Persönlich Wolfgang Thierse ... mag die Schwaben nicht

Wolfgang Thierse, der bärtige "Elder Statesman" der SPD und Bundestagsvizepräsident, hat das Schwabenland gegen sich aufgebracht.

In einem Interview lästerte der 69-Jährige über die zahlreichen Schwaben, die seinen Heimatbezirk Prenzlauer Berg in Berlin bevölkern und dort angeblich die Kultur und die heimischen sprachlichen Gepflogenheiten manipulieren. "Ich wünsche mir, dass die Schwaben begreifen, dass sie jetzt in Berlin sind. Und nicht mehr in ihrer Kleinstadt mit Kehrwoche", ätzte der SPD-Politiker und erntete prompt wüste Reaktionen aus dem Südwesten der Republik. FDP-Minister Dirk Niebel, selbst ein Schwabe, nannte den streitbaren (tatsächlich katholischen) Sozialdemokraten indirekt einen "pietistischen Zickenbart". EU-Kommissar Günther Oettinger erinnerte an die vielen Milliarden Euro, die von der deutschen Boomregion jedes Jahr in die klamme Hauptstadt gepumpt werden. Nun beklagte sich Thierse über den fehlenden Humor der Schwaben. Es sei doch nur eine "freundlich-heitere" Bemerkung gewesen, entgegnete Thierse, der in diesem Jahr nach 22 Jahren nicht wieder für den Bundestag antritt.

Doch es ist nicht das erste Mal, dass sich der bei den Genossen als rechthaberisch gefürchtete Thierse als oberster Kiezwächter für seinen Stadtteil einsetzt. Vor Jahren beschwerte sich der gebürtige Breslauer über den Wochenmarkt vor seiner Haustür. Um seinem Anliegen, den Trubel auf die andere Seite des Platzes zu verschieben, Nachdruck zu verleihen, hatte Thierse den offiziellen Briefbogen als Bundestagsvizepräsident für die private Bitte an die Stadtteiloberen benutzt.

Das sorgte für ordentlich Ärger und Thierse musste sich am Ende der Debatte entschuldigen. Wenn es um die eigene Ruhe im trauten Heim geht, versteht Wolfgang Thierse offenbar auch keinen Spaß. Da ähnelt der überzeugte Berliner dann doch fast ein bisschen den viel kritisierten Schwaben.

Michael Bröcker

(RP)
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