Wirbel um Roma-Abschiebung

Die Kritik an der Ausweisung von Roma-Gruppen aus Frankreich wird zunehmend schärfer. Dabei handelt es sich um eine gängige Praxis in vielen Ländern Europas. Auch in Deutschland droht einigen Tausend Roma die Abschiebung.

Entschlossenheit hatte Frankreichs Staatspräsident Nicolas Sarkozy demonstrieren wollen. Es war der Versuch, endlich einmal wieder zu punkten auf dem Feld der inneren Sicherheit. Doch nun beschert der mitten in den Sommer-ferien verkündete rigorose Kurs gegen illegale Einwanderer dem Staatschef statt der erhofften besseren Popularitätswerte vor allem Kritik. Besonders die umstrittenen Abschiebungen von Roma sorgen für immer größere Empörung.

Am Sonntag hatte sogar der Papst die Stimme erhoben. In einem Grußwort an französische Pilger mahnte Benedikt XVI. eindringlich dazu, Menschen in ihrer "legitimen Unterschiedlichkeit" anzunehmen. Gestern dann geißelte der ehemalige Premierminister Dominique de Villepin, ein Parteifreund Sarkozys, in der angesehenen Zeitung "Le Monde" den Umgang der Regierung mit den Roma als "Schandfleck auf unserer Flagge". Die Abschiebungen schadeten dem Ansehen Frankreichs, so Villepin.

Auch die EU-Kommission meldete sich zu Wort und erneuerte ihre Aufforderung an die EU-Mitgliedsstaaten, sich bei den Abschiebungen von Roma an die EU-Richtlinien zu halten. "Wir sind sehr besorgt über die aktuelle Diskussion und beobachten jeden einzelnen Fall", sagte ein Sprecher. Zuvor hatte der italienischen Innenminister Roberto Maroni von der rechtspopulistischen Partei Lega Nord die Abschiebung von Roma aus Frankreich gelobt und im gleichen Atemzug auch die Ausweisung von EU-Bürgern gefordert, die das Sozialsystem des Gastlandes belasteten. Aus Brüssel kam die Klarstellung: EU-Bürger dürfen nur dann ausgewiesen werden, wenn durch sie "Gefahr" für das Gastland droht.

Eine Definition, mit der die Behörden offenbar überall in Europa schnell zur Hand sind. Denn hinter den spektakulär in Szene gesetzten Abschiebungen von einigen hundert Roma in Frankreich, verbirgt sich eine viel umfangreichere Praxis. Allein aus Frankreich werden jedes Jahr tausende Roma zurück nach Rumänien und Bulgarien geschickt. So verließen 2009 rund 10 000 Roma das Land, offiziell "freiwillig". Frankreich zahlt jedem erwachsenen Roma eine Rückkehr-Prämie von 300 Euro. Für jedes Kind kommen 100 Euro dazu.

Das französische Vorgehen ist kein Einzelfall. "Es gibt einen allgemeinen Trend in Europa beim Umgang mit den Roma: Man nimmt sie als ganze Gemeinschaft ins Visier und schafft sie fort", sagt Veronica Scognamiglio vom EU-Büro der Menschenrechtsorganisation Am- nesty International. Die meisten dieser "Rückkehrer" sind freilich nach kurzer Zeit wieder da. Denn die Roma verlassen ihre Heimatländer in Osteuropa vor allem, weil die Lebensbedingungen dort für sie unerträglich sind. Zu Arbeitslosigkeit und Armut kommt in Rumänien, Bulgarien, der Slowakei, Ungarn und Tschechien meist auch noch eine systematische Diskriminierung. Gewalttätige Übergriffe sind keine Seltenheit. Da scheint selbst ein Leben als Bettler im Westen noch erstrebenswerter.

Auch in Deutschland leben rund 50 000 Roma-Flüchtlinge vom Balkan. Die meisten kamen während des Kosovo-Krieges und wurden wegen der politischen Verfolgung in ihrer Heimat hierzulande geduldet. Rund 8500 von ihnen könnten nun aber bald abgeschoben werden. Im April unterzeichneten Berlin und Pristina ein entsprechendes "Rückübernahmeabkommen".

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