Weltregierung des Sports Das seltsame Gebilde IOC

Thomas Bach als neuer IOC-Präsident und die Olympischen Spiele 2020 in Tokio, Madrid oder Istanbul? Wer sind die Entscheider in Buenos Aires über wichtige Fragen des Weltsports? Ein Bericht über das seltsame Gebilde Internationales Olympisches Komitee.

Die wichtigsten Fragen zur IOC-Session 2013
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Foto: dpa, fru jhe

Wenn Joseph Blatter über das Internationale Olympische Komitee (IOC) spricht, beschreibt er es gern als "Club", der seine Haushalte unzureichend offenlegt und sich eher "wie eine Hausfrau" verhält. Nun ist der Boss des Fußball-Weltverbandes Fifa, seit 1999 im IOC, ganz und gar nicht die Personifizierung von Demokratie und Transparenz. Doch ein ganz unvergleichliches Gebilde ist es schon, dieses IOC, das sich 1981 zur führenden Kraft des Weltsports ausgerufen hat, durch seine Spiele Milliarden an Dollar umsetzt und nun am 10. September in Buenos Aires seinen neuen Anführer wählt — den neunten seiner nun 119-jährigen Geschichte.

Das ganz Besondere am IOC ist die, wie es Gründer Pierre de Coubertin nannte, "Selbstrekrutierung": Seine persönlichen Mitglieder als Entscheidungsträger selbst auszuwählen, sich also aus eigener Kraft fortzupflanzen, möglichst unabhängig von nationalem oder kontinentalem Proporz, politischen Vorgaben und ethnischer Herkunft. So hat es jedenfalls die dramatische Zeit der politischen Blockbildung überstehen können, als die Sowjetunion mit ihren Satelliten in den 70-er und 80-er Jahren darauf drängte, aus dem IOC eine Sport-UNO zu machen — ein Land, eine Stimme.

In der Gegenwart ein Zweck-Bündnis

Frei von gesellschaftlichen Grundströmungen und Zwängen war das IOC nie. Über viele Jahrzehnte hat es sich als Elite-Bund verstanden, als eine Ansammlung von Idealisten, Aristokraten, Akademikern und Experten, mit Bevorzugung des Adels und des Militärs. Jedes Mitglied sollte Botschafter des olympischen Sports in seinem Land sein.

Das IOC der Gegenwart ist zu einem Zweck-Bündnis geworden, Olympische Spiele möglichst großartig zu veranstalten und daraus den größtmöglichen wirtschaftlichen Nutzen zu ziehen. Inzwischen geben Banker, Firmenchefs und Manager den Ton mit an, zusammen mit den Chefs nationaler und internationaler Sportorganisationen, die von Gewinnmaximierung ebenfalls etwas verstehen. Aus dem Ringe-Orden der Amateure ist ein Profitcenter der Profis geworden, aus Unabhängigkeit eine Abhängigkeit vom Dollar.

Bis 1981 waren Frauen ausgeschlossen

Die Zusammensetzung der Vollversammlung wirkt ungewichtet und schwer durchschaubar. Schwer verständlich ist, warum die Schweiz gleich mit fünf Mitgliedern vertreten sein darf, 130 der 204 anerkannten Nationalen Olympischen Komitees als wichtigste Partner des IOC aber überhaupt nicht. Warum Europa mit allein 43 Stimmen sein großes Übergewicht auch im neuen Jahrhundert behalten durfte, obwohl sich doch die globalen Kräfteverhältnisse stark verändert haben. Warum die Frauen mit 21 Sitzen noch immer eine krasse Minderheit darstellen. Die Tatsache, dass sie bis 1981 ganz ausgeschlossen waren, reicht nicht als Erklärung.

Eine der vielen Reformen, die das IOC beim Großreinemachen nach dem Korruptionsskandal um den Olympia-Bewerber Salt Lake City 2000 beschloss, hat sich als fruchtbar erwiesen. Die Aufnahme einer 15-köpfigen Fraktion von "aktiven Sportlern" und die Senkung der Altersgrenze von neuen IOC-Mitgliedern von 80 auf 70 Jahren hat zu einer Verjüngungskur geführt. Der Durchschnitt von gegenwärtig 63,5 Jahren berechtigt nicht mehr zu der Kritik, das IOC sei ein olympisches Altersheim. Die Zahl der Olympiasieger im IOC ist gleichzeitig auf 19 gestiegen.

Der Adel blüht wieder auf

Verändert hat sich seit 2000 auch die Prozedur der Zuwahl zum IOC durch die Einsetzung einer Prüf- und Nominierungs-Kommission von Kandidaten. Autokrat Samaranch betrieb eine Personalpolitik nach eigenem Gutdünken. So ließ er 1994 den sieben Jahre später wegen Wirtschaftsverbrechen ausgeschlossenen indonesischen Holzbaron Bob Hasan und den ägyptischen General und Schwager von Ex-Präsident Husni Mubarak, Mounir Sabet, aufnehmen. Der war unter anderem durch Waffenhandel sagenhaft reich geworden, die Schweiz sperrte seine Konten wegen Geldwäsche. Sabet gehört dem IOC ebenso noch an wie Schamil Tarpischew. Der russische Davis-Cup-Kapitän war bei einem Kreml-Besuch von Samaranch eine direkte Empfehlung von Ex-Präsident Boris Jelzin, der mit Tarpischew Tennis übte.

In den vergangenen zwölf Jahren unter Rogge erstaunte, dass er dem Adel mit nunmehr einem Dutzend Sitzen im IOC zu neuer olympischer Blüte verhalf. In Prinz Naval Faisal Fahd (Saudi-Arabien), Prinz Faisal Al Hussein (Jordanien) und Prinzessin Haya Al Hussein (Vereinigte Arabische Emirate) ließ der IOC-Anführer Königliche Hoheiten aus Arabien aufnehmen — und dazu Dänemarks Kronprinz Frederik. Bei dessen Berufung 2009 in Kopenhagen empörte sich die dänische Presse und sprach ihm jede Befähigung für das Amt ab. Als König müsste Frederik dem Beispiel von Willem-Alexander folgen. Der frisch gewählte König der Niederlande wird in Buenos Aires auf eigenen Antrag als IOC-Mitglied entlassen.

(dpa)
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