Berlin Zurück zum Zitronenfalter

Berlin · Die Grünen besinnen sich bei ihrem Parteitag auf ihre Öko-Wurzeln und wollen sich keiner Koalition mehr verschließen.

Die Grünen müssen Donald Trump fast dankbar sein. Bei ihrem Parteitreffen mit 800 Delegierten in Berlin wird der US-Präsident zum neuen Feindbild Nummer eins und weckt den Kampfgeist der zuletzt blass wirkenden Partei. Die Grünen besinnen sich auf ihren Markenkern Klima und Umwelt. Und sie wollen im Bund regieren - fast egal, mit wem.

Dass sie zurzeit nur bei sieben Prozent in den Umfragen stehen, soll sie dabei nicht aufhalten. Die Spitzenkandidaten Cem Özdemir und Katrin Göring-Eckardt stehen vor der schwierigen Aufgabe, den Grünen ein gefälliges Programm schmackhaft zu machen, das Koalitionen nicht von vornherein unmöglich macht, die Basis aber auch nicht völlig verprellt.

Das gelingt. Die Delegierten jubeln, als Göring-Eckardt mit rund 100 neuen Mitgliedern im Gefolge auf die Bühne marschiert. Die Neuen stehen während ihrer Rede hinter ihr, eine klare Botschaft: Seht her, uns gibt es noch. Ein projiziertes Foto der Erde aus dem All macht das Bild komplett. Trump, sagt Göring-Eckardt, "ist gegen die Erde in den Ring gestiegen", indem er den Klimavertrag von Paris aufgekündigt hat. Den Kampf nähmen die Grünen an. Das frühere Alleinstellungsmerkmal der Grünen will sich die Partei nicht von "Klimakanzlerin" Merkel streitig machen lassen.

Fehler von 2013, als die Grünen mit Steuerkonzepten und Veggie-Day-Debatte nur auf 8,4 Prozent kamen, sollen diesmal nicht passieren. Zurück zum Markenkern, heißt die Devise. "Ich höre, Klimaschutz sei ja gut und schön, aber im Wahlkampf eben nicht relevant", schimpft Göring-Eckardt. Sie nennt die Spitzenkandidaten der anderen Parteien "Klimaamateure". Die Grünen, stellt sie klar, sind noch immer die Partei, die sich um Bienen, Kiebitze und Zitronenfalter kümmert. "Die 20 dreckigsten Kohlekraftwerksblöcke schalten wir sofort ab. Dafür stehe ich persönlich ein", verspricht Göring-Eckardt.

Sie beschreibt die Grünen als "letzte Mohikaner der Willkommenskultur" und des freiheitlichen Rechtsstaats. Bei der Bundestagswahl will sie ihre Partei auf Platz drei sehen und die große Koalition ablösen. Mit welchem Bündnis, lässt sie offen: "Wir können es schaffen. Mit wem auch immer." Seit Robert Habeck in Schleswig-Holstein die Grünen in eine Koalition mit CDU und FDP geführt hat, kann man sich hier fast alles vorstellen. Selbst Göring-Eckardts Kritiker stehen nach der Rede auf und klatschen.

Auch Cem Özdemir hat einen seiner besten Auftritte. Zum Auftakt schärft er sein Profil als Außenpolitiker. Die Grünen müssten "Neugründer eines solidarischen, starken und vereinten Europas werden". Merkel wirft er "schulmeisterlichen Drill" der europäischen Partner, Arroganz und Überheblichkeit vor. Özdemir gibt sich als staatsmännischer Realpolitiker. Es sei "ein Ammenmärchen", dass die Grünen ein Problem mit der Polizei hätten. "Bei einem Innenminister Özdemir würden Salafisten und Rechtsradikale sich CDU und CSU zurückwünschen", ruft Özdemir. So viel Selbstbewusstsein kommt an.

Trotziger Mut spricht auch aus den Reden anderer Spitzengrüner. "Wir wollen nicht regieren wegen der verdammten Dienstwägen, sondern um die Welt zu verändern", sagt Fraktionschef Anton Hofreiter. Das Programm der Grünen, das die Delegierten am Ende mit großer Mehrheit verabschieden, nennt er "real und radikal".

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort