Behindertensportler Niko Kappel "Wie kann der ein Kopfballtor erzielen?"

Katar · Kleiner Mann ganz groß: Seit vergangenen Samstag ist Niko Kappel Vize-Weltmeister. Er sitzt mit 20 schon im Gemeinderat. Und er ist ein erfolgreicher Bankkaufmann. Zusammengefasst: Der Schwabe ist ein Multitalent. Und das mit gerade einmal 1,40 Meter Körpergröße.

 Niko Kappel

Niko Kappel

Foto: afp, KJ/SH

Das hinderte den Tausendsassa aber nicht einmal daran, im Fußball Kopfballtore zu erzielen. "Einmal in der Jugend sogar von außerhalb des Strafraums", erzählt er im Gespräch mit dem Sport-Informations-Dienst (SID) und freut sich noch immer diebisch über die Reaktion des gegnerischen Trainers, der seine Spieler quer über das Spielfeld anbrüllte: "Wie kann der ein Kopfballtor erzielen?"

Die zum Glück seltenen Vorbehalte seiner Mitmenschen amüsieren Kappel. Weil es für ihn schlicht und einfach normal ist, etwas kleiner zu sein. "Ich habe keinerlei Nachteile", versichert er: "Wenn ich irgendwo nicht drankomme, hole ich mir eben einen Hocker. Ich kann genauso Sport machen wie andere auch. Und auch in meinem Job ist mir nie etwas Negatives aufgefallen. Die Leute sprechen mit mir wie mit anderen auch."

Und die besten Witze über seine Größe macht Kappel sowieso selbst. Auf dem Hinflug zu seiner ersten Leichtathletik-WM der Behindertensportler nach Katar postete er ein Foto, auf dem er selbst mit ausgestreckten Beinen nicht an den Vordersitz stieß und schrieb dazu: "Von wegen keine Beinfreiheit im Flugzeug."

Überhaupt ist der "Sonnenschein von Welzheim", wie ihn die Stuttgarter Zeitung nennt, eine Frohnatur von entwaffnendem Charme. "Meine Kollegen sagen, wenn ich mal einen Tag nicht lache, stimmt was nicht", erzählt er. Die Fröhlichkeit sei ihm schon in die Wiege gelegt worden: "Das habe ich, so glaube ich, von meinen Eltern. Das ist für mich eine wichtige Einstellung, wenn man eine Einschränkung hat. Ich habe mir nie Gedanken darüber gemacht, wie es wäre, wenn ich größer wäre. Ich bin froh, so zu sein, wie ich bin."

Geht es um den Sport, ist Kappel ehrgeizig und fokussiert. Nicht umsonst hat er es in relativ kurzer Zeit in einer gut aufgestellten Klasse in die Weltspitze geschafft. Bei seinem WM-Debüt holte er Silber mit der Kugel. Und er ist sogar so gut, "dass ich im Landestraining von Baden-Württemberg mit den großen und starken Jungs und Mädels trainieren darf". Auch an Kugelstoß-Meetings der Nichtbehinderten hat er schon teilgenommen.

Und da ihn in seiner Region jeder kennt und mag, fragten ihn CDU-Gemeinderäte, ob er sich nicht zur Wahl stellen wolle. "Zunächst habe ich abgelehnt", sagt Kappel: "Aber dann habe ich darüber geschlafen und gedacht: Warum eigentlich nicht? Ich wurde tatsächlich gewählt, und jetzt ist es ganz interessant. Man lernt etwas fürs Leben."

Eine politische Karriere strebt er aber "auf keinen Fall" an: "In meinem Wohnort vertrete ich das sehr gerne, aber darüber hinaus habe ich keine Ambitionen." Ganz anders im Sport. "Ich habe auf jeden Fall Blut geleckt", betont er. Die Chancen auf eine Medaille bei den Paralympics in Rio 2016 stünden "nicht ganz so schlecht". Einem Multitalent wie ihm ist sowieso alles zuzutrauen.

(are/sid)
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