Sydney Wie die Integration von Flüchtlingen in Australien funktioniert

Sydney · Das Land nimmt nur Menschen auf, die es selbst ausgewählt hat. Dann aber wird alles getan, um ihnen ein neues Zuhause zu bieten.

Australiens Flüchtlingspolitik steht international in der Debatte: Dass das Land Flüchtlinge, die per Boot ankommen, systematisch in primitiven Lagern auf den Pazifikinseln Nauru und Manus interniert, halten die einen für unmenschlich. Die anderen empfinden das auch im Land selbst sehr umstrittene "australische Modell", das auf knallharte Abschreckung baut, dagegen als nachahmenswert. So könne man auch in Europa besser mit dem Flüchtlingsstrom zurechtkommen, glauben die Bewunderer des australischen Wegs.

Da die Frage der internierten Bootsflüchtlinge im Rampenlicht steht, wird allerdings häufig übersehen, dass Australien durchaus Flüchtlinge aufnimmt - allerdings nur solche, die das Land selbst auswählt und grundsätzlich niemanden, der über das Meer kommt. So hat Australien etwa 12.000 syrische Bürgerkriegsflüchtlinge aufgenommen, darunter allein 4350 Kinder. Viele von ihnen sind bis heute vom Krieg, der Brutalität und dem Bombenterror aus der Heimat geprägt. Doch Australien, das traditionell als Einwandererland gilt, in dem etwa ein Drittel aller Bewohner selbst nicht in Australien geboren wurden, versucht mit cleveren Integrationsmethoden, den Menschen ein neues Zuhause zu geben.

So gibt es in den Schulen Intensivsprachkurse, damit die Kinder so schnell wie möglich Englisch lernen, aber auch die australische Kultur kennenlernen. Dazu gehört zum Beispiel auch, Australiens berühmten Brotaufstrich Vegemite zu testen, ein Hefeextrakt, den viele Ausländer erst einmal gewöhnungsbedürftig finden.

Im Westen von Sydney gibt es zudem eine assyrische Schule, deren Schülerzahl seit ihren Anfängen vor 15 Jahren von 85 auf über 700 angestiegen ist. Etwa 200 der heutigen Schüler sind neue Flüchtlingskinder. "In den vergangenen zwei Jahren sind wir mit neuen Flüchtlingen überschwemmt worden", sagte Brian Kennelly, der Direktor von St. Hurmizd, dem australischen Sender ABC. Kennelly, der selbst mehrere Jahre im Nahen Osten gelebt hat, betonte, wie wichtig ein zweigleisiger Ansatz sei. "Wir haben sie mit offenen Armen willkommen geheißen, und wir bringen ihnen Englisch und die kulturellen Aspekte Australiens bei, aber wir bewahren auch ihr Kulturerbe und ihren Glauben,und das ist wirklich wichtig für diese Gemeinschaft."

St. Hurmizd ist die einzige Schule ihrer Art in einem westlichen Land. "Wir sind aus unseren Ländern geflohen und haben Australien zu unserer Heimat gemacht", sagte Rowena Daniel, die selbst Assyrerin und die Koordinatorin des christlichen Religionsunterrichts an der Schule ist. "Wir wollen etwas zur australischen Gesellschaft beitragen, und wir dachten, der beste Weg dafür sei, eine Schule zu haben." Der Unterricht sei nicht immer einfach: "Es gibt eine Menge Schüler, die Einzelbetreuung brauchen und nicht vergessen werden dürfen." Wichtig sei, erst auf die Emotionen der Kinder zu achten und danach anzufangen, sie zu unterrichten. Es seien Kinder dabei, die vier oder fünf Jahre an Schulausbildung verpasst hätten.

Trotzdem gebe es eine Menge Erfolgsgeschichten, berichtete Kennelly. Eine Abiturientin sei erst zu Beginn der elften Klasse nach Australien gekommen und habe zuvor fünf Jahre ohne Schule in einem Flüchtlingslager im Libanon gelebt. Nach nur 18 Monaten im Land sei sie heute die beste Schülerin des Jahrgangs und werde wahrscheinlich Medizin studieren können. "Es ist eine erstaunliche Geschichte der Entschlossenheit, und das ist es, worauf unsere Gemeinschaft gebaut ist: Entschlossenheit, Glaube und Verbundenheit." Doch auch außerhalb der Schule sollen Flüchtlinge so schnell und so gut wie möglich in das australische Leben eingebunden werden. Da werden Ausflüge ans Meer oder in die Berge organisiert, um den Menschen wieder etwas Lebensfreude zu geben. Außerdem schafft man Arbeitsmöglichkeiten, damit die Menschen Erfahrung mit australischen Arbeitgebern sammeln können.

Das Café "Parliament on King" in Sydney beispielsweise beschäftigt ausschließlich Flüchtlinge. Der Eigentümer, Ravi Prasad, der seinen gut bezahlten Job in der Werbeindustrie für das Projekt an den Nagel gehängt hat, bildet die Asylsuchenden als Baristas und Kellner aus. Das gibt nicht nur den Flüchtlingen die Chance, Englisch zu lernen und Erfahrungen im australischen Arbeitsmarkt zu sammeln, sondern auch den Kunden des Cafés, sich mit Flüchtlingen zu unterhalten. "Wenn man sich mit jemandem hinsetzt, um gemeinsam zu Abend zu essen oder auch nur um zu plaudern, dann lernt man ihn als Mensch kennen", sagte Prasad dem internationalen Sender Australiens, SBS. Und das sei das Entscheidende.

(RP)
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