Kolumne Mit Verlaub! Zeitgeist-Surfer bekommen nasse Füße

Düsseldorf · Der neue Bundestag ist politisch bunter. Kurioserweise sind deshalb vor allem die politisch korrekten Fans der Bunten Republik Deutschland in Sorge.

Kolumne Mit Verlaub!: Zeitgeist-Surfer bekommen nasse Füße
Foto: Michels

Der Philosoph Peter Sloterdijk spießte neulich die vertrackte Liebe so vieler Menschen zu politisch korrektem Verhalten in Wort und Schrift auf. Diese Uniformität im Sinne angeblich allein zeitgemäßer Einstellungen lässt vermuten, dass die Profession des Gesinnungspolizisten der gegenwärtig modischste Beruf ist. Man benötigt für den Job in der Überwachungsbranche weder Hauptschulabschluss noch Hochschulstudium.

Voraussetzung ist lediglich, auf Parties und bei Talkrunden, in Parlamentsreden sowie in gesendeten und gedruckten Kommentaren auf jeder Zeitgeistwelle politisch gute Figur zu machen. Größte Genugtuung verschafft es den politisch Korrekten, wenn sie sich des Beifalls von Peter Altmaier, Ursula von der Leyen bis hin zu Claudia Roth und Margot Käßmann sicher sein dürfen.

Diesen Zeitgeist-Surfern war die Zusammensetzung des letzten Bundestages ganz recht: Dominante Zweivolksparteien-Regierung unter einer Kanzlerpräsidentin plus einem kraftlosen Duo, das sich Opposition genannt hat, ohne es wirklich zu sein. Ulkigerweise fanden gerade diejenigen den politisch korrekten Einheitsbrei in Ordnung, die zu anderen Gelegenheiten das Hohelied auf die Bunte Republik Deutschland singen.

Und nun? Jetzt haben wir im neuen Bundestag eine Villa Kunterbunt mit einem Meinungsspektrum von Rechts- bis Linksaußen, von nationalkonservativ bis linksinternationalistisch. Auch scheint gewährleistet zu sein, dass politisch Inkorrektes, aber Diskussionswürdiges im Prachtbau der Demokratie endlich wieder scharf debattiert wird. Und schon argwöhnen die vielfach beklatschten Fans der Bunten Republik Deutschland, es gehe im Hohen Haus künftig allzu bunt zu. Man fragt sich, wann die ersten Lichterketten der Besorgnis den Reichstag umspannen.

Oft sind es dieselben Hohepriester der politischen Korrektheit, die einst bei linksgrünen Tollheiten auffallend still waren, nun aber laut "Gefahr von rechts" rufen. Damals nahmen sie kaum Anstoß daran, dass in den Gründungsjahren der Grünen dort Freunde sexueller Experimente mit Minderjährigen Sitz und Stimme hatten oder dass in der jungen Linkspartei Stalin-Verehrer und Schießbefehl-Versteher ihr Unwesen trieben.

Heute versagen diese politisch Einäugigen einer neuen Konkurrenz-Partei im rechten Spektrum das Recht auf Einsicht und Korrektur. Bei der AfD gibt es heute nicht mehr, auch nicht weniger unappetitliche Personen und Überzeugungen, wie es sie anfangs bei Grünen und der SED-Nachfolgepartei gegeben hat.

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(mc)
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