Klaus Ferdinand Gärditz "Vorwürfe gegen Uni Düsseldorf sind haltlos"

Der Bonner Jura-Professor hat das Vorgehen der Hochschule im Umgang mit Annette Schavan (CDU) und den Plagiatsvorwürfen untersucht.

Herr Professor Gärditz, welche Aufgaben haben Sie bei der Überprüfung von Annette Schavans Doktorarbeit?

Gärditz Ich wurde vom Rektor der Heinrich-Heine-Universität (HHU) beauftragt, den Ablauf des bisherigen Verfahrens aus rechtlicher Sicht zu prüfen. Ich wurde angefragt, weil mein Forschungsschwerpunkt das Wissenschaftsrecht ist und ich schon eine Reihe an Verfahren wegen wissenschaftlichen Fehlverhaltens — insbesondere bei Entziehungen von Doktorgraden — aufseiten verschiedener Hochschulen als Berater oder Prozessvertreter begleitet habe.

Welche Informationen haben Sie in diesem Fall ausgewertet?

Gärditz Ich habe die gesamten Verfahrensakten einschließlich des damaligen Promotionsverfahrens ausgewertet sowie mit dem Rektor, dem Dekan der Philosophischen Fakultät, dem Berichterstatter des Promotionsausschusses und einem Vertreter des Justiziariats der HHU ausführliche Gespräche geführt.

Warum muss die Universität Düsseldorf sich überhaupt bestätigen lassen, dass sie korrekt handelt?

Gärditz Die HHU muss sich dies nicht bestätigen lassen. Mein Auftrag bestand in einer Prüfung und gegebenenfalls Beratung, wie etwaige Fehler hätten korrigiert werden können. Ich konnte jedoch nicht feststellen, dass Organe der Universität rechtlich relevante Fehler begangen haben. In Anbetracht der — oft völlig unsubstanziierten und in der Sache haltlosen — Vorwürfe, die gegenüber der HHU seitens der interessierten Öffentlichkeit erhoben wurden, sowie der rechtlichen Schwierigkeiten, die mit Doktorgradentziehungen verbunden sein können, war eine externe, vom Geschehen distanzierte Beratung sicherlich sinnvoll.

Frau Schavan ist Bundesministerin und nicht irgendeine Absolventin. Die Uni steht unter Druck und muss um ihre Reputation fürchten. Wie lässt sich in dieser Gemengelage ein faires Verfahren garantieren?

Gärditz Gerade dadurch, dass die HHU die herausgehobene Stellung der Betroffenen ausblendet und das Verfahren mit der gebotenen Objektivität, Nüchternheit und Sachlichkeit in pflichtgemäßem Ermessen und ohne Ansehung der Person durchführt.

Nach der Vorabveröffentlichung der Expertise hätten die Mitglieder der Kommission gar nicht mehr unabhängig entscheiden können, kritisieren die Deutsche Forschungsgemeinschaft und der Präsident der Humboldt-Stiftung. Muss das Verfahren neu begonnen werden?

Gärditz Nein. Es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass ein maßgeblicher Entscheidungsträger, der an dem Verfahren mitgewirkt hat oder Mitglied des Fakultätsrats ist, die bedauerlicherweise vorab bekannt gewordenen Informationen an die Presse gegeben hat und hierdurch befangen ist. Eine Universität ist kein Geheimdienst und lässt sich nicht hermetisch gegen die — im Übrigen strafbare — Preisgabe von internen Geheimnissen abschirmen. Die verantwortlichen Organe der HHU haben jedenfalls das in ihren Möglichkeiten Liegende unternommen, ein Durchsickern zu verhindern und — nach der bedauerlichen Veröffentlichung — die Quelle aufzuklären. Die Staatsanwaltschaft ist eingeschaltet.

Haben die prominenten Plagiatsfälle nicht gezeigt, dass das universitäre System zur Überprüfung von Doktorarbeiten fehlerhaft ist?

Gärditz Nein, weil es ja immer noch — verglichen mit der Zahl der Doktoranden — um sehr wenige Fälle geht. Richtig ist allerdings, dass man bei der Auswahl der Doktoranden stärker das wissenschaftliche Eigeninteresse prüfen müsste. Eine Dissertation ist eine Forschungsarbeit und kein Verfahren, die Visitenkarte aufzupolieren.

Brauchen wir bei Plagiatsverfahren eine Verjährungsfrist?

Gärditz Nein. Denn es geht um eine Störung des wissenschaftlichen Diskurses, bei der ein Nachwuchswissenschaftler seine Kardinalspflicht zur wissenschaftlichen Redlichkeit verletzt und hierdurch ein Werk produziert hat, das amtlich "aus dem Verkehr gezogen" werden muss. Eine andere Frage ist, ob man es ermöglichen sollte, in Altfällen ein Plagiat verbindlich festzustellen, aber den Titel zu belassen.

MICHAEL BRÖCKER UND SEMIHA ÜNLÜ STELLTEN DIE FRAGEN.

(RP/jh-)
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