Analyse Das neue Anti-Gabriel-Ministerium

Berlin · Yasmin Fahimi wird von Katarina Barley als SPD-Generalsekretärin abgelöst. Mit Fahimis Wechsel ins Arbeitsressort von Andrea Nahles gibt es dort noch mehr Gegner des Parteichefs Sigmar Gabriel. Der gewinnt aber auch.

Die Bundestagsabgeordnete Katarina Barley soll neue SPD-Generalsekretärin werden. Parteichef Sigmar Gabriel wird die gelernte Juristin heute in Berlin den Genossen als Nachfolgerin von Yasmin Fahimi präsentieren, wie unsere Redaktion aus dem Präsidium der SPD erfuhr.

Erst am Samstag war bekanntgeworden, dass Fahimi ihren Job als Parteimanagerin zum Jahreswechsel an den Nagel hängen und als Staatssekretärin ins Arbeitsministerium von Andrea Nahles (SPD) gehen wird. Seit Monaten schwirrten Gerüchte umher, Gabriel sei auf der Suche nach einer Neubesetzung. Fahimi hatte aber vor drei Wochen noch im Interview mit unserer Zeitung verkündet, erneut als Generalin antreten zu wollen. Am Wochenende stand nun Katarina Barleys Name bereits auf einer Liste des Parteivorstands für mögliche Nachfolgerinnen im Amt der Generalsekretärin - wenn auch nicht ganz oben, wie unsere Redaktion erfuhr.

Politisch gilt Barley als weitgehend unbeschriebenes Blatt. Geboren ist die 46-Jährige in Köln. Sie sitzt erst seit 2013 für den Wahlkreis Trier im Bundestag. Vor ihrer Wahl arbeitete Barley als Anwältin bei einer Hamburger Großkanzlei. Später war sie im Wissenschaftlichen Dienst des rheinland-pfälzischen Landtags tätig, arbeitete als wissenschaftliche Mitarbeiterin für das Bundesverfassungsgericht, wurde Richterin und wechselte 2008 als Referentin ins Landesministerium für Justiz und Verbraucherschutz in Mainz.

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Foto: RP. DPA

Vielen Fraktionskollegen gilt Barley als sympathisch, sehr klug und direkt. Die Mutter zweier Kinder habe ein Talent, auf den Punkt zu sprechen und zwischen verschiedenen Positionen gut zu vermitteln, sagt ein Parteifreund. In der Fraktion sei sie aber bisher nicht groß in Erscheinung getreten.

Barley wird dem linken SPD-Flügel zugeordnet und ist Mitglied im Bundestagsausschuss für Recht und Verbraucherschutz, im Ältestenrat und stellvertretendes Mitglied im Ausschuss für europäische Angelegenheiten. Seit 2010 ist sie SPD-Kreisvorsitzende in Trier-Saarburg.

Barleys Personalie gilt in Berlin als Überraschung. Zumal nach dem Bekanntwerden von Fahimis Weggang andere Kandidaten als mögliche Nachfolgerinnen gehandelt wurden: etwa die stellvertretenden SPD-Fraktionsvorsitzenden Eva Högl und Carola Reimann. Auch die 35-jährige Michelle Müntefering, Ehefrau des früheren SPD-Vorsitzenden Franz Müntefering, wurde als mögliche Nachfolgerin gehandelt.

Für Sigmar Gabriel ist die Personalie nicht ohne Risiko. Job der Generalsekretärin ist es, den Wahlkampf zu organisieren. Doch genau das dürfte für die Wahl im Jahr 2017 eine denkbar schwierige Aufgabe sein. Die SPD steht ohne echte Machtoptionen da, dümpelt seit Monaten mit rund 25 Prozent auf dem enttäuschenden Niveau der letzten Bundestagswahl herum. Will Gabriel, so wie er es mit einem markigen Satz in einer Geschichte für das Magazin "stern" gesagt hat, wirklich Kanzler werden, muss er sich auf Barley blind verlassen können. Doch Wahlkampferfahrung hat Barley kaum, ist kein Schwergewicht in der Partei, war bis gestern Abend weitgehend unbekannt.

Das ist Sigmar Gabriel
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Andererseits: Barley kommt aus Rheinland-Pfalz, und dort steht im kommenden Jahr bei den Landtagswahlen viel auf dem Spiel für die SPD. Das Land wird von Malu Dreyer regiert, die bei Gabriel hoch im Kurs steht. Doch die CDU-Charismatikerin Julia Klöckner könnte die Wahl gewinnen. Rheinland-Pfalz sei "battleground", ein Schlachtfeld, sagt ein SPD-Präsidiumsmitglied. Dort muss die SPD gewinnen, dort muss Gabriel gewinnen. Sonst sieht es im Bund düster für ihn aus.

Mit Barley als Generalin erfährt das Land in der Partei eine Aufwertung, so könnte eine strategische Lesart lauten, die für die Entscheidung wichtig gewesen sein könnte. Und es scheint noch nicht ausgemacht, dass Barley für den Bundestagswahlkampf nicht doch noch ein Kampagnen-Team hinter sich gestellt bekommt. Eine Truppe, wie sie in den Jahren 1998 und 2002 erfolgreich der heutige Staatssekretär in Gabriels Wirtschaftsministerium, Matthias Machnig, angeführt hatte.

Ärger droht Gabriel künftig also eher an anderer Front. Es lag auf der Hand, dass er mit Yasmin Fahimi ein schwieriges Verhältnis hatte. Insofern ist der Weggang Fahimis für ihn wohl auch eine Art Befreiungsschlag bei der Ausrichtung seiner Partei auf den Bundestagswahlkampf. Gabriel ist Einzelkämpfer, vertraut kaum jemandem völlig, neigt zu spontanen Aktionen und Positionswechseln. Doch Fahimi brachte er damit zusätzlich gegen sich auf. Sie, die 47-jährige Parade-Gewerkschafterin, passt sehr gut zu Nahles und dem Arbeitsministerium. Die Chemikerin kam von der IG Bergbau, Chemie, Energie (IGBCE) und hatte von Beginn an mit Kritik zu kämpfen, weil viele ihr das Amt nicht zutrauten. Fahimi ist mit IGBCE-Chef Michael Vassiliades liiert. Doch im Arbeitsministerium sammelt sich nun langsam aber sicher eine Gruppe aus scharfen Gabriel-Kritikern, gar aus innerparteilichen Gegnern - zumal in der zweiten und dritten Reihe.

Mit Andrea Nahles selbst hat Sigmar Gabriel ein politisches Schwergewicht im Kabinett. Die Ministerin verwaltet den größten Etat im Bundeshaushalt, ist die Macherin des SPD-Prestigeprojekts Mindestlohn. Doch politisch ist die linksorientierte Nahles schon oft mit Gabriel aneinandergerasselt. Er hat den Regierungswillen, sie zwar Machtinstinkt, aber auch großes Interesse an programmatischen Debatten. Fahimi besetzt in ihrem Haus künftig die Position von Jörg Asmussen, der nach nur zwei Jahren wieder nach Frankfurt in die Bankenwelt zurückkehrt, dieses Mal zur Förderbank KfW. Er hatte Gabriels Kurs immer deutlich näher gestanden als dem Kurs seiner Ressortchefin Nahles. Der Parteichef verliert also an wichtiger Stelle einen prominenten Fürsprecher.

(RP)
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