts zu verwirklichen. "Dieser Klub war 13 Jahre lang mein Traum. Borussia Düsseldorf ist das Zentrum des europäischen Tischtennis. Die Schule, die Spieler, die Erfolge: Es ist der beste Klub der Welt."

Von Syrien in den Libanon, dann mit dem Flugzeug ins türkische Bodrum. Auf die Insel Kos, nach Athen, über Osteuropa nach Wien. "Die Schlepper kennt man, weil Leute ihre Namen auf Facebook veröffentlichen", sagt Yemenijian, der im August nach Deutschland kam. "Jede Überfahrt kostet zwischen 500 und 2000 Euro." Ob seine Geschichte wahr ist, ist nicht nachweisbar. Fakt ist, dass er über das nordrhein-westfälische Erstaufnahmelager in Erftstadt in die Landeshauptstadt gekommen ist.

"Mit dem Thema Tischtennis ist Chris in Erftstadt aufgefallen. Mit Hilfe der Stadt Düsseldorf haben wir dafür gesorgt, dass er herkommen kann", sagt Andreas Preuß, Manager von Borussia Düsseldorf. Bereits beim ersten Treffen in der Halle am Staufenplatz kannte der Flüchtling seinen Namen: "Er kannte viele von Borussia. Spieler und sogar einen ehemaligen Internatsschüler, der mit auf der Tribüne saß, weil er die Geschicke unseres Vereins seit Jahren verfolgt hatte", sagt Preuß. Erst in den letzten Wochen sei dem Manager wirklich klargeworden, wie bekannt die Borussia sogar im arabischen Raum ist.

Kontakt zu den Bundesliga-Profis hatte er bereits. Nun wartet der Syrer darauf, sein großes Vorbild Timo Boll kennenzulernen. "Die Flüchtlingskrise war wohl sein Glück im Unglück", sagt Geschäftsführer Jo Poersch. Der 20-jährige Syrer will bleiben. Der Verein will ihm die Chance geben: "Zuerst muss er Deutsch lernen. Perspektivisch könnte er hier als Trainer im geplanten Integrationsprojekt arbeiten." Bei dem Projekt geht es unter anderem um die Integration von Flüchtlingen und Migranten in die Gesellschaft.

(RP)
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