Belastungsgrenzen im Sport Trainingsweltmeister und keinen interessiert's

Düsseldorf · Aufwand und Faninteresse stehen bei Sportarten häufig im Missverhältnis. Sportmedizinisch sind die Trainingsunterschiede erklärbar.

 Tischtennis-Profis wie Timo Boll stehen bis zum sechs Stunden am Tag an der Platte.

Tischtennis-Profis wie Timo Boll stehen bis zum sechs Stunden am Tag an der Platte.

Foto: dpa, moa

Jörg Roßkopf spricht aus, was viele denken. "Es schmunzeln doch alle Sportler über die angebliche Überbelastung der Fußballer", sagt der Tischtennis-Bundestrainer zum immer wiederkehrenden Gejammer der Kicker über einen ach so überladenen Terminkalender. "Ich habe mich schon immer gefragt, warum den Jungs nach 80, 90 Minuten die Luft wegbleibt." Roßkopf glaubt, höherer Aufwand im Training könnte die Lösung sein: "30 Minuten längere Einheiten dürften sich positiv auswirken. Nicht bei Champions-League-Teilnehmern, aber bei normalen Bundesligisten." Der 47-Jährige spricht aus der Warte einer Sportart, deren Athleten ein gänzlich anderes Pensum Woche für Woche absolvierten. Zum Vergleich: Um die 40 Stunden trainieren Tischtennis-Profis wöchentlich in der Halle, Fußballer stehen nur etwa 8,5 Stunden auf dem Trainingsplatz. Bei den Zuschauerzahlen und dementsprechend auch beim durchschnittlichen Gehalt liegen dann aber die Fußballer um ein Vielfaches vorne.

Orthopäde Ulf Blecker kann sich einen Vergleich aus sportmedizinischer Sicht erlauben. Als Mannschaftsarzt von Fußball-Zweitligist Fortuna Düsseldorf, Eishockey-Klub Düsseldorfer EG und als Betreuer der deutschen Fed-Cup-Damen im Tennis kennt er die Belastungsgrenzen von Akteuren verschiedener Sportarten. "Es sind komplett unterschiedliche Anforderungen der Sportarten", sagt Blecker. Dabei geht es vor allem darum, wie Gelenke, Muskeln, Sehnen und Bänder belastet werden. "Würden Fußballer die gleichen Zeitumfänge trainieren wie Tischtennisspieler, gäbe es wohl 20 Muskelfaserrisse in zwei Wochen", sagt der Sportmediziner. "Die Explosionskraft ist zu belastend für den Körper. Es geht somit um eine gesunde Balance zwischen Belastung und Regeneration. Das hat uns die Erfahrung der vergangenen Jahre in der Sportmedizin gezeigt." Ein Tischtennisspieler könne stundenlang an seinen technischen Fähigkeiten feilen, während sich ein Fußballer mit den Stollen auf dem Rasen und den ruckartigen Bewegungen ganz anderen Belastungen aussetzen würde.

Somit sieht der typische Trainingsplan eines nicht auf internationaler Bühne tätigen Fußball-Bundesligisten in der Regel eher gemütlich aus. Nach einem Spiel am Samstag geht es am Sonntag 60 Minuten zum lockeren Auslaufen. Der Montag ist frei zur Regeneration. Dienstag wird zwei Mal je 90 Minuten trainiert, Mittwoch, Donnerstag und Freitag je einmal anderthalb Stunden. Dazu kommen Krafttraining und Physiotherapie — das gilt aber auch für alle anderen Sportarten. Ein Tischtennis-Profi steht täglich fünf bis sechs Stunden an der Platte. Selbst am Spieltag wird zwei Stunden trainiert, um Abläufe zu automatisieren. "Es gibt wenige Sportarten, die so intensiv trainieren", sagt Roßkopf.

Es gibt aber sogar noch trainingsintensivere Sportarten. Synchronschwimmen zum Beispiel. Ein wichtiger Aspekt sind dabei Tauchfähigkeit und Atemtechnik. Professionelle Sportlerinnen trainieren acht bis zehn Stunden täglich. Triathleten trainieren nach Möglichkeit gar 365 Tage im Jahr: morgens zwei Stunden Schwimmen, vormittags vier Stunden Radfahren und am Abend 45 Minuten Laufen. Faris Al-Sultan, Ironman-Sieger 2005, beschrieb seine Motivation mal so: "Man will eigentlich bei jedem Schritt aufgeben, wenn du dann aber das Ziel vor Augen siehst, dann ist das all die Schmerzen, die Strapazen, die Qualen wert."

(erer)
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