Ansbach "Wir dachten, hier in Ansbach passiert nichts"

Ansbach · Wie unsere Mitarbeiterin den Selbstmordanschlag in der bayerischen Kleinstadt erlebt hat.

"Alles gut in Ansbach? Habe gehört, es soll eine Explosion gegeben haben?!", schrieb mir eine Freundin Sonntagabend um halb elf. Die Musik in meinem Zimmer war bis dahin laut aufgedreht. Als sie verstummte, konnte auch ich die Sirenen vor meiner Haustür hören. Nur 650 Meter von meiner Wohnung entfernt in der Innenstadt von Ansbach soll es eine Gasexplosion gegeben haben, hieß es zu diesem Zeitpunkt. Im Internet gab es noch keine Informationen.

Auch meine Kommilitonin Isabella Fischer, die auf dem "Ansbach Open" unterwegs war, wusste zunächst nichts Genaues. "Ansbach Open" ist ein Musikfestival, das jedes Jahr in der Innenstadt stattfindet. "Es spielte gerade Gregor Meyle, als ich die ersten Blaulichter sah", berichtete Isabella. Sie beobachtete, wie der Sänger kurz von einem Mann unterbrochen wurde, dann aber doch noch ein Lied spielte: "Ich meine, ihn flüstern gehört zu haben: 'Soll ich es ihnen sagen?'"Als Isabella sich nach diesem letzten Song umdrehte, waren die Menschen hinter ihr bereits verschwunden. Sie stand mit ihren Freunden relativ weit vorne und wurde als eine der Letzten aufgefordert, den Platz zu verlassen. Dass sie überhaupt noch in ihre nahegelegene Wohnung zurückkam, war Glück, später am Abend wurde die ganze Innenstadt abgesperrt.

Noch bevor bekannt wurde, wie viele Schwerverletzte es gibt, beziehungsweise wer der Tote ist, hörte ich nun auch Hubschrauber. "Aus München kommen ebenfalls Hubschrauber, bei einer Gasexplosion braucht man so was nicht", spekulierte eine Freundin. Bei meinen Bekannten aus Ansbach hatte sich inzwischen die Sorge breitgemacht, dass es sich eben nicht nur um einen Unfall handeln könnte. Nach den Ereignissen vergangene Woche in Würzburg und München hatten Isabella und ihre Freunde bereits vor dem Besuch des Festivals überlegt, wie sicher dieser Ausflug sei: "Wir dachten, das ist Ansbach, hier passiert nie irgendwas."

Auch die Nachricht, der bayerische Innenminister sei auf dem Weg nach Ansbach, ließ mich nicht daran zweifeln, es handle sich um einen Unfall. Falsch gedacht. Es stellte sich heraus, dass meine Freunde zumindest in einigen Punkten ihrer Sorge recht behielten. Um kurz vor ein Uhr erfuhr ich, dass die Polizei von einem Sprengkörper ausgeht. Mit einem Mal war ich auch beunruhigt. Als ich in den Nachrichten mitbekam, was in Würzburg und München passiert war, hatte ich Mitleid mit den Betroffenen. Nun machte ich mir Sorgen um mich.

Eingeschlafen bin ich dann doch irgendwann. Und aufgewacht, von den Anrufen und Nachrichten meiner Familie und Freunde. Viele Ansbacher haben erst beim Frühstück mitbekommen, was in der Nacht passiert war. Oder beim Blick aus dem Fenster. Nicht nur zwei Busse mit Polizeibeamten sind zu sehen, auch Presse aus der ganzen Welt ist angereist. Sie alle sammeln sich auf dem Marktplatz. Getratscht und geredet wird dort auch sonst, doch bleiben heute noch mehr Menschen stehen.

Mein Nachbar hat laut die Nachrichten laufen und steht am Fenster, um sich mit Passanten auszutauschen. Keiner hätte damit gerechnet, das Ansbach je auf diese Weise in die Schlagzeilen kommt.

(RP)
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